Wie Satelliten Versicherte unterstützen sollen

Extreme Naturereignisse sind auch in Europa keine Seltenheit. Munich Re nutzt jüngstens einen neuen Service, der in der Kooperation zwischen der SAP und der Europäischen Weltraumorganisation entwickelt wurde, um vorerst ihre Versicherungskunden zu schützen. Management & Qualität ging dieser neuen Cloud-Technologie, die riesige Datenanalysen ermöglichen soll, auf den Grund.

Wie Satelliten Versicherte unterstützen sollen

 

 

Im Verbund mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) präsentierte die SAP anfangs November 2016 den ersten «Earth Observation Analysis Service ». ESA und SAP arbeiten seit Anfang 2016 an dieser Cloud- Technologie. Gemeinsam wollen sie neue Geschäfte im Bereich Erdbeobachtung erschliessen, indem sie die Leistungsfähigkeit von SAP HANA mit den scheinbar leicht zugänglichen Satellitendaten der ESA – in erster Linie aus dem Programm Copernicus – kombinieren.

 

Der ESA Sentinel 1A zeigte allerdings am 23. August 2016 um 17:07 GMT (Quelle: Wikipedia) einen plötzlichen Leistungseinbruch. Es wurde eine Veränderung der Solarzellen und eine leichte Änderung der Satellitenausrichtung über Bordkameras beobachtet. Offensichtlich wurde der Satellit von einem nur wenige Millimeter grossen Teil getroffen. Ob es sich um einen kleinen Meteoriten oder um Weltraumschrott handelte, bleibt bis heute schemenhaft.

Stets redundante Satelliten?

 

Derzeit umkreisen etwa 250 privatwirtschaftliche Satelliten die Erde auf einer geostationären (meist über dem Äquator kreisenden) Umlaufbahn. «Der versicherte Wert der Satelliten liegt bei deutlich über 20 Milliarden Dollar. Branchenführer wie Intelsat, SES oder Eutelsat machen jährlich Milliardenumsätze und haben jeweils Dutzende Satelliten im All. Sie kosten pro Stück bis zu 400 Millionen Dollar und sind für die Versorgung von Millionen Menschen mit TV-Programmen, Radio und Datenverkehr verantwortlich », heisst es in einem Bericht der Zeitung «Die Welt» («Die grosse Schwachstelle der globalen Kommunikation», erschienen am 25.11.2015).

 

Die Erd-Trabanten bilden neben Unterwasser-Glasfaserkabeln das Rückgrat der internationalen Daten-, Sprach- und Bilderkanäle. Wie ergiebig ist nun der «Earth Observation Analysis Service» der ESA/ SAP, wenn ein Satellit ausfallen würde? «Im Falle eines Satellitenausfalls kann ein baugleicher Satellit weiterhin aus dem gleichen Orbit Daten generieren, wenngleich sich die Geschwindigkeit der Datenverfügbarkeit verringern würde», erörtert Dr. Carsten Linz, Business Development Officer und globaler Leiter des SAP Center for Digital Leadership. In einem operationellen System werden die Copernicus-Satelliten paarweise in einem Orbit betrieben. Hauptgrund, so Carsten Linz, sei die grössere regionale Abdeckung durch die Satelliten, auch Sentinels genannt. «Die Datenübermittlung über zwei Sentinels ist nicht nur schneller, die Zweier-Konstellation dient auch der Redundanz», versichert der SAP-Sprecher.

 

Die operative Ergiebigkeit des neuen SAP Services sei auch gegeben, wenn einmal ein Sentinel ausfallen würde. Es gäbe vielleicht «eine zeitliche Latenz von einigen Stunden», wobei die zu übermittelnden Datenvolumina präzise weitergeleitet würden. Ausserdem würden Copernicus Datenverantwortliche Back-ups von kommerziellen Satellitenbetreibern bereithalten, die wichtige Datenströme «grösstenteils» abdecken und kompensieren können.

 

Dies sei allerdings sehr von der Art und Zielregion der Daten abhängig, kommentiert Carsten Linz bisherige «Contributing Missions» von Satellitenbetreibern.

Naturereignisse und neue Services

 

Beispiel: Erderschütterungen in Italien. Die Bilanz des jüngsten Erdbebens in den Abruzzen ist verheerend. Erst im August 2016 hatte eine tektonische Verschiebung die Region um das Gran-Sasso- Massiv erschüttert. Dabei starben 300 Menschen. Die meisten Opfer gab es in dem Bergort Amatrice. Ein Naturereignis folgt dem nächsten: Ende Oktober 2016 bebte es in mittelitalienischen Dörfern erneut. Gegen 33 000 Menschen wurden dabei obdachlos.

 

Das letzte Beben sei so stark wie jenes seit 1980 ausgefallen, jedoch würden sich die Erdbeben-Ereignisse und naturbedingten Katastrophen in Italien häufen. – Dafür wurde inzwischen die Erdbebenmessung präziser. Erd-Trabanten können ausgesandte Radarwellen vergleichen. So wurden zum Beispiel die Radarmessungen, die vor und nach dem Beben in Amatrice registriert wurden, übereinander gelegt. Dabei wurden deutliche Veränderungen in der Höhe der Erdkruste deutlich.

 

Erdobservationen aus dem All kombinieren immer präziser die Veränderungen und seismischen Indizien, sowohl im Untergrund als auch auf Meeresebene mittels aktiven Radarwellen. Hierdurch können Erdbebenserien prognostiziert werden.

 

«Die europäischen Sentinel-Satelliten sind der wichtigste Lieferant für Erdbeobachtungsanalysen weltweit», führt Josef Aschbacher, ESA Director of Earth Observation in aus, «wobei es komplex ist, diese Daten in kundenspezifische Informationen zu verwandeln. » Die umfängliche gehostete Interpretation von Satellitendaten sei allerdings noch eine grosse Herausforderung.

 

Aschbacher: «Letztlich geht es darum, die richtigen Nutzer zu den relevanten Daten zu finden.» Zurzeit könnten nur Spezialisten wie etwa Geophysiker Satellitenaufnahmen interpretieren.

 

Gleichwohl profitieren auch ESAMitarbeitende von der neuen, sogenannten «In-Memory-Plattform » von SAP HANA, um Daten aus der Erdbeobachtung einlesen zu können. Die «In-Memory- Plattform» hilft nicht nur der professionellen Erdbeobachtung, es soll auch als Service in Bereichen der Stadtplanung, in der Einschätzung von Schadengebäuden, allgemein nachhaltigen Grossprojekten – siehe auch «Disaster Recovery » von sensiblen Daten, die über zwei Rechenzentren gehortet werden, siehe weitere Entwicklungen wie «Smart Cities» oder «Digital Farming» – dienen.

Risiko- und Kostenminimierung

 

Mit immer präziseren Radarmessungen von kleinen Höhenveränderungen möchte man nicht nur Erdbeben prognostizieren. Häuser seien auch sehr gute Radarreflektoren, wird die Potsdamer Seismologin Monika Sobiesiak im Spiegel zitiert. «Deshalb versucht man auch, mit der Satelliten-Methode Schäden an Gebäuden zu ermitteln.»

 

Durch den kontinuierlichen Big- Data-Zugriff auf historische und Echtzeit-Satellitendaten sind Städteplaner und Investoren nun in

 

Die Satellitenmethode möchte Gebäudeschäden aufdecken.

 

der Lage, bessere Risikoeinschätzungen und Geschäftsentscheidungen zu den elementaren Themen zu treffen, beispielsweise bei der Verlegung neuer Stromtrassen oder dem Einsatz des richtigen Düngemittels für Agrarflächen in Gebirgen.

 

«Unsere Partnerschaft mit der ESA ebnet den Weg zu einer neuen Art von georäumlichen Geschäftsanwendungen, mit denen die Lücke zwischen traditioneller Erdbeobachtung und einer digitalisierten Geschäftswelt geschlossen werden kann», so Dr. Carsten Linz, Business Development Officer und globaler Leiter des SAP Center for Digital Leadership. «Daraus ergeben sich glänzende Zukunftsaussichten für weltraumgestützte Anwendungen, etwa dem Management von Pipelines.»

 

Auf der Technologiekonferenz SAP TechEd in Barcelona präsentierte der Rückversicherer Munich Re kürzlich, wie der «Earth Observation Analysis Service» in ihrem Unternehmen genutzt wird, um potenzielle, künftige Entwicklungen von Waldbränden einzukreisen.

Rückversicherungen setzen auf Clouds

 

«Jedes Jahr fallen Natur, Menschen, Häuser und Unternehmen Waldbränden zum Opfer», erklärt Andreas Siebert, Head of Geospatial Solutions, Munich Re. «Wie sich ein Brand entwickelt, ist schwer vorherzusehen, doch mit diesem neuen Service der SAP, der Satellitendaten der ESA nutzbar macht, können wir die Kosten und Risiken von Waldbränden genauer berechnen, sogar bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es wo zu Waldbränden kommen wird.»

Aktuelle Schadensbilanz

 

Auf diese Weise möchte die Munich Re die Kosten für die versicherten Kunden gering halten. Diese Unternehmensausrichtung befürworten sicher auch Risk Manager. Denn hinter erstaunlichen Indices und Zahlen stehen meistens auch hohe Sach- und Personenschäden. – In den vergangenen 20 Jahren (1996 bis 2015) haben extreme Naturereignisse wie Überschwemmungen und Stürme über 2,78 Billionen Euro an Sachwerten vernichtet und mehr als 528 000 Menschen weltweit getötet, gemäss dem Klima-Risiko- Index (KRI).

 

Leider kommen Naturkatastrophen wie in Italien wie aus dem Nichts. Solche Ereignisse sind für Betroffene und Nichtbetroffene schwer zu begreifen. Immerhin helfen neue Lösungen wie der «Earth Observation Analysis Service », per se eine Cloud-Technologie, wichtige Informationen zu speichern und regionale Datenausfälle zu überbrücken.

 

Der «Earth Observation Analysis Service» kann übrigens bis zum 31. Dezember 2016 kostenlos «in einer nicht nicht-kommerziellen Umgebung» getestet werden. Mehr unter market.yaas.io/beta

 

 

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