Zufriedene Mitarbeitende – die Voraussetzung für zufriedene Kunden
Immer mehr Unternehmen erkennen den Nutzen von Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen. Denn gerade dieses Instrument hilft den Unternehmen, Wettbewerbsvorteile im «War for Talents» zu erschliessen. Doch nicht nur dies, wie die Autoren im vorliegenden Artikel zeigen.
In Zeiten von zunehmendem Leistungsdruck und steigendem Fachkräftemangel wird die Zufriedenheit der Mitarbeitenden so zu einem noch entscheidenderen Wettbewerbsvorteil im sogenannten «War for talents». Die Durchführung einer Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse ermöglicht es Unternehmen aber nicht nur, sich im Kampf um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine Vorzugsposition zu bringen, sondern hilft, diverse weitere Themengebiete zu erschliessen. So lässt sich mit einer Befragung neben der Arbeitszufriedenheit vor allem auch die emotionale und ideelle Bindung zum Unternehmen, das sogenannte Commitment, erfassen. Die Befragung deckt zudem Stärken bzw. Schwächen (auch Optimierungspotenzial genannt) des Unternehmens auf. Des Weiteren können auch Informations- und Kommunikationslücken identifiziert und eine stärkere Mitarbeiterbindung erzielt werden.
Exponentielle Zunahme von Anwendungen
Die Interventionsfunktion ist aber lediglich die eine Seite der Medaille. Ein Grossteil der Unternehmen schätzt vor allem auch die Diagnosefunktionen. So ermöglichen Mitarbeiterzufriedenheitsanalysen Evaluations-, Analyseund Kontrollfunktionen. Diese Umstände hat bereits ein Grossteil der Betriebe erkannt. Eine Studie von Hossiep und Frieg über den Einsatz von Mitarbeiterbefragungen aus dem Jahr 2008 besagt, dass 80 % der Unternehmen bereits einmal eine Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse durchgeführt haben. Die Studie, welche deutsche, schweizerische und österreichische Unternehmen untersucht hat, zeigt aber auch, dass in den Jahren 1990 bis 1994 erst 14 % der Unternehmen angaben, bereits einmal eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt zu haben. Somit kann also seit 1994 eine kontinuierliche, ja fast exponentielle Zunahme in der Anwendung dieses Instruments festgestellt werden.
Ein Grund für die zunehmende Verbreitung der Befragungen kann in der steigenden Bedeutung verschiedenster Zertifizierungen bspw. im Bereich Qualitätsmanagement (QM) festgestellt werden. Denn auch die Verbreitung der bekannten QM-Standards wie ISO 9001 bzw. EFQM hat im gleichen Zeitraum exponentiell zugenommen. Beispielsweise wird in der ISO-9001-Norm bis und mit der aktuellen Normüberarbeitung (ISO 9001:2015) eine Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse nicht explizit gefordert. Führt ein Unternehmen aber eine solche durch, können die von der Norm geforderten Punkte in Sachen Mitarbeitende abgedeckt werden. Die Zertifizierungen im Bereich Qualitätsmanagement sind aber nicht der Hauptgrund für die Durchführung einer Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse. In der oben erwähnten Studie geben nämlich die meisten Unternehmen an, dass sie eine Mitarbeiterbefragung durchführen, um die Umsetzung der Strategie zu überprüfen bzw. um eine Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen zu erreichen. Die Qualitätsmanagement- Zertifizierungen als Befragungsgrund befinden sich mit weniger als 20 % Zustimmung lediglich an sechster Stelle.
Annäherung an den optimalen Durchführungsprozess
Den «einzig richtigen Weg» für eine Mitarbeiterbefragung gibt es nicht. Je nach Grösse und Art des Unternehmens sind andere Punkte zu beachten bzw. andere Instrumente zu verwenden. So kann bspw. in einem Dienstleistungsbetrieb, eine Mitarbeiterbefragung meist sehr gut mittels Online-Fragebogen durchgeführt werden, wohingegen in einem Industriebetrieb in dem bspw. Produktionsmitarbeiter nur über eine unregelmässig frequentierte bzw. geprüfte Mailadresse verfügen, eher eine physische Befragung anzuwenden ist. Ein Zielkonflikt, der vielfach in die Überlegungen der Unternehmungen einfliesst, ist derjenige zwischen einer hohen Qualität der Befragung und den dazugehörigen Kosten. Oft werden in der Praxis zur Kostensenkung Konzessionen hin zu weniger Wissenschaftlichkeit und somit zu weniger (wissenschaftlicher) Qualität gemacht.
Das Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft der Fachhochschule St.Gallen (IQB-FHS) hat diese Pro-blematik erkannt. Gemeinsam mit verschiedenen Unternehmen hat das Institut ein pragmatisches, aber trotzdem qualitativ hochstehendes Analyseinstrument entwickelt, mit dessen Hilfe die Zufriedenheit bzw. die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter evaluiert werden können und trotzdem ein hoher Qualitätsanspruch erreicht wird. Grundsätzlich gilt es bei einer Durchführung einer Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse zu beachten, dass die Anonymität gewährleistet wird. Das heisst, die Mitarbeitenden müssen freiwillig entscheiden können, ob sie an der Befragung teilnehmen möchten oder nicht. Zudem dürfen die Namen der Befragten nicht abgefragt werden und es
«Feedbacks an Chefs richten heisst «dazuzugehören».
muss möglich sein, einzelne Fragen auszulassen. Die erhobenen Daten sollten vorzugsweise extern ausgewertet werden. Eine Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse sollte möglichst immer unter externer Leitung durchgeführt werden, um die häufigsten konzeptuellen Fehler wie bspw. unpräzise Frageformulierungen, organisatorische Mängel und die Gefahr, dass die Befragung zu einem Papiertiger wird, auszumerzen.
Kundenspezifische Ausgestaltung des Instruments
Anhand von 12 übergeordneten Themengebieten kann die IST-Situation der Mitarbeiterzufriedenheit analysiert werden. Gleichzeitig ermöglicht das Tool, Potenziale der Leistungsverbesserung aufzuzeigen. Den 12 übergeordneten Themengebieten sind jeweils mehrere Detailfragen zugeordnet, was einen sehr hohen Spezifikationsgrad des jeweiligen Fragebogens zulässt und somit der heterogenen Unternehmenslandschaft in der Schweiz entgegenkommt. Zu den Themengebieten zählen unter anderem die Arbeitsorganisation, die Arbeitsplatzgestaltung, das Vorgesetztenverhalten, Mitarbeitergespräche, die Kommunikation und das Vorschlagswesen, um nur einige zu nennen. Des Weiteren kann der Fragebogen mit unternehmensspezifischen Fragen ergänzt werden, die dann direkt in das Instrument eingebaut werden.
Jede Detailfrage wird nach den Skalen Zufriedenheit sowie Wichtigkeit abgefragt. Dieses Vorgehen ermöglicht gute Visualisierungsformen für die praxisorientierte Kundschaft. Die Abbildung zeigt übersichtlich, bei welchen Punkten bzw. Fragen das Unternehmen mit seinen Massnahmen ansetzen sollte. Jeder Punkt, der unter der Diagonalen liegt, weist Verbesserungspotenzial auf, da die objektive Wichtigkeit den dazugehörigen objektiven Erfüllungsgrad überschreitet. Auch die Prioritäten sind einfach erkennbar. So sollten Massnahmen zu Punkt 5 eher eingeleitet werden als Massnahmen zu Punkt 3. Dies weil Punkt 5 von den Befragten als wichtiger empfunden wird als Punkt 3 und beide ähnlich schlechte Werte beim Erfüllungsgrad vorweisen. Umgekehrt verhält es sich oberhalb der Diagonalen. Diese Punkte werden gewissermassen «übererfüllt». Das heisst, die Zufriedenheit ist grösser als das Wichtigkeitsempfinden der Mitarbeitenden. Hier verfügt das befragende Unternehmen theoretisch über Sparpotenzial. Im optimalen Fall kommen alle Punkte (Fragen) auf der Geraden zu liegen. Dort weisen die Wichtigkeit sowie die Zufriedenheit dieselben Werte auf. Neben Zufriedenheit und Wichtigkeit können die Unternehmen die Fragen auch nach verschiedenen soziodemografischen Kriterien auswerten. Als Beispiele hierfür können bspw. das Dienstalter, die Hierarchiestufe oder verschiedene Unternehmensbereiche bzw. Niederlassungen genannt werden. Allgemein ist zu sagen, dass je nach Fragetyp umfangreiche statistische Auswertungsmöglichkeiten wie bspw. Kreuztabellen, Regressionsrechnungen, Korrelationsrechnungen oder Faktorenanalysen möglich sind. Aufgrund der geringen Praxisnähe und der schwierigen Kommunikation solcher Analysen sind diese aber von den Unternehmen nur wenig gewünscht.
Der Nutzen zeigt sich über die Zeit
Dass die Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse ein Organisationsentwicklungsinstrument darstellt, ist unbestritten. Die Resultate sollten aber auch unbedingt in die unternehmensweite Personalentwicklung einfliessen. Jedes Unternehmen ist anders. Diese Diversität impliziert, dass ein sogenanntes Benchmarking (der Vergleich des eigenen Unternehmens mit anderen Betrieben) bei der Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll ist. Sinnstiftender sind hingegen Vergleiche des gleichen Unternehmens über mehrere Jahre hinweg. Solche Verlaufsauswertungen können nämlich die Wirksamkeit von Massnahmen aufzeigen. Das IQB-FHS empfiehlt deshalb, die Befragung der Mitarbeitenden in einem Rhythmus von maximal drei Jahren durchzuführen. Dies kann auch als Kommunikationsmittel gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen verwendet werden. Der Nutzen muss aber auch aus der Sicht der Angestellten betrachtet werden. Haben diese die Chance, regelmässig ein Feedback an den Arbeitgeber abzugeben, erhalten sie das Gefühl «dazuzugehören», was sich in einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl äussern kann. Andererseits lässt es die Mitarbeitenden auch aktiv am Gestaltungsprozess für verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation teilhaben, wodurch sie erkennen, dass sie eine direkte Wirkung im Unternehmen erzielen können. Dies schliesst den Regelkreis, da zufriedene Mitarbeitende das Unternehmen auf ein höheres Leistungs- bzw. Qualitätsniveau bringen, was auch seine Kunden zufriedener und somit im optimalen Fall treuer gegenüber dem Unternehmen macht.