Lean Development
In der Entstehung neuer Produkte verfehlen eine Vielzahl von Projekten die definierten Qualitäts-, Termin- und Kostenziele. Die Projekte dauern länger, überschreiten die Entwicklungs- oder Herstellkosten oder machen Abstriche in der ursprünglich definierten Spezifikation. Lean Development entschärft diese Situation grundlegend.
Der gesamte Produktentstehungsprozess besteht nebst den effektiv wertschöpfenden Anteilen aus Tätigkeiten, welche aus Kundensicht als Verschwendung angesehen werden müssen. Diese Verschwendungen verlängern die Durchlaufzeit und reduzieren die Effizienz. Hier setzt Lean Development an, die Anwendung der Lean-Philosophie im Produktentstehungsprozess mit dem Ziel, Verschwendung in jeder Form zu vermeiden. Damit wird garantiert, dass die Produkte rechtzeitig und ausgereift auf den Markt kommen. (Grafik 1)
Die Verschwendungen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: die notwendige und die offensichtliche Verschwendung. Eine Vielzahl der Tätigkeiten, wie zum Beispiel Projektplanung und Projekttracking oder Teilnahmen an Projektmeetings, fällt dabei in die Kategorie der notwendigen Verschwendungen. Diese gelten für den Kunden als nicht direkt wertschöpfend und sind deshalb möglichst optimiert zu gestalten, sprich zu minimieren. Die offensichtlichen Verschwendungen müssen ganz eliminiert werden. Beispiele dafür sind das Warten auf Spezialisten, die Behebung von Fehlern oder ein unzweckmässiges Reporting und Controlling. Um sie mit aller Konsequenz verringern zu können, müssen sie im Unternehmen erst einmal als solche erkannt werden. Die volle Transparenz in der Produktentstehung wirkt dabei massgeblich unterstützend.
Die Ursachen von Verschwendung Mangelhafter Projektstart
Projekte werden sehr häufig bereits mangelhaft gestartet. Es beginnt mit unklaren Anforderungen im Lasten- oder Pflichtenheft, die im fortschreitenden Projektverlauf zu vielen Änderungen führen. Hinzu kommt, dass diese meist weder kosten- noch terminmässig eingeplant worden sind. Die Ursachen liegen im mangelhaften Projekt-Frontloading, in fehlenden Standards und einer ungenügenden Grundlagenentwicklung. Auch der Umstand, dass notwendige Projekt-Fachkräfte noch in anderen (verspäteten) Projekten tätig sind, kann eine Ursache sein.
Mängel im Projekt-Frontloading beginnen meist mit einer ungenügenden Klärung der Kundenanforderungen. Im Projektverlauf werden die Anforderungen dann nach und nach ersichtlich und führen immer wieder zu Änderungen. Sehr häufig sogar erst, wenn sich das Produkt bereits in der Fertigung oder Montage befindet. Ein effizientes Projekt-Frontloading mit interdisziplinärer Klärung zum Projektstart schafft hier Abhilfe.
Mangelhafte Projektumsetzung
Die zweite Hauptursache liegt in der mangelhaften Umsetzung der Projekte in der Abarbeitung. Hier treten Verschwendungen in grosser Menge auf: durch zu viele Schnittstellen, Doppelspurigkeiten oder auch durch ungenügende Prozessdisziplin der involvierten Projektteammitglieder.
Ein Hauptfaktor in der Projektumsetzung, der zu übermässigen Verschwendungen führt, ist auch das sogenannte «negative Multitasking». Dieses entsteht meist dann, wenn gleichzeitig mehrere Projekte erledigt werden und Mehraufwand dadurch entsteht, dass die Beteiligten sich immer wieder erneut über ihre Aufgaben Klarheit verschaffen müssen (sogenannte Setupzeit). Die Verschwendung durch negatives Multitasking wird vor allem dann akut, wenn Teammitglieder überlastet sind oder wenn Schlüsselpersonen, auf deren Know-how nicht verzichtet werden kann, Engpässe darstellen, weil sie gleichzeitig in mehreren Projekten mitwirken.
Ungenügende Produktgestaltung
Eine weitere Hauptursache für Verschwendungen im Produktentste- hungsprozess ist die ungenügende Produktgestaltung. Sie sorgt dafür, dass Produkte in den nachfolgenden Prozessschritten nicht verschwendungsfrei hergestellt werden können. Hier ist zu beachten, dass die Produktgestaltung auf Beschaffung, Produktion, Montage und Logistik abgestimmt ist. Es geht darum, dass die klassischen sieben Verschwendungsarten vermieden werden: Überproduktion und Bestände, Ausschuss und Nacharbeit, Verschwendung im Prozess und beim Transport, überflüssige Bewegungen und Wartezeiten.
In diesem Bereich liegen noch grosse Potenziale verborgen. Denn in vielen Unternehmen werden Lean- Projekte meist erst dann gestartet, wenn die Produkte schon entwickelt und in die Produktion und Montage überführt worden sind. Ab diesem Zeitpunkt sind Optimierungen sehr häufig nur mit grossem Mehraufwand umsetzbar.
Um neue Produkte bereits in der Entstehung nach Lean-Kriterien zu gestalten, ist es notwendig, dass die am Produktentstehungsprozess beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Verschwendung ihrer nachgelagerten Prozesse kennen und maximal beeinflussen können.
Die sieben Handlungsfelder
Um die Verschwendung in einem Produktentstehungsprozess signifikant zu reduzieren, sind nicht nur punktuell Verbesserungen notwendig. Häufig sind die Ursachen in einem Zusammenspiel von verschiedenen Handlungsfeldern zu suchen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass sich in den folgenden sieben Handlungsfeldern Optimierungsmöglichkeiten ergeben, welche zu einem ganzheitlichen Lean-Development-System führen (Grafik 2).
1. Strategie
Die Strategie bildet die Basis, um die richtigen Produkte zu entwickeln. Dafür müssen klare Vorgaben zu Zielmärkten und -branchen vorhanden sein.
2. Technologie-Management
Das Technologie-Management gewährleistet, dass Vorentwicklung und Produktentwicklung synchron laufen. Neue Technologien werden bedarfsgerecht bereitgestellt, und es wird sichergestellt, dass nur validierte Technologien in Produkten auf den Markt kommen.
3. Produktgestaltung
Die Produktgestaltung sorgt dafür, dass die Produkte verschwendungsfrei hergestellt werden können, und dient somit der Vermeidung der klassischen sieben Verschwendungsarten.
4. Organisation
Die Entwicklungsorganisation sorgt für einen reibungslosen Produktentstehungsprozess. Dabei ist die Organisation so aufgestellt, dass negatives Multitasking vermieden wird.
5. Führung
Die Führung regelt die Zusammenarbeit zwischen Führungskräften, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kunden und Lieferanten. Die Führung am Ort des Geschehens wird sichergestellt und eine systematisch geregelte Kommunikation führt zu einem störungsfreien Ablauf.
6. Prozess
Ein klar strukturierter Produktentstehungsprozess bildet den Rahmen für erfolgreiche Projekte. Eine klare Abgrenzung der Phasen mit entsprechenden Meilensteinen/ Gates und ein effektives Frontloading sorgen für eine reibungslose Projektabarbeitung.
7. Projektabwicklung
Eine effiziente Projektabwicklung dient der Termin-, Qualitäts- und Kosteneinhaltung. Eine eindeutige Priorisierung der Projektlandschaft führt im Konfliktfall dazu, dass die Ressourcen richtig eingesetzt werden. Die projektrelevanten Daten sind transparent vorhanden und Standards in der Projektbearbeitung installiert.
Fazit
Eine Vielzahl umgesetzter Lean-Development- Projekte hat gezeigt, dass die Ursachen von Verschwendungen im Produktentstehungsprozess sehr häufig in mehreren Handlungsfeldern zu finden sind. Die Grundvoraussetzung zur Optimierung liegt in der Bereitschaft, die vorhandene Verschwendung aufzuzeigen und konsequent anzugehen. Zu diesem Zweck ist die volle Transparenz über den gesamten Produktentstehungsprozess eine zwingende Notwendigkeit.