«Corporate Governance beginnt im Verwaltungsrat»

Schon 2003 hat die vbl Luzern AG deshalb pionierhaft das SQS-Label «Best Board Practice» evaluiert und eingeführt. Rückblickend sagt Dr. Norbert Schmassmann, CEO der vbl Luzern: «Wir fahren gut damit – seit über 10 Jahren.»

«Corporate Governance beginnt im Verwaltungsrat»

 

 

 

Gemäss dem Mitbegründer des Labels, Silvan Felder, unterstützt Best Board Practice (BBP) die Sicherstellung der gesetzlichen Konformität, verbessert kontinuierlich die Corporate Governance, reduziert organrechtliche Verantwortlichkeitsund Haftungsfragen, schafft Transparenz und stellt die Professionalität der Oberleitung sicher. Welche Erfahrungen haben die vbl mit BBP gemacht? VR-Präsidentin Yvonne Hunkeler und CEO Dr. Norbert Schmassmann beantworten hier unsere Fragen.

Sie haben BBP schweizweit als erstes Unternehmen erlangt. Wie kam es dazu?

 

Norbert Schmassmann: «Corporate Governance beginnt im Verwaltungsrat.» In dieser Überzeugung kam der damalige VR-Präsident der vbl und heutige Ständerat Konrad Graber im Jahr 2003 mit der Idee des neu geschaffenen Labels «Best Board Practice» auf den CEO zu. Ich erkannte die Chance und den Nutzen eines solchen Labels, sich punkto Governance von anderen Aktiengesellschaften positiv «abheben» zu können. Denn viele Verwaltungsräte werden auch heute noch nicht wegen ihrer Eignung gewählt, sondern aufgrund von «Bekanntschaften». Auch ist das Zusammenspiel zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung in der Praxis nicht selten angespannt, weil etwa Kompetenzen nicht sauber abgegrenzt oder Rollen nicht richtig definiert sind.

Welche führungsmässigen Überlegungen stecken dahinter?

 

Yvonne Hunkeler: Das gute Zusammenspiel zwischen dem VR und der GL hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einmal muss der Verwaltungsrat als Team gut funktionieren, anderseits müssen Aufgaben und Kompetenzen zwischen dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung klar definiert und abgegrenzt werden. Der Verwaltungsrat muss sich auf seine strategischen Führungsaufgaben konzentrieren, die Geschäftsleitung auf die operative Führung des Unternehmens. Dies wiederum funktioniert nur, wenn sich der Verwaltungsrat nicht ins operative Geschäft «einmischt». Dieser Verzicht ist aber nur möglich, wenn das Vertrauen zwischen beiden Gremien intakt ist. Die richtige Zusammensetzung der Geschäftsleitung liegt deshalb in der Verantwortung des Verwaltungsrates. Entscheidend: Damit das Label «Best Board Practice» wirkt, muss es in der Praxis gelebt werden. Nur eine solche VR-Praxis verdient das Adjektiv «Best».

Was bringt das BBP-Label dem vbl-Aktionär?

 

Yvonne Hunkeler: BBP bringt für den Aktionär indirekt, aber doch recht unmittelbar Vorteile. Beim Aktionär ist vorab Vertrauen zu gewinnen, wenn er über die Zuständigkeiten des VR und der GL genau Bescheid weiss und ihm die Regeln der Zusammenarbeit zwischen den Gremien bekannt sind. Auch bei der Besetzung vakanter VR-Mandate wird bei den Aktionären gepunktet, wenn sich das Rekrutierungs- und Nominationsverfahren auf transparente Kriterien abstützt.

Inwiefern profitiert der Verwaltungsrat?

 

Yvonne Hunkeler: Den VR-Mitgliedern bringt BBP den Vorteil, dass sie sich ihrer Aufgabe und Verantwortung stärker bewusst sind. Die strategische und führungsmässige Verantwortung wird hervorgehoben; sie ist in Prozessen hinterlegt, die jährlich über SQS-Audits überprüft werden. Ausserdem stärkt die jährlich durchzuführende Selbstevaluation den Teamgedanken innerhalb des Verwaltungsrates. Die einzelnen Verwaltungsräte verstehen sich als Teil des Teams, in dem unterschiedliche Fachkompetenzen und Meinungen aufeinandertreffen und im Dialog zu guten Entscheiden führen sollen. «Kopfnickertum» zugunsten des Präsidiums wird so eingeschränkt.

Und die Geschäftsleitung?

 

Norbert Schmassmann: Dem CEO bringt das Label den Vorteil, dass gewisse Geschäfte und Traktanden «automatisiert» auf die VRTraktandenliste kommen, ohne dass der CEO den VR darauf aufmerksam machen muss, dass es

 

«BBP sichert Professionalität im VR»

 

«eigentlich wieder einmal an der Zeit wäre, über bestimmte Geschäfte zu diskutieren». So sind gemäss dem BBP-Label das Organisationsreglement «von Amtes wegen», die Vergütungen des VR und der GL jährlich zu überprüfen. BBP verschafft dem CEO mehr Rückhalt; er weiss in der VRPraxis, woran er ist und welche Spielregeln gelten. Die GL hat erweiterte, aber zweifelsfrei abgesteckte Kompetenzen erhalten. Dies schafft Vertrauen.

Wird auch die Revisionsstelle tangiert?

 

Yvonne Hunkeler und Norbert Schmassmann übereinstimmend: Ja, die Zusammenarbeit wird dank BBP positiv unterstützt. Die Revisionsstelle kann sich auf gewisse Praktiken «abstützen» und profitiert davon, dass eine gute Governance zwischen VR und GL vorgelebt wird. Die Zusammenarbeit mit der Revisionsstelle ist reglementarisch an einen VR-Ausschuss delegiert. Die Prozesse und Schnittstellen sind somit definiert. Anträge werden dem Gesamtverwaltungsrat vorgelegt.

Spürt man im Unternehmen die veränderte Governance?

 

Norbert Schmassmann: Verlässliche Aufgaben- und Kompetenzabgrenzungen sind sowohl für die strategische Ebene (VR) als auch für die operative Ebene (GL) von grossem Vorteil. Messerscharf ist die «Gewaltenteilung» zwar nicht zu machen. Bestehen Unklarheiten, berufen wir uns auch mal auf ein Reglement oder ein Funktionendiagramm. Aber die Praxis zeigt, dass nicht alles festgeschrieben werden kann. Eine gute Governance muss zum Selbstverständnis von VR und GL gehören. Seit wir bei der vbl AG dieses Label «leben», hat sich eine Governance eingespielt, die aus Sicht aller Beteiligten als sehr zielführend und angenehm bezeichnet wird.

 

Yvonne Hunkeler: Gewiss, einige Veränderungen wären vielleicht auch ohne dieses Label vollzogen worden – wegen des Wandels im Umfeld, allgemeiner Entwicklungen, geänderter Rechtsgrundlagen oder eigener Erkenntnisse. Nicht alles, was wir heute machen, kann eins zu eins allein auf BBP zurückgeführt werden. Aber das BBP-Label hat jeweils unterstützt und gewisse Dinge bewusst gemacht.

Wie hat BBP die Risikopolitik beeinflusst?

 

Yvonne Hunkeler und Norbert Schmassmann übereinstimmend: Ein vom VR bezeichnetes GL-Mitglied ist mit der Aufgabe des Risk Managers betraut. Dieser verfasst jährlich – unabhängig vom CEO – einen Risikobericht zuhanden des Verwaltungsrates. Der Bericht enthält einen Überblick über alle strategischen und operativen Risi

 

«Good Governance gehört zum Selbstverständnis»

 

ken und gibt in einer Risikomatrix Auskunft über Veränderungen in der Einschätzung der verschiedenen Risiken. Dadurch werden dem VR Entscheide über allfällige risikomindernde Massnahmen erleichtert. Im Rahmen des Risk Managements wurde auch eine Notfallorganisation mit einem Notfallstab eingerichtet. Dessen Chef ist der Risk Manager. Damit soll sichergestellt werden, dass der Weiterbetrieb in einer Notsituation bestmöglich gewährleistet werden kann. Für kleinere Ereignisse – dazu gehören betriebliche Vorkommnisse und leider auch fast täglich kleinere Unfälle – bestehen eingespielte Verantwortlichkeiten.

Und den Sitzungsmodus?

 

Yvonne Hunkeler: Der Verwaltungsrat tagt im Jahr an vier bis fünf Sitzungen. Aufgrund der Jahresplanung steht fest, wann welche Standardtraktanden vorgesehen sind, Wesentliches wird so nicht vergessen. Die VR-Traktanden haben strategischen Charakter. Im operativen Bereich besteht für den CEO eine Informationspflicht nach oben: So wird der VR, sicher die VR-Präsidentin, laufend und proaktiv über wichtige Geschäftsvorfälle oder Ereignisse informiert. Sie entscheidet im Einzelfall, ob der VR als Ganzes zu informieren oder ein Zirkulationsbeschluss einzuholen ist.

Wie regelt BBP die Kommunikation?

 

Yvonne Hunkeler: Man ist gehalten, die strategische von der operativen Kommunikation sauber zu trennen. Gerade im Krisenfall ist es von grossem Nutzen, wenn klar ist, wer was kommuniziert. Bei den vbl ist die Kommunikation grundsätzlich Sache des CEO, sekundiert von seinem Kommunikationsverantwortlichen. Das VR-Präsidium kommuniziert dagegen Angelegenheiten, welche das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsrat und dem Aktionariat – der Stadt Luzern – betreffen

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