Ein kluger Q-Standard

Messen ist bereits seit Jahrtausenden Bestandteil der Menschheitsgeschichte. Es gibt Orientierung und hilft dem Menschen, nachvollziehbare und tragfähige Entscheide zu treffen, beim Handel, in der Forschung und Entwicklung, beim Bau usw. Doch die Aufrechterhaltung der geforderten Verlässlichkeit ist aufwäendig und verlangt hohe Disziplin.

Ein kluger Q-Standard

 

 

 

F ür uns Konsumenten ist es heute selbstverständlich, dass ein Kilo Kartoffeln im Hofladen und im Grossverteiler gleich viel wiegt und dass bei jeder Anzeige von 20 Litern bei der Zapfsäule auch 20 Liter in meinen Tank geflossen sind. Als unbescholtene Bürger verlassen wir uns darauf, dass Lebensmittel die zulässigen Werte einhalten und, wenn wir von der Polizei wegen Überschreitung der Geschwindigkeit angehalten werden, die entsprechende Messung richtig und rechtens ist. Es ist jedoch nicht ganz selbstverständlich, dass Messungen und Messwerte richtig und mit anderen Messwerten an der gleichen Sache vergleichbar sind. Denn dahinter steckt ein komplexer, vor allem auch politischer Werdegang.

Regulatorisches Umfeld

 

Im 18. Jahrhundert war beispielsweise die Elle ein übliches Längenmass, welche sich in der effektiven Länge nach Region und Herrschaft unterschied. Nach heutiger Masseinheit war eine Elle ca. 60 cm. Diese ca. 60 cm waren beispielsweise in Zofingen 597 mm, in Rheinfelden 548 mm und in Luzern 628 mm. Die Grundlage dafür, dass für uns heute 1 Meter in Zürich, New York oder Tokio genau 1000 Millimeter sind, wurde 1875 mit der Meterkonvention gelegt. Dabei ist auch das Internationale Mass- und Gewichtsbüro (BIPM – Bureau International des Poids et Mesures, in Sèvres bei Paris) entstanden. Das ist der Ort,

 

Einheitensystemgeschaffen

 

wo noch heute das Urkilogramm aufbewahrt und zu Vergleichszwecken mit nationalen Kilogramm- Kopien eingesetzt wird. (Bild 1)

 

Es dauerte schliesslich bis 1960, bis das heute gültige Einheitensystem (SI) geschaffen wurde und sieben Masseinheiten festgelegt wurden: Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin, Mol und Candela. Die Rückführung von Messungen auf die SI-Einheiten und beispielsweise auf das Urkilogramm bei Paris ist Aufgabe der nationalen Eichämter. Ihr Wirken sehen wir beispielsweise an Eichmarken, welche an Zapfsäulen von Tankstellen oder an der Gemüsewaage beim Detaillisten angebracht sind. (Bild 2)

 

Den jüngsten historischen Schritt haben wir dem zunehmend globalen Handel zu verdanken. Der Bedarf an Prüfungen von Produkten des grenzüberschreitenden Handels ist extrem gewachsen. Mit dem Ziel, entsprechende technische Handelshemmnisse abzubauen, und der Unterzeichnung eines entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages (GATT/ WTO-Abkommen) erlangte die Akkreditierung weltweite Bedeutung. Für das schweizerische Akkreditierungssystem wurde der Grundstein 1985 gelegt. Der Start erfolgte im damaligen eidgenössi

 

Akkreditierung – ein Gütenachweis

 

schen Amt für Messwesen. Die in der zweiten Hälfte der 80-er-Jahre akkreditierten Stellen erhielten die Anerkennung vorwiegend für Sicherheitsprüfungen im Rahmen der CE-Kennzeichnung. Für den Konsumenten ist dieser Vorgang vor allem an elektronischen Produkten sichtbar. (Bild 3)

ISO 17025 und Akkreditierung

 

Die Akkreditierung ist ein gesetzlich festgelegtes Verfahren. Stellen und insbesondere Kalibrier- und Prüfstellen werden aufgrund definierter Kriterien überprüft und erhalten, wenn alle Kriterien erfüllt sind, offizielle Anerkennung. Die entsprechenden Kriterien für Prüf- und Kalibrierstellen sind in der SN EN ISO/IEC 17025 festgelegt.

 

Damit steht nun ein Verfahren zur Verfügung, das einer Vielzahl von Wettbewerbsteilnehmern ermöglicht, aufgrund behördlich anerkannter Kompetenz an gesetzlich festgelegten Prüfungen teilzunehmen. Aktuell sind in der Schweiz rund 440 Prüfstellen und rund 90 Kalibrierstellen von der schweizerischen Akkreditierungsstelle akkreditiert. Interessanterweise wird das Anerkennungsverfahren mehrheitlich von Stellen im nicht geregelten Bereich genutzt, also sozusagen freiwillig eingesetzt. Eine akkreditierte Stelle ist autorisiert, in ihren Berichten mit einem geschützten Label auf die besondere Anerkennung hinzuweisen.

Managementinhalte der Norm

 

Ein erstes zentrales Element besteht darin, dass akkreditierte Einrichtungen im Sinne der ISO 17025 geführt sind. Damit ist die systematische Strukturierung von Arbeitsvorgängen gemeint und die ebenso strukturierte Sicherung, dass diese Vorgänge greifen und die Betroffenen innerhalb dieser Strukturen gute Arbeit leisten.

 

Das Element Führung ist eine von der Ausführung und Administration unabhängige Funktion. Eine ganz clevere Besonderheit dieser ISO 17025 ist, dass sie die strukturierte Sicherung der Vorgänge eingebaut hat und genauso als verbindlich fordert. So soll es für eine akkreditierte Einrichtung selbstverständlich sein, dass sie sich regelmässig selber überprüft, ob sie die eigens aufgestellten Arbeitsvorgänge auch befolgt. Hier wird von der internen Auditierung gesprochen. Und es soll auch sichergestellt werden, dass das Befolgen der eigenen Regeln auch die gewünschte Wirkung am Markt, bei den Kunden, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern usw. hat. Dieser Vorgang wird als Management- Review bezeichnet.

 

Ein zweites zentrales Element ist, dass eine akkreditierte Einrichtung ein formalisiertes Managementsystem pflegt. Dieses bildet die Vorgaben der Leitung in Form von Orientierungen, Weisungen, Vorschriften usw. in Wort, Bild und Symbolik ab. Für die Pflege dieses Systems ist eine explizite Funktion benannt: der Qualitätsmanager. Der Träger dieser Funktion stellt sicher, dass die Vorgaben geordnet ins System gelangen, darin wieder auffindbar sind, sich nicht widersprechen, in sich schlüssig und aktuell sind, was auch Dokumentenüberwachung und -lenkung genannt wird. In der Regel hat der Qualitätsmanager auch das spezielle Wissen, die Konformität bezüglich der ISO 17025 einzuschätzen, und kann daher auch sicherstellen, dass die internen Vorgaben die Normforderungen auch abdecken. An einem derartigen System können sich alle entsprechend ihrer Funktion orientieren, zu jeder Zeit und mit der Gewissheit, dass die Information und die Vorgaben durchdacht und aktuell sind.

Technische Inhalte der ISO 17025

 

Das dritte zentrale Element der Norminhalte betrifft die techni

 

VerbindlicheVorgänge

 

sche Ausführung. Richtigkeit und Vergleichbarkeit einer Messung stützen sich laut der ISO 17025 auf kompetentes Personal, validierte Messverfahren und zuverlässige Einrichtungen/Geräte. Kompetentes Personal weiss, was es tut, arbeitet nachvollziehbar und in der Regel nach standardisierten Vorgehensweisen. Von ganz besonderer Bedeutung ist das nachvollziehbare und in diesem Sinne auch reproduzierbare Arbeiten. Denn nur dadurch wird das Qualitätsniveau erkennbar und lässt sich nachhaltig auf dem nötigen Level einstellen.

 

Ein Messverfahren gilt als validiert, wenn ein praktischer und schriftlicher Nachweis vorliegt, dass das Verfahren auch wirklich misst, was es messen soll. Ein solcher Nachweis gibt beispielsweise Auskunft darüber, wie genau das Verfahren in seiner Anwendung ist. Wenn es beispielsweise darum geht, den Anteil Gold in einer Edelmetalllegierung zu bestimmen, werden an die Genauigkeit des Verfahrens deutlich höhere Ansprüche gestellt, als wenn es darum geht, Cadmium in industriellem Abwasser zu messen. Im Falle der Goldlegierung kann eine Ungenauigkeit der Messung von 0,5 Promillen toleriert werden, im Falle des Abwassers können gut zehn Prozent toleriert werden – also eine um den Faktor 200 grössere Toleranz.

 

Den experimentellen Beweis zu erbringen, dass ein Verfahren die für den Kunden nötige Genauigkeit aufweist, ist sehr anspruchsvoll und gehört zur zentralen Kompetenz einer akkreditierten Einrichtung. Einrichtungen und Geräte sind zuverlässig, wenn die Benutzer deren Funktionieren verstehen, und diese entsprechend dem zugeteilten Zweck gepflegt werden. Zum Pflichtenheft im Unterhalt gehören insbesondere die Kalibrierung und die Rückführung der Messwerte von Geräten auf die international festgelegten Messnormale (SI), was uns schliesslich wieder zum Ausgangspunkt bringt. Akkreditierte Prüf- und Kalibrierstellen führen ihre Messergebnisse mit entsprechenden Referenzmitteln auf die international anerkannten Normale zurück, also beispielsweise auf das Urkilogramm.

Wirkung der Norm – zwei Beispiele

 

Die Bachema AG in Schlieren ist ein privates Labor für chemische und mikrobiologische Analysen von Umweltproben (Wasser, Böden und Recyclingstoffen). (Bild 4) Die Erstakkreditierung der Bachema erfolgte im Jahr 1994. Seitdem setzt sich das Labor kontinuierlich mit der ISO 17025 auseinander. Die Mikrobiologin Dr. Annette Rust erläutert, was diese langjährige Auseinandersetzung bewirkt hat: «Dank der Erstakkreditierung haben wir unsere Analyseverfahren als Standardarbeitsanweisungen (SAW) niedergeschrieben und damit dieses Wissen strukturiert und gesichert. In der zweiten Akkreditierungsperiode wurden alle Methoden neu validiert, was die technische Fachkompetenz breiter abstützte. In der dritten Fünf-Jahres-Periode arbeiteten wir an der Nachvollziehbarkeit aller Handlungen vom Kundenauftrag bis zum Resultatbericht. Dies stärkt das Vertrauen und ermöglicht, auch aus kleinen Fehlern lernen zu können. Als teilweise mühsam wurde der ‹Papierkram› empfunden (Dokumentenlenkung, Aktualisierungen in untergeordneten Vorschriften, Pläne etc.). Wenn jedoch jeweils ein praktisches, auf uns zugeschnittenes System der Lenkung und Freigabe entwickelt worden ist, wurde der Qualitäts- und Effizienzgewinn schnell offenkundig. Heute können wir sagen, dass unsere Firma von einem umfassenden Managementsystem profitiert, das für die Entwicklungen der

 

Anspruchsvoll und kompetent

 

letzten Jahre ein wertvolles Instrument war und weiterhin sein wird.»

 

Die Biomechanik-Gruppe des Institutes für mechanische Systeme (IMES) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur hat ihre Anerkennung im Januar 2010 erhalten und ist vergleichsweise noch jung als akkreditierte Stelle. Sie ist darauf spezialisiert, physiologische Implantate (umgangssprachlich: Körperersatzteile) zu entwickeln und zu prüfen. Dass entsprechende Prüfungen vom Kunden für seine CE-Kennzeichnung der Produkte verwendet werden können, hat die Biomechanik- Gruppe veranlasst, die Akkreditierung nach SN EN ISO/IEC 17025 anzustreben.

 

Nach Aussagen von Prof. Maja Bürgi entwickelte sich das Labor vom «Bastlerstandard» zu einem professionellen Testlabor, in dem ein standardisierter Entwicklungsablauf zu hochwertigen Untersuchungsmethoden führt. So konnte es die Reproduzierbarkeit und Repetierbarkeit von Untersuchungen massiv steigern. Die Planung von Untersuchungen und deren Durchführung wurden effizienter und qualitativ besser, was die Fehlschläge und fehlerhafte Untersuche stark reduzierte. Diese Professionalität widerspiegelt sich auch in der Ausbildung der Studenten. Ihre Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten erreichen heute ein ganz anderes Niveau, was wiederum den zukünftigen Arbeitgebern zugute kommt. (Bild 5)

Würdigung

 

Mit der SN EN ISO 17025 ist es in Verbindung mit dem staatlich geregelten Anerkennungsverfahren gelungen, das Vertrauen für Prüfungen weit über die staatlichen Eichstellen hinaus auszudehnen. Wenn man zudem die Wirkung der Auseinandersetzung mit der Norm bei akkreditierten Stellen betrachtet, ist das entstandene Vertrauen auch vollauf berechtigt: Die SN EN ISO 17025 ist ein wahrlich kluger Standard.

 

 

 

 

 

 

 

 

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