Auf strategischer Ebene positionieren

Das systematische und strukturierte Energiemanagement gewinnt zunehmend an Bedeutung in Industrieunternehmen. Dies wird auch durch die Aufnahme des Themas Energiemanagement durch die International Organization for Standardization (ISO) im Jahr 2011 in Form der ISO 50001 bestärkt [1]. In der Schweiz nimmt die Diskussion rund um die Thematik Energieeffizienz ebenfalls zu, wie eine Studie des Instituts für Technologiemanagement der Universität St.Gallen zeigt. Die Studie belegt aber auch, dass Schweizer Unternehmen im Management von Energieeffizienz Nachholbedarf haben.

Auf strategischer Ebene positionieren

 

 

 

Laut aktuellen Prognosen wird der jährliche Strombedarf in der Schweiz für das Jahr 2050 ohne entsprechende Massnahmen rund 85 Milliarden Kilowattstunden betragen. Das sind etwa 50% mehr als der Bedarf im Jahr 2010. Dementsprechend steht das Thema Energieeffizienz im Zentrum der Energiestrategie 2050 des Bundesrates. Hiesige Industriebetriebe konsumieren jährlich etwa 33% des Schweizer Gesamtenergieverbrauchs und stellen somit neben Dienstleistungsunternehmen und Haushalten einen der Hauptverbraucher von elektrischer Energie dar [2]. Die Energieeinsparung und das Thema Energieeffizienz werden somit auch für Industriebetriebe zunehmend wichtiger. Die ISO 50001:2011 stellt für Industrieunternehmen ein Rahmenwerk auf dem Weg zu einer höheren Energieeffizienz dar [1]. Die generell zunehmende Anzahl an Zertifizierung nach ISO 50001 zeugt von der branchenübergreifenden Akzeptanz der neu geschaffenen Norm. Auch wird dadurch die Notwendigkeit einer systematischen Vorgehensweise im Umgang mit den Themen Energie und Energieeffizienz deutlich. Die ISO 50001 basiert auf dem Managementmodell der kontinuierlichen Verbesserung und beschreibt die Anforderungen an eine Organisation zur Einführung, Umsetzung, Aufrechterhaltung sowie zur kontinuierlichen Verbesserung eines Energiemanagementsystems [2]. Somit soll die Verbesserung der Energieperformance, einschliesslich der Energieeffizienz, der -nutzung und des -verbrauchs erreicht werden [3]. Die Struktur basiert auf bereits bekannten und etablierten Managementsystemnormen wie ISO 9001 oder ISO 14001. Dadurch wird sowohl eine Vergleichbarkeit als auch Integration des Themas Energiemanagement in bestehende Systeme möglich.

Schlüsselfaktoren bei der Umsetzung

 

Im Umgang mit Veränderungen von Organisationen sowie Anpassungen eines Managementsystems haben sich in Forschung und Praxis zentrale Faktoren als erfolgsentscheidend etabliert. Dies gilt nicht nur bei der Umsetzung von Ansätzen wie dem Lean Management oder Total Quality Management, sondern auch bei der Einführung und nachhaltigen Umsetzung eines Energiemanagementsystems. Folgt man dem ISO50001-Ansatz, welcher an den kontinuierlichen Verbesserungsprozess angelehnt ist, lassen sich diese Schlüsselfaktoren vor allem in die Überbegriffe Management Commitment, Zieldefinition und Kommunikation als auch systematische Erfolgskontrolle zusammenfassen. Diese Aspekte werden ebenfalls durch die ISO 50001 genannt (siehe Abbildung 1); die Studie des Instituts für Technologiemanagement der Universität St.Gallen zeigt jedoch, dass dies noch nicht systematisch geschieht.

Management Commitment

 

Von zentraler Bedeutung ist es, das Thema Energie auf strategischer Ebene zu positionieren und die Zustimmung des Managements zu haben, zukünftig eine energieeffiziente Organisation zu etablieren. Die Umsetzung in operative Ziele mit konkreten Aktionsplänen sowie dem Messen von definierten Zielen ist ein daraus folgender konsequenter Schritt in Richtung Energieeffizienz. Neben den allgemeinen Anforderungen wird ein spezielles Augenmerk auf den Management Review gelegt (siehe Abbildung 1). Ein zentraler Erfolgsfaktor ist es daher, Energieeffizienz als Managementaufgabe anzusehen und dafür zu sorgen, dass entsprechende Ziele gesetzt werden.

Zieldefinition und Zielkommunikation

 

Das Führen durch Ziele und Zielvereinbarung, begründet durch den Management-Vordenker Peter Ferdinand Drucker in den 50er-Jahren, ermöglicht, strategische Ziele aus Gesamtunternehmenssicht und aus der Perspektive der Mitarbeitenden umzusetzen [4]. Um Energieressourcen managen und verwalten sowie Einsparungen erzielen zu können, muss dementsprechend Transparenz zum aktuellen Status quo geschaffen werden. Entscheidend ist es, einen zu Weg finden, um die richtigen Informationen mit einheitlicher Definition aus der Organisation zu erhalten. Auf dieser Basis können dann kurz- und mittelfristige Ziele definiert werden, welche unter den gegebenen Ressourcen zeitlich und personell erreichbar sind.

Erfolgskontrolle

 

Nur eine systematische Erfolgskontrolle auf Basis der definierten Ziele ermöglicht die kontinuierliche Annäherung an langfristig gesetzte, strategische Einsparungsziele. Sie erlaubt, Massnahmen zu ergreifen, um die Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern. Eine etablierte Vorgehensweise zur systematischen Erfolgskontrolle ist das Plan-Do-Check-Act-Verfahren für die kontinuierliche Verbesserung des Energiemanagements, die auch die ISO 50001 so vorsieht.

Umsetzung: aktueller Status

 

Im Zuge der Studie wurde das Thema Energieeffizienz in Industriebetrieben genauer untersucht. Es wurden 119 Energieeffizienzverantwortliche vorrangig aus Schweizer Industriebetrieben, aber auch Kommunen zum Status quo von Energieeffizienz im eigenen Unternehmen, zu Treibern, aber auch Barrieren bei der Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen befragt.

 

Hinsichtlich des systematischen Managements von Energie setzen bisher lediglich 22% der Befragten auf ein Energiemanagementsystem (EMS). 16,3% der Befragten planen, ein solches in den nächsten drei Jahren einzuführen, hauptsächlich um den Nachweis der Wirksamkeit der umgesetzten Energieeffizienzmassnahmen für das eigene Management, aber auch für die Öffentlichkeit zu erbringen (siehe Abbildung 2). Normen, wie beispielsweise die ISO 50001, spielen hingegen eine etwas geringere Rolle. Nur etwa die Hälfte der Firmen, welche derzeit die Einführung eines EMS planen, nennt Normen als einen Treiber für die Verbesserung der Energieeffizienz.

Welches sind Treiber?

 

Haupttreiber für Energieeffizienzmassnahmen scheinen insbesondere finanzielle Aspekte zu sein. Auf die Frage nach der Motivation bei der Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen wurde von 35,5% der Befragten die Einsparung von Energiekosten angeführt. Die Verbesserung des Images und das Verantwortungsbewusstsein des Unternehmens folgen mit 17,8% beziehungsweise 17,5%. Die derzeitigen oder bevorstehenden regulatorischen Auflagen hingegen sind nur bei 12,4% der Befragten der ausschlaggebende Grund, um die Energieeffizienz zu verbessern.Management Commitment

Barrieren bei der Umsetzung

 

Als Hauptbarrieren bei der Umsetzung werden meist klassische Umsetzungsprobleme genannt: zu hohe Investitionskosten, zu lange Amortisationsdauer, fehlende Finanzierungsmöglichkeiten bei zu geringem Eigenkapital. Daneben beklagen viele Energieeffizienzverantwortliche, dass bei der Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen schlichtweg zu wenig finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Nur 37% der befragten Organisationen können ihre Ziele mit den ihnen zur Verfügung gestellten finanziellen sowie personellen Ressourcen erreichen.

Position des Managements

 

Die Studie zeigt ferner, dass für mehr als die Hälfte der Befragten das Thema Energieeffizienz bereits heute eine hohe strategische als auch wirtschaftliche Bedeutung im eigenen Betrieb hat. Dieser Trend wird sich nach Einschätzung der Experten zukünftig noch weiter verstärken. Ob das Thema Energieeffizienz jedoch auf der Agenda des Managements steht, ist eine andere Frage, denn in der Studie werden auch mangelndes Managementwissen und mangelndes Expertenwissen als Barrieren für die Umsetzung genannt. Dies ist insbesondere interessant, da in den meisten Organisationen die Geschäftsleitung die Initiative für Energieeffizienzmassnahmen anstösst (siehe Abbildung 3) und somit Energieeffizienzinitiativen eher top-down gerichtet sind.

 

Zudem wurde im Rahmen der Studie ermittelt, dass die Bereitschaft von Unternehmen bezüglich Investitionen im Energieeffizienzbereich deutlich tiefer liegt als bei Investitionen im Kerngeschäft (siehe Abbildung 4). Dies ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis darauf, dass die effiziente Nutzung von Energie bei vielen Unternehmen oft noch nicht den nötigen Stellenwert besitzt, den es zur konsequenten Umsetzung braucht. Zudem scheint es, als ob der finanzielle und regulatorische Druck von aussen noch nicht hoch genug ist. Besonders die Finanzierung grösserer Massnahmen schreckt viele Unternehmen ab, denn auf die Frage hin, ob die Bereitschaft, in Energieeffizienzmassnahmen zu investieren, höher wäre, wenn die Finanzierung von Energieeffizienzinvestitionen durch Dritte übernommen werden würde, antworteten immerhin 53% der Befragten mit Ja

 

«Externe Finanzierung wird nur selten genutzt»

 

Gleichzeitig wird durch die Studie deutlich, dass die Finanzierung durch Dritte bisher noch kaum durch Industrieunternehmen in Anspruch genommen wird. Nur 18,2% nutzen die Möglichkeit der externen Finanzierung durch Banken und Zulieferer von Infrastrukturen und Anlagen. Die überwiegende Mehrheit (81,8%) setzt bisher noch auf die Finanzierung aus Eigenmitteln.

Fehlende Zielsetzung

 

Um Energiemanagement systematisch umzusetzen, bedarf es, wie bereits gesagt, einer klaren Zieldefinition und eines kontinuierlichen Controllings. Dies wird durch die Vorgaben und Kriterien zur Erreichung einer ISO-50001-Zertifizierung noch verstärkt [1]. Gemäss der Umfrage sind in Schweizer Organisationen bei einer grossen Mehrheit derzeit jedoch keine Einsparziele bezüglich Energie (thermische Energie, Gas, Strom) definiert. Dies kann zum entscheidenden Hindernis der Zertifizierung und somit Verbreitung der ISO 50001 in der Schweiz führen. Bei der thermischen Energie gaben lediglich 21% der Befragten ein definiertes Einsparziel an und bei Gas waren es nur 22%. Selbst in der Kategorie Strom haben nur 39% klare Einsparziele definiert. Bei Unternehmen, die klare Ziele definiert haben, wird bei Strom eine durchschnittliche jährliche Einsparung von 7%, gemessen am Gesamtverbrauch, angestrebt. Bei Gas und thermischer Energie sind die Zielsetzungen weitaus niedriger. Dies lässt sich insofern begründen, da bei Strom die höchsten Preissteigerungen erwartet werden. Jedoch erlaubt die fehlende Zieldefinition nur bedingt dieses Ziel umzusetzen.

Fazit

 

Das Setzen von Zielen ist unbestreitbar ein wichtiger Punkt für die erfolgreiche Implementierung von Energieeffizienzmassnahmen. Um die Erreichung dieser Ziele überprüfen zu können und die Energieeffizienz nachhaltig zu verbessern, bedarf es eines kontinuierlichen und systematischen Controllings von Energieeffizienzmassnahmen und des generellen Energieverbrauchs. Energiemanagementsysteme können dabei helfen, das systematische Energiemanagement im Unternehmen zu realisieren. Bevor Unternehmen jedoch den Schritt in Richtung Energiemanagementsystem gehen, sollten die organisationalen und strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu gehört insbesondere die Sensibilisierung des Führungsteams für das Thema. Dadurch wird ein gewisses Mass an Bewusstsein für wichtige Schlüsselfaktoren im systematischen Energiemanagement geschaffen und der Grundstein für das entsprechende Management Commitment gelegt. Durch die Positionierung des Themas Energieeffizienz auf der strategischen Ebene und dem Herunterbrechen in konkrete Aktionspakete können danach schrittweise und systematisch Verbesserungen herbeigeführt werden. Ressourcen können gezielt geplant und in ausreichendem Masse bereitgestellt werden. Auf diese Weise wird es möglich, die gesetzten Energieeffizienzziele systematisch und langfristig zu erreichen.

 

Um die bestehenden Finanzierungshindernisse zu überwinden, können Unternehmen zudem auf neue, externe Finanzierungsmodelle zurückgreifen. Sowohl Zulieferer als auch Private-Equity-Fonds bieten diese alternativen Finanzierungsformen bei der energetischen Verbesserung von Gebäuden, Industrieanlagen und öffentlicher Infrastruktur an. Diese basieren auf dem Konzept der Partizipation an den erzielten Energieeinsparungen. Sicherlich sind externe Finanzierungsquellen nicht in jedem Fall geeignet, sie sollten aber als ein ergänzendes, alternatives Instrument bei Investitionsentscheiden miteinbezogen werden.

 

Quellen:

  1. International Organization for Standardization (2014), «Management Standards», entnommen aus: www.iso.org/iso/ home/standards/managementstandards/iso50001.htm
  2. Bundesamt für Energie (2013), «Überblick über den Energieverbrauch in der Schweiz im Januar 2012», entnommen aus: www.bfe.admin.ch/themen/ 00526/00541/00542/00631/index.html?dossier_id=00867
  3. International Organization for Standardization (2011), «Win the energy challenge with ISO 50001», entnommen aus: www. iso.org/iso/iso_50001_energy. pdf
  4. Drucker P.F. (1998), «Die Praxis des Managements», Econ, Düsseldorf
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