Zehn Tipps
Immer mehr deutsche und schweizerische Unternehmen kaufen in China ein. Doch wie steht es um die Qualitätssicherung von Produktionsprozessen beim Lieferanten? Der Autor mit chinesischen Wurzeln stellt zehn Tipps vor, wie die Auditierung effizient gestaltet werden kann.
Viele Unternehmen schicken eigene Mitarbeiter sowie beauftragte Externe nach China, um die anvisierten potenziellen Lieferanten unter die Lupe zu nehmen. Aber eine solche Auditierung kann rasch kostspielig und ineffizient werden. Statt einer exotischen und spannenden Dienstreise sind die Mitarbeiter nach der Reise oft gestresst und verärgert. Folgende Tipps können weiterhelfen.
1. Mehr Puffer in der Planung
Eine detaillierte stündliche Planung halte ich für unabdingbar. Jeder Flug sollte vorher gebucht werden und jede Fahrt kann man durch Googlemaps gut vorkalkulieren. Die Flughäfen in China sind meistens eine Nummer grösser, als man sich gewöhnt ist, und die Verspätung der Abflugzeiten ist keine Ausnahme bei so einer Grössenordnung. Aufgrund des schlechten Berufsverkehrs und der Geschwindigkeitsbegrenzung auf chinesischen Autobahnen dürfen Sie maximal mit 80km/h fahren, in der Stadt sind es 40km/h. Das Meeting fängt im Normalfall zehn Minuten später an und endet im Regelfall auch schneller, als man zunächst vereinbart hat. Planen Sie etwa 20 Prozent Pufferzeit ein, da Ihre chinesischen Freunde meist weniger Zeit einplanen. Für das Mittagessen sollte man mit ein bis eineinhalb Stunden rechnen, während das Abendessen mindestens drei Stunden dauert. Schicken Sie Ihre Planung vorher an Ihren Geschäftspartner, lassen Sie ihn daran teilhaben, um einschätzen zu können, ob Ihre Planung in China auch realisierbar ist.
2. Der Weg zum Audit
Mehr als 200 Mrd. Yuan wurden in den letzten Jahren in das Projekt des chinesischen Schnellbahnsystems investiert. Im Gebiet des Perlfluss-Delta um Hongkong, das Jangtse-Deltas um Shanghai und die Region um Peking erfasst das Netzwerk der Schnellzüge nahezu jede Ecke. Die Tickets kann man auf www.12306.cn online buchen. Leider müssen Sie zur Ticketbuchung Ihre Geschäftspartner um Hilfe bitten, da die Webseite auf Chinesisch ist. Die Zugtickets können Sie an den internationalen Flughäfen Peking und Shanghai bei der Agentur der chinesischen Bahn selber abholen. Dazu müssen die Buchungsnummer und Ihr Personalausweis vorgelegt werden. Sie können alle Tickets für Ihre Aufenthalte in China bei der Anreise auf einmal ausdrucken lassen. Das Zugfahren hilft sehr gut, Ihre Zeitpläne vor Ort einzuhalten, da dies am schnellsten und sichersten ist.
3. Geschenk an weniger wichtige Mitarbeiter
Kleinere Geschenke freuen jeden chinesischen Geschäftspartner
Freundschaftlichen Respekt zeigen
Denken Sie aber auch an weniger wichtige Mitarbeiter wie zum Beispiel die aus dem Vertrieb, der Assistenz der Geschäftsführung oder der Qualitätssicherung. Mit einem Geschenk zeigen Sie Respekt vor diesen Mitarbeitern und diese werden im Rahmen der Auditierung eher proaktiv für Sie arbeiten. Sie bekommen rascher eine gute Unterkunft, die Reise wird gut organisiert und die Koordination funktioniert besser. Wenn Sie sich mit diesen Menschen anfreunden, helfen diese auch, organisatorische Probleme, die Sie vorher nicht einkalkuliert haben, leichter und schneller zu lösen. Das Geschenk muss nicht protzig sein. Schokoladen und Süssigkeiten aus dem Supermarkt, Zigaretten und Zigarren vom Kiosk oder Musik und Souvenirs von der Tankstelle sind gerne gesehen. Im Notfall können Sie auch Geschenke am Flughafen einkaufen. Ein chinesisches Sprichwort sagt: «Das Geschenk kann erschwinglich wie eine Gänsefeder sein, aber die Geste vermittelt tiefen Respekt.»
4. Business Etikette
Bitte ziehen Sie einen Anzug oder als Frau ein Businessdress an, selbst wenn Sie Ihr Geschäftspartner im Räuberzivil empfängt. Der Anzug erhöht die Wertschätzung und entspricht auch der Erwartungshaltung der chinesischen Geschäftspartner. Dabei sieht man Sie durchaus auch als Vorbild
Man darf nicht vergessen, dass die Auditierung nicht nur das System des chinesischen Partners kritisch hinterfragt, sondern dass dem Lieferanten auch Systemprobleme transparent gemacht werden, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Mit anderen Worten: Sie bringen, und das wird auch erwartet, Ihrem Geschäftspartner bei, wie sein System besser funktionieren kann. Die Krawatte jedoch können Sie weglassen, da man in China damit oft overdressed ist. In China tragen eher Servicekräfte im Restaurant, an der Rezeption im Hotel oder Versicherungsmakler Anzug mit Krawatte. Eine ansprechende Präsentation über Ihre Firma zählt auch zur Business-Etikette. Die Firmengeschichte, Philosophie und Tradition sollten vorgestellt werden. Stellen Sie aber auch die positive Zukunft, Vision und Branchenerfahrung Ihrer Firma auf der Leinwand mit lebhaften Geschichten dar.
5. Mittagspausen
Ihr höflicher Gastgeber wird Ihnen möglicherweise ein Drei-Gang-Menü und eine Flasche französischen Rotwein anbieten. Seien Sie aber mit dem Konsum von Alkohol sehr vorsichtig. Besser ist es, Sie lehnen eine solche Einladung im Vorfeld höflich ab und weisen klar darauf hin, dass das Mittagessen einfach und schnell sein sollte. Beispielsweise sind Bestellungen bei den Fastfood-Ketten sauber, zügig und sicher. Falls sich die Fabrik des Lieferanten weit im Landesinneren befindet, sind die beliebten Imbisse mit Bratnudeln und -reis auch dort zu finden. Nutzen Sie die Mittagspausen, um Ihr Gegenüber besser kennenzulernen, und plaudern Sie über Privates oder Ihre Erlebnisse in China. Vermeiden Sie Gesprächsthemen rund um Politik. Ausserdem sollten Sie sich auch nicht über China beschweren. Bei solchen lockeren und unverbindlichen Gesprächen haben Sie die Chance, unerwartet Informationen darüber zu bekommen, wie der Betrieb läuft, wie es um die Mitarbeiterzufriedenheit steht, was diese pro Kopf verdienen, wie die Mitarbeiter geschult werden, wo Ihr Gegenüber selber wichtige Lieferanten hat, wie der Geschäftsführer tickt und Ähnliches.
6. Abendessen mit der Geschäftsleitung
Geschäfte in China funktionieren am besten auf Basis einer guten menschlichen Beziehung, dann darf man sich auch auf ein harmonisches Abendessen freuen. Einladungen zum Abendessen mit der Geschäftsführung sind ein sehr positives Zeichen dafür, dass der Lieferant an einer zukünftigen Kooperation wirklich interessiert ist. Zudem lernen Sie die Geschäftsführer persönlich und ihre Philosophie besser kennen.
Legt die Firma Wert auf Qualität? Möchte sie weitere Investitionen zur Erhöhung der Produktivität und des Qualitätsniveaus tätigen? Wie sieht sie die künftige Kooperation mit Ihrer Firma usw.? Nachdem Sie ein paar Mal mit den Geschäftsführern angestossen haben, wird das Gespräch sowohl über das Geschäft als auch privat intensiviert. Nutzen Sie diese Momente, um offene Punkte anzusprechen und ehrliche Forderungen zu kommunizieren. Zur Wahrung Ihres Gesichts wird der Lieferant mit hoher Wahrscheinlichkeit Ihrer Meinung zustimmen und Ihnen entgegenkommen
7. Videokamera mitbringen
Gute Videoaufnahmen der Werkführung sind der beste Rohstoff für den Auditbericht und geben auch wichtige Hinweise für die anschliessende Kostenkalkulation. Das potenzielle Qualitätsdefizit des Werks kann durch die Analyse der Videoaufnahmen transparent gemacht werden. Anhand der Analyse kann man auch eine FMEA-Analyse (Failure Mode and Effects Analysis) oder kurz «Auswirkungsanalyse» erstellen und Vorbeugungsmassnahmen konzeptionieren. Die meisten Geschäftspartner werden solche Videoaufnahmen nicht verbieten. Falls keine Aufnahmen gewünscht sind, können Sie mit der Unterzeichnung der Geheimhaltungsvereinbarung (ohne Strafklausel) oder dem Hinweis auf die Auditierungsvorschriften Ihrer Firma argumentieren. Im besten Fall nehmen Sie jeden Arbeitsschritt der Produktion auf. Dokumentieren Sie so den gesamten Produktionsprozess sowie die Schnittstellen (zum Beispiel innerbetriebliche Transport- und Qualitätssicherungsinspektion; Materialvorbereitung usw.).
8. Auditierung bei Sub-Lieferanten
Auch dann, wenn der Lieferant einen guten Eindruck macht, sollten Sie unbedingt versuchen, seine Haupt- und Unterlieferanten zu prüfen. Viele chinesische Konzerne kaufen bei kleineren, ihnen bekannten Lieferanten ein. Es gibt kaum ein Unternehmen in China, das über ein lebendiges Lieferantenentwicklungssystem verfügt. Das Qualitätsdefizit könnte aber bei einem Sub-Lieferanten vorprogrammiert sein. Die meisten chinesischen Hersteller beziehen ihre Waren von Sub-Lieferanten in der Nähe. Der Besuch dieser Sub-Lieferanten muss spontan sein, sonst wird immer ein Schein-Sub-Lieferant vorgestellt. Lassen Sie sich erklären, wo die Hauptlieferanten sitzen. Nutzen Sie dann die eingeplante Pufferzeit zu einem Überraschungsbesuch. Bestehen Sie auch bei Gegendruck auf Ihren Wunsch und verweisen Sie auf die Auditierungsvorschriften Ihrer Geschäftsführung. Lassen Sie sich von einem möglichen ersten negativen Eindruck eines Unterlieferanten aber nicht abschrecken, konzentrieren Sie sich vielmehr darauf, ob das Fertigungsverfahren Ihre Qualitätsanforderungen einhält
9. Lebendige Prozesse (bessere Qualitätskontrolle)
Prüfen Sie statt der QS-Unterlagen jeden Arbeitsschritt. Die QS-Unterlagen können möglicherweise vor Ihrer Anreise aufgefrischt worden sein, aber den Produktionsprozess und die Gewohnheiten der Mitarbeiter kann man nicht von heute auf morgen verändern.
Dabei sind folgende Punkte zu beachten: Wie soll die QS organisiert werden? Per In-Process Quality Control (IPQC=zufällige Prüfung eines jeden Arbeitsschrittes im Werk durch das werkseigene Qualitätssicherungsteam) oder per Werk-Selbstprüfung? Im Rahmen der Werk-Selbstprüfung kontrolliert der Mitarbeiter die von ihm produzierten Teile selber auf Fehler und erteilt gemäss der vorliegenden Arbeits- und Prüfanweisungen die Freigabe für den Beginn des nächsten Arbeitsschritts. Sollen die Prüfungsergebnisse in einem Standarddokument eingetragen werden? Wie sollen die Prüfungsergebnisse bewertet werden? Wo sollten die Ergebnisse gespeichert werden? Gibt es eine Endprüfung bei jedem Arbeitsschritt? Wie kann man sicherstellen, dass die Teile
Werk-Selbstprüfung wird bevorzugt
richtig produziert und geprüft werden usw.? Die Statistical Process Control (SPC=Statistische Prozessregelung) wird in China nicht richtig eingesetzt, stattdessen nutzt man gern die Werk-Selbstprüfung zur Sicherstellung der Produktionsqualität. Falls die SPC in der Praxis doch eingesetzt wird, sollten Sie auch genau überprüfen, wie diese umgesetzt wird. Die Rückverfolgbarkeit bei einer chinesischen Fabrik ist kaum möglich. Konzipieren Sie daher gemeinsam mit dem Lieferanten das System komplett neu. Auch wenn ein Rückverfolgungssystem existiert, muss dies leider nicht heissen, dass es logisch aufgebaut ist und funktioniert.
10. Abschied
Beim Abschied sollte man sich für die warme und herzliche Begegnung bedanken. Loben Sie die Auditierung. Lassen Sie sich nicht von Ihrem Geschäftspartner zum nächsten Ziel oder Flughafen bringen, weil der Chauffeur Ihre Diskussion und Ihre Kommentare zum Betrieb mitbekommen könnte und so letztlich Ihr Audit ausspioniert.
Lieferantenaudits in China unterscheiden sich im Grunde nicht so sehr von Lieferantenaudits in anderen Ländern. Die allgemeinen Prinzipien und Prozesse sollten unter Beachtung der genannten Tipps auch in China gut funktionieren.