Der Chef ist Mentor

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen heute in aller Regel anders geführt, gefördert und gefordert werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Zu einer zeitgemässen Leadership gehören eine ausgeprägte Mentoring-Kultur, interessante Aufgabengebiete sowie Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.

Der Chef ist Mentor

 

 

 

Die besondere Beziehung zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ihren Führungskräften – eine Beziehung von Mentor und Mentee – ist Kern eines nachhaltigen Erfolgs von Lean Management. Dies bedingt eine unternehmensweite Kultur der kontinuierlichen Verbesserung, die es der Firma erlaubt, zu einer stetig lernenden Organisation zu werden. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Belegschaft Höchstleistungen erbringt und ihr Leistungsniveau permanent erhöht. Dieses Verhalten ist integraler Bestandteil ihrer Unternehmenskultur.

Der Mentor ist sozialkompetent

 

Die Kulturveränderung kann einzig vom Management ausgehen. Dazu müssen Führungsstil und -methoden neu überdacht werden, denn wie letztlich Führung wahrgenommen und praktiziert wird, überlässt man oft dem Zusammenspiel der Fähigkeiten von Fachkompetenz, Sozialkompetenz und der Methodenkompetenz eines jeden Vorgesetzten.

 

Führung neu verstehen

 

Das Spannungsdreieck der Kompetenzbilanz eines Vorgesetzten ist aber nie ausgewogen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Lean Management sind Sozial- und Methodenkompetenz mindestens genauso wichtig wie die Fachkompetenz. Eine Führungskraft in einem schlanken Unternehmen darf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht als reine Befehlsempfänger betrachten und behandeln. Deren Erfahrung und Wissen müssen in die kontinuierliche Verbesserungsarbeit einfliessen und ihre Problemlösungskompetenzen stetig ausgebaut werden. Aufgabe der Führungskräfte ist es, ein Klima zu schaffen, das jedem erlaubt, angstfrei das zu tun, was getan werden muss. Das Motto heisst: «Coaching statt Befehlsausgabe». Doch was bedeutet Coaching im Management?

Der Mentor befiehlt nicht, sondern coacht

 

Die Rolle eines Coachs im Management ist ungleich diffiziler und anspruchsvoller als diejenige des Befehlsausgebers: Nicht nur muss eine Führungskraft auf fachliche Kompetenzen zurückgreifen können. Entscheidend ist, dass sie über grosse Sozial- und Führungskompetenz verfügt.

 

Voraussetzung für die Rolle als Coach ist, dass Führungskräfte «linear-kausale Denkweisen» ablegen. Probleme dürfen nicht mehr in simple Ursache-Wirkung-Schemata gepresst werden, die ihrerseits simple Lösungen produzieren, aber das Problem nicht in ihrer Tiefe lösen oder schlimmer: es unternehmensintern verlagern. Vielmehr müssen Probleme «systemisch-kybernetisch», in ihrer Gesamtheit, also das gesamte Unternehmen betreffend, erfasst, analysiert und gelöst werden. So agieren beispielsweise Einkäufer heute aufgrund steigender Materialpreise, sinkender Verkaufspreise und der Verschärfung des globalen Wettbewerbs unter immer grösserem Druck. Einseitig preisorientiertes Handeln, wie es ein linearkausales Denken vorgeben würde, ist hier aber keine Lösung. Vielmehr darf der Einkauf Entscheidungen nicht mehr allein in Abhängigkeit vom Materialpreis treffen, sondern muss wertstromoptimiert «von Kunde zu Kunde», also systemisch, agieren.

 

Führungskräfte als Coachs betrachten Probleme und Herausforderungen in ihrer Einzigartigkeit, denn in der systemisch-kybernetischen Betrachtungsweise sind Probleme subjektive menschliche Konstrukte und daher für jeden Einzelnen bloss in dessen eigener Wirklichkeit wahrnehmbar. So kann die Verkürzung der Lieferzeiten vom Topmanagement eines Unternehmens als grosse Dringlichkeit wahrgenommen werden, während dies für den Gruppenleiter an der Montagelinie bloss tiefste Priorität auf seiner langen Aufgabenliste geniesst.

Den Lösungsprozess anstossen

 

 

Konfrontiert mit einem Problem regen Führungskräfte als Coachs eher neue Denk- und Verhaltensmuster an, anstatt Ziele mit derBrechstange durchzusetzen. Sie suchen nicht nach Ursachen oder Schuldigen, sondern entwickeln langfristig tragfähige Lösungen und befähigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Prozesse stetig weiter zu verbessern. Die Kerntätigkeit von Coachs besteht darin, Fragen aufzuwerfen, Antworten zusammenzufassen und den Ablauf des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses zu sichern. In diesem Sinne unterstützt ein Coach dabei, eigenverantwortlich Probleme zu lösen und die Lösungen in der Realität zu testen.

 

Das heisst: Der Coach präsentiert dem Einzelnen keine Lösungen, sondern hilft ihm zu erkennen, wo sein Problem liegt, und unterstützt ihn dabei, seine Lösungen zu finden. Die Zuständigkeiten in der

 

Coachee: zuständig für die Inhalte

 

Problemlösung sind klar vergeben: Der Coach ist für den Prozess und die Zielerreichung zuständig, der Coachee für die Inhalte.

Shopfloor Management spart Zeit

 

Wie weiss die Führungskraft, welche Probleme im Unternehmen existieren und wo Unterstützung in Form von Coaching benötigt wird? Und vor allem: Wo kann eine Führungskraft die nötige Zeit finden, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu coachen? Die Leitungsphilosophie Shopfloor Management ermöglicht genau dies.

 

Der Begriff steht für ein verbessertes Management auf dem Weg zu einer lernenden Organisation und erstreckt sich auf alle Unternehmensbereiche. Shopfloor Management bietet Methoden zur Implementierung einer Kultur an, die darauf abzielt, die Interaktion zwischen Führungskräften und Belegschaften zu optimieren, um alle betrieblichen Tätigkeiten von der Entwicklung bis hin zur Qualitätssicherung so auszurichten, dass die Produktion als eigentlicher Ort der Wertschöpfung möglichst effizient, flexibel und störungsfrei gestaltet werden kann.

 

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben sich viele Führungskräfte von der Werkbank – dem Ort der eigentlichen Wertschöpfung – weg in Richtung Schreibtisch und Computer bewegt. Entscheidungen wurden zunehmend aufgrund abstrakter Daten und ERP-Systeme gefällt. Shopfloor Management kehrt diese Entwicklung um und holt die Führungskräfte zurück an den Ort des Geschehens, an den Ort, an dem das Problem aufgetreten ist.

 

Zentrale Elemente von Shopfloor Management sind tägliche Kurzbesprechungen – im Stile von Coachings – und das sogenannte Shopfloor Board. Dort finden sich alle wichtigen Informationen zu verschiedenen relevanten Aspekten wie Arbeitssicherheit, Mitarbeiterbelegung, Qualität oder Ausbringung. Das Motto dabei ist: Folienstift statt Powerpoint oder SAP. Alle so visualisierten Kennzahlen folgen dem Prinzip der Ampelfunktion. Sind beispielsweise verglichen zu einem Soll-Wert zu wenige Leute in einer Montageinsel, setzt der Linienverantwortliche einen roten Magneten neben die Zahlen. Dasselbe gilt für die Ausbringung: Die Linienverantwortlichen halten nicht nur fest, ob sie zu viel oder zu wenig produziert haben, sie geben auch die jeweiligen Gründe dafür an. Das Problem wird direkt hinter

 

Folienstift statt Powerpoint oder SAP

 

der aktuellen Zahl notiert und im Detail auf einem gesonderten Blatt erfasst. Hier wird auch festgehalten, wie weit der Problemlösungsprozess fortgeschritten ist.

 

Dieses Prinzip ermöglicht das sogenannte Drei-Minuten-Management: Führungskräfte müssen sich nicht durch unzählige E-Mails und Notizen kämpfen oder Präsentationen durcharbeiten, um den Status quo und allfälligen Handlungsbedarf zu erkennen. Die Zeitersparnis kann erheblich sein und setzt Ressourcen frei, die sinnvoll in die strategische Arbeit oder die Mitarbeiterführung und -entwicklung investiert werden können. Zudem ermöglicht es sofortiges Handeln.

Basis bleibt das Vertrauen

 

Wichtig bei der Einführung von Shopfloor Management und Coaching ist vor allem eines: Vertrauen zu schaffen. Shopfloor Management mit seiner transparenten Visualisierung von Kennzahlen könnte allzu leicht als Kontrolle wahrgenommen werden. Um dem entgegenzuwirken, müssen Führungskräfte zeigen, dass dies nicht das Ziel ist. Sie müssen unter Beweis stellen, dass Shopfloor Management und Coaching Hilfestellungen sind und einen Mehrwert für das Unternehmen, insbesondere aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen: Probleme können rasch und effizient angegangen werden. Schnelle Entscheidungen motivieren dazu, aktiv am Problemlösungsprozess teilzunehmen und die jeweiligen Kompetenzbereiche kreativ mitzugestalten.

 

So unterstützen Coaching und Shopfloor Management den langen Weg hin zu einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung, die unabdingbar ist, um die Wirkung von Lean Management in seiner ganzen Tiefe entfalten zu lassen. Begeisterte und nicht nur «zufriedene» Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Ergebnis, weil sie in die Verantwortung eingebunden werden.

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