Wirkung erzielen
Viele Unternehmen haben eine Balanced Scorecard im Einsatz – aber oftmals wird nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Ist das Konzept der BSC gescheitert? Nein. Denn die Ursachen liegen in der Schwierigkeit, das Konzept konsequent in der Praxis umzusetzen. Dies zeigt eine Studie bei Führungskräften in der Deutschschweiz.
Die Balanced Scorecard (BSC) gilt als gefeiertes Managementinstrument. Die Erfahrung zeigt jedoch auch, dass zwar viele Unternehmen eine BSC im Einsatz haben, etliche davon aber mit der erzielten Wirkung nicht zufrieden sind. Doch wo entstehen diese Wirkungsverluste in der Praxis genau? Dieser Frage ging das Beratungsunternehmen Valion AG in einer Studie nach.
Instrument der Strategiekommunikation
Die Studie verdeutlicht, dass die BSC von Unternehmen, welche die Wirkung des Instrumentes kritisieren, noch zu stark als reines Instrument zur Messung von Kennzahlen verstanden und angewendet wird. Dies zeigt sich darin, dass diese Unternehmen es weniger gut verstehen, ihre «Story of Strategy» zu formulieren. Strategische Ziele werden zu wenig konsequent aus der Strategie abgeleitet und sind zu wenig präzise formuliert, damit sie auch tatsächlich die Differenzierungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz und das Nutzenversprechen («Value Proposition») aufzeigen. Nur gerade ein Fünftel der Umfrageteilnehmer, die der BSC eine eher geringe Wirkung zugestehen, ist der Meinung, dass die BSC eine einfache und verständliche Kommunikation der Unternehmensstrategie ermöglicht. Bei den Unternehmen, welche die Wirkung der BSC als hoch einstufen, sind hingegen 84 Prozent von der Kraft der BSC als Instrument zur Strategiekommunikation überzeugt.
Zielerreichung
stärken Noch auffallender sind jedoch die Ursachen für die Wirkungsverluste in der Anwendung der BSC im Führungsalltag. Gerade der Umgang mit Zielabweichungen und vorausgehend mit der Festlegung von Zielwerten wird von Unternehmen, die der BSC eine geringe Wirkung attestieren, anders ausgestaltet, als dies Firmen tun, die
Abweichungen vom Zielwert
der BSC eine hohe Wirkung beimessen. Sie formulieren zwar strategische Ziele und messen diese mit Kennzahlen – bei Abweichungen der Kennzahlen vom Zielwert bleiben die Konsequenzen jedoch aus. Der Handlungsbedarf wird hingegen von Unternehmen, die der BSC eine hohe Wirkung beimessen, in Form von priorisierten Aktionen konkretisiert. Ebenfalls wird ein gutes Augenmerk darauf gelegt, dass die strategischen Aktionen so ausgestaltet werden, dass sie auch tatsächlich die Zielerreichung unterstützen
Wo bleiben die anspruchsvollen Ziele?
Ein zentraler Aspekt, der im Zusammenhang mit der Balanced Scorecard vernachlässigt wird, ist das Change Management. Eine Strategie umzusetzen oder bei Zielabweichungen wieder auf Kurs zu kommen, bedingt immer, dass sich das Unternehmen verändern muss. Die BSC kann als potentes Instrument genutzt werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Wandlungsbedarf nicht nur erkennen, sondern auch als dringend notwendig empfinden. Diese Wirkung kann jedoch erstens nur dann erzielt werden, wenn die Zielwerte zwar
Definition der Mitarbeiterziele
realistisch, aber eben auch anspruchsvoll definiert werden. Denn nur anspruchsvolle Ziele locken die Angesprochenen aus ihrer Komfortzone und motivieren zur «Extrameile», die über das operative Tagesgeschäft hinausgeht. 100 Prozent der Teilnehmer, die der BSC eine hohe Wirkung attestieren, setzen anspruchsvolle, aber erreichbare Ziele. Bei den Unternehmen, die der BSC eine eher geringe Wirkung beimessen, sind es lediglich deren drei Fünftel. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bezüglich Festlegung der Zielwerte noch Verbesserungspotenzial besteht.
Anreize zum Handeln
Zweitens gilt es in Bezug auf das Change Management sicherzustellen, dass die Strategie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch wirklich bekannt ist. Denn nur dann können sie ihr Handeln auch auf die Erreichung der strategischen Ziele ausrichten. Die BSC eignet sich hervorragend zur Kommunikation der Strategie. Indem die Strategie in strategische Ziele übersetzt wird, kann die «Story of Strategy» gut verständlich kommuniziert werden. Zusätzliche Wirkung wird aber erst entfaltet, wenn die BSC als Grundlage für die Definition der Mitarbeiterziele dient und die Zielerreichung an ein Anreizsystem gekoppelt wird. Mit diesen Massnahmen werden die strategischen Ziele zu persönlichen Zielen und prägen das Verhalten wesentlich stärker. Gerade aber zu diesem Zweck nutzen Unternehmen, welche die Wirkung der BSC kritisieren, die Balanced Scorecard kaum. Bei den Unternehmen, welche der BSC eine hohe Wirkung attestieren, nutzen immerhin rund 70 Prozent die BSC als Grundlage zur Definition der Mitarbeiterziele und 60 Prozent koppeln die Zielerreichung an ein Anreizsystem.
Zielkaskaden definieren
In vielen Fällen – insbesondere bei grossen Unternehmen – können die Mitarbeiterziele aber nicht direkt von den Unternehmenszielen abgeleitet werden, da die Ziele auf Stufe Unternehmensleitung oft zu abstrakt und zu wenig handlungsorientiert formuliert sind, als dass sich jeder Einzelne daran orientieren könnte. Ist dies der Fall, müssen die Ziele zunächst über die Organisationseinheiten kaskadiert werden: Bei diesem Prozess wird top-down zu jedem Ziel die Frage beantwortet, wie die betrachtete Organisationseinheit zur Zielerreichung beitragen kann. Durch iteratives Fortschreiten dieses Prozesses entsteht eine stringente Zielkaskade, die nicht nur jedem aufzeigt, welchen Beitrag er zur Zielerreichung leisten kann. Vielmehr wird damit das strategische «Alignment», also die Ausrichtung der Gesamtorganisation an der Strategie, sichergestellt.
Die Studie verdeutlicht, dass gerade hier bei vielen Teilnehmern grosser Handlungsbedarf besteht: Nur gerade ein Viertel der Studienteilnehmer, die die Wirkung der BSC als eher gering einschätzen, haben ihre Scorecards auf untergeordnete Hierarchiestufen heruntergebrochen. Dahingegen kaskadieren rund zwei Drittel der Unternehmen, die der BSC eine hohe Wirkung attestieren, konsequent ihre Scorecards. Die Kaskadierung bringt neben dem Alignment den Vorteil der Stärkung des
Nur Messung von Kennzahlen?
unternehmensweiten Denkens: Unternehmen, die der BSC eine hohe Wirkung attestieren, sind kaum der Meinung, dass in ihrem Unternehmen funktionsspezifisches Denken vorherrscht. Bei den Unternehmen, die die Wirkung der BSC kritisieren, geben hingegen mehr als zwei Drittel an, dass in ihrem Unternehmen ein «Silodenken» vorherrscht.
Verankert im Führungsalltag
Wenn mit der BSC langfristig nachhaltige Erfolge erzielt werden sollen, ist die Verankerung des Instruments und der entsprechenden Kultur im Führungsall tag ein zentraler Faktor. Die Anforderungen an das Management von Unternehmen verändern sich in der Moderne schneller denn je – dieser Umstand muss beim Einsatz einer Balanced Scorecard berücksichtigt werden: Wirkung wird dann erzielt, wenn die Ziele, deren Status, die Kennzahlen sowie strategische Aktionen laufend überprüft und den sich verändernden Gegebenheiten angepasst werden.
Die Studie stützt diese Praxiserfahrung, indem sie aufzeigt, dass 90 Prozent der Unternehmen, die der BSC eine hohe Wirkung attestieren, diese mindestens quartalsweise in GL-Sitzungen behandeln. Im direkten Vergleich diskutiert nur ein Viertel der Unternehmen, welche die Wirkung der BSC als gering einschätzen, diese regelmässig in der Geschäftsleitung. Die periodische Besprechung der Balanced Scorecard eröffnet die Möglichkeit, dass das Management neben dem operativen Tagesgeschäft auf die zentralen strategischen Fragestellungen fokussieren kann. Die BSC unterstützt damit ein weiteres zentrales Element, das im Führungsalltag oftmals nicht die notwendige Priorisierung erfährt.