Benchmarking

Regelmässige Marktbeobachtung ist umso wichtiger, je volatiler die Märkte sind. Am verlässlichsten sind Preisindizes, die auf Angaben von Einkäufern beruhen. Auch die Effizienz der Einkaufsabteilung ist eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Unternehmenswachstum und ebenfalls im Auge zu behalten.

Benchmarking

 

 

 

 

Für gleiche Güter und Dienstleistungen werden oft sehr unterschiedliche Preise bezahlt und grosse Unternehmen besitzen nicht immer die besten Vereinbarungen. Ein Grund ist sicherlich die unzureichende Ausbildung mancher Einkäufer in Verhandlungsführung. Unverständlicherweise werden immer noch mehr Verkäufer in erfolgreichem Verkaufen geschult als Einkäufer in erfolg

 

Prognosen über den Preisverlauf

 

grund aber für zu hohe Preise ist eine unzureichende Beobachtung volatiler Märkte. Doch Defizite in der Weiterbildung und in der Marktbeobachtung sind leicht zu beheben. Der Schweizer Fachverband für Einkauf und Supply Management procure.ch unterstützt Unternehmen in beiden Belangen. (siehe Kasten).

 

Einkaufsmanager setzen die Benchmarks bereits seit vielen Jahren in strategischen und operativen Abläufen erfolgreich ein und beobachten damit die aktuellen Trends und Preisrisiken in den jeweiligen Märkten. Mit Hinblick auf die aktuelle Marktsituation und bisherige Preisentwicklungen werden kurz- und langfristige Prognosen über den weiteren Preisverlauf gemacht, die konkrete Empfehlungen für die Auswahl einer geeigneten Beschaffungsstrategie und den günstigsten Einkaufszeitpunkt erlauben.

Instrumente der Marktbeobachtung Offerten und Ausschreibungen

 

Die klassische Marktbeobachtung erfolgt durch das telefonische oder schriftliche Einholen von Offerten. Zunehmend wird dieses Instrument ergänzt oder ersetzt durch Ausschreibungen über das Internet. Wegen des zeitlichen und finanziellen Aufwands werden viele Güter und Dienstleistungen nur ein- bis zweimal pro Jahr ausgeschrieben. Dies ist bei volatilen Märkten ein nicht zu unterschät

 

Preisindizes und Benchmarks

 

zender Nachteil von Ausschreibungen, sodass immer mehr Unternehmen zusätzlich auch Preisindizes und Benchmarks nutzen.

Preisindizes

 

Preisindizes verschaffen einen schnellen Überblick über die aktuelle Marktsituation. Hinsichtlich der Herkunft der Daten existieren zwei Arten von Indizes: von Verkäufern oder von Einkäufern gespeiste Indizes. Zu letzteren gehören zum Beispiel die Indizes für Rohstoffe, Stahl, Strom, Gas oder Frachten in den jeweiligen Preisspiegeln des BME. Datenlieferanten für tatsächlich gezahlte Preise sind Mitglieder der Einkaufsverbände BME oder procure.ch. Indizes für Preise sollten entweder nur Kontraktraten oder nur Spotraten enthalten, weil es sich hier um zwei unterschiedliche Teilmärkte handelt.

 

Preisindizes werden aus Durchschnittswerten gebildet, Einzelpreise sind nicht erkennbar. Trotzdem ist ihre Betrachtung sehr nützlich, weil man rasch erkennen kann, ob sich die eigenen Preise noch in der Nähe der aktuellen marktüblichen Preise bewegen, ob man also noch «im Trend» liegt. Der Nutzen von externen Preisindizes ist besonders hoch, wenn man intern über Indizes verfügt, die in ihrer Struktur den externen gleichen. Es ist recht einfach, interne Indizes zu erstellen, weil alle benötigten Daten vorhanden sind. Zukünftig sollte der Vergleich von externen mit internen Indizes zum Marktbeobachtungsinstrumentarium jedes Einkäufers gehören. Für feinere Untersuchungen unter Berücksichtigung von Einzelpreisen und Mengen bedarf es jedoch zusätzlich des Instruments des Benchmarkings.

Preisbenchmarking

 

Beim Preisbenchmarking werden Preise miteinander verglichen, die von Einkäufern gezahlt werden, im Gegensatz zu Offerten und Ausschreibungen. Gängige Praxis ist, dass die Einkäufer zum Beispiel dem BME ihre vereinbarten Nettopreise für Stahl, Energie, C-Teile, Transporte, Paket- und Express-dienste sowie für Flotten- und Travelmanagement mitteilen. Der BME sichert die Daten, vergleicht sie miteinander und bereitet die Vergleichsergebnisse so auf, dass jeder Teilnehmer pro Produkt oder Dienstleistung sieht, wo er am Markt steht (Grafik 1).

 

Ein ins Detail gehender Vergleich von Preisen ist nur dann aussagekräftig, wenn der jeweilige Kundenwert der Benchmarkteilnehmer in die Analyse der Ergebnisse einfliesst. Deshalb müssen die Angaben zu den Preisen mit Angaben zur Menge in einem Zeitraum verbunden werden. In der Praxis ist dieser Zeitraum überwiegend das Kalenderjahr.

 

Beim Benchmarking hat sich ein quartalsweiser Rhythmus bewährt, es sei denn die Preise schwanken stark. Dann kann ein häufigerer Preisvergleich sinnvoll sein, insbesondere wenn Preissenkungen die Kosten des Benchmarkings übertreffen.

Kennzahlen als Leistungsspiegel für den Einkauf

 

Ebenso ist die Sicht nach innen notwendig. Mit einem Kennzahlensystem erhalten Management, Controlling und Beschaffung ein Instrumentarium, das nicht nur die Leistung des Einkaufs spiegelt, sondern diese auch steuert. Das Benchmarking kann ein Hilfsmittel sein, um den Einkauf zu einer strategischen Unternehmensgrösse zu entwickeln, zu einer Funktion, die nicht nur Bestellabwicklung durchführt, sondern Wertbeiträge leistet.

 

Häufig werden Kennzahlen im Einkauf unregelmässig erhoben und auch nicht systematisch analysiert. Überdies stehen meist operative Kennzahlen im Vordergrund, während strategische Kennzahlensysteme ausser Acht gelassen werden. Darum sollte man Kennzahlen einsetzen: 

 

  • Bestimmung des Status quo: Eine quantitative und qualitative Bewertung der Einkaufsorganisation durch neutrale Kennzahlen führt zu mehr Transparenz bezüglich Prozessen und Kosten im Einkauf.

 

Einkauf – strategische Grösse

 

  • Effizienzmessung: Der anonyme Vergleich mit Unternehmen der gleichen Branchengruppe und Grösse liefert neutrale, belastbare Aussagen über die Qualität der eigenen Einkaufsorganisation.
  • Optimierung: «Der Blick über den Tellerrand» lässt Verbesserungspotenziale schnell erkennen.

 

Auf diese Weise können die Erfüllung bestimmter Kriterien als Erfolgsfaktor für eine höhere Leistungsfähigkeit definiert und operative Instrumente zur Effizienzsteigerung im Sinne von Best Practice eingesetzt werden.

Kontinuierliches Controlling

 

Neben der Informations- und Kontrollfunktion kommt dem Kennzahlensystem mit dem Überwachen der Prozess- und Kostenentwicklung auch die Aufgabe eines Frühwarnmechanismus zu, der kritische Stellen in der Einkaufsperformance erkennen lässt.

 

Seit 2007 ermittelt der BME die «TOP-Kennzahlen» zur Messung der Effizienz und Effektivität im Einkauf (Grafik 2). Neben den Durchschnittswerten je Branche und Umsatzklasse entstanden im 2010 ergänzend die Best-in-Class- Werte, die wertvolle Hinweise zur Ableitung von «Best Practice» liefern. Der Fokus wurde auf die Leistungskennzahlen gelegt. Die Aussagekraft der Ergebnisse nimmt zu, wenn man die Durchschnittswerte den Best in Class gegenüberstellt. Wie sich zeigt, haben Best-in- Class-Organisationen teilweise circa 50 Prozent bessere Werte als der Durchschnitt.

 

Mit 176 Teilnehmern, die knapp 200 Milliarden Euro Einkaufsvolumen und rund 20 000 Mitarbeiter im Einkauf aus allen Branchengruppen und Unternehmensgrössen vertreten, besitzen die «TOPKennzahlen im Einkauf» einen re-

 

Repräsentativ und hoher Nutzen

 

präsentativen Charakter. Zu den signifikanten Entwicklungen während der letzten fünf Jahre zählen insbesondere zwei Werte:

 

1. Einkaufskosten in Prozent vom Einkaufsvolumen

Diese Kennzahl spiegelt sehr stark die Effizienz der Prozesse in der Beschaffung und die damit verbundenen Kosten wider. Im Vergleich zum Beginn der Erhebung konnte sich dieser Wert deutlich verbessern. Der Wert stieg im Krisenjahr 2009 zwar um circa fünf Prozent, was jedoch nicht zuletzt mit dem gesunkenen Beschaffungsvolumen zusammenhängt. Im 2010 hat sich dieser Wert um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr verbessert; er liegt aktuell unter dem Niveau von 2008. Im 2009 eingeleitete Massnahmen wurden erst 2010 wirksam und das Einkaufsvolumen stieg gleichzeitig um etwa fünf bis zehn Prozent. Diese Kennzahl ist neben der Kennzahl «Kosten des Bestellvorgangs» die Führungskennzahl, was die Effizienz der Einkaufsprozesse angeht.

 

2. Reklamationsquote und Liefertermintreue

Diese Kenngrössen sind unbedingt für die Zielvereinbarung der Einkäufer zu nutzen. Sie zeigen einen eindeutigen Bezug zu dem Ergebnisbeitrag des Einkaufs und dessen Fähigkeit, die Performance der Lieferanten zu erkennen und zu fördern. Die fünfprozentige Reklamationsquote (Spitzenwert in der Automobilbranche) bedeutet bei 100 Millionen Euro Einkaufsvolumen angenähert fünf Millionen Euro für eine Fehlleistung, für die sich leicht entsprechendes Personal zur Lieferantenqualifizierung finanzieren liesse. Im 2011 wies die Liefertermintreue mit rund 80 Prozent einen erschreckend schlechten Zustand auf, der zu Lieferantenentwicklungsmassnahmen führen sollte, die sich schnell amortisieren lassen.

 

Heute sind die Benchmark-Services des BME einheitlicher anerkannter Standard zur Messung der Effizienz von Prozessen und Organisation im Einkauf und zugleich Ausdruck der Leistungsfähigkeit in der Industrie. Der Nutzen der regelmässigen Marktbeobachtung und der Messung der Effizienz im Unternehmen zahlt sich in jedem Fall aus, denn er liegt weit über deren Kosten.

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