«Eine Kombination von Lernen und Trainieren»

Es gibt viele gute Unternehmen, aber sind sie auch exzellent? Zu oft erkennen Firmen zu wenig, dass sie noch über viel mehr Potenzial verfügen. Managementsysteme und Führungsmodelle wie etwa das EFQM Excellence Modell können helfen, dieses abzurufen. Siegfried Schmidt, Leiter Business Excellence bei der SAQ, warnt aber im folgenden Interview, zu schnell zu viel zu wollen.

«Eine Kombination von Lernen und Trainieren»

 

 

 

Menschen, Prozesse, Ergebnisse: Diese drei Elemente gilt es ganzheitlich zu betrachten, wenn man Business Excellence anstreben will. Sie bilden denn auch die zentralen Pfeiler im EFQM Excellence Modell, einem Werkzeug, das Unternehmen auf dem Weg der kontinuierlichen Verbesserung unterstützt. Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern, sind viele Unternehmen gezwungen, ihre Abläufe zu überdenken. Sind exzellente Unternehmen hierbei besser gerüstet?

 

Herr Schmidt, was soll ein Unternehmen, das sich selber ohnehin für «exzellent» hält unter «echter» Business Excellence verstehen?

Siegfried Schmidt: Ein Unternehmen, das sich für exzellent hält, tut dies meist auf der Basis von Kennzahlen. Daran lässt sich erkennen, wie gut man betriebswirtschaftlich unterwegs ist. Das Problem ist allerdings, dass Unternehmen dabei vor allem in einen Rückspiegel schauen und zu wenig nach vorne.

 

Mit anderen Worten: Viele Unternehmen haben eigentlich gar keine Zukunftsstrategie?

Eine Vision und eine Strategie schon, doch oft fehlt das gemeinsame Verständnis im Unternehmen dafür. Die Frage, wohin denn die Reise gehen soll, ist ein Thema, bei dem sich Unternehmen vielfach verzetteln. Wachstum, Geld verdienen, «gut sein», den idealen Standort haben, das ist ja schön und gut, aber wo man in drei Jahren konkret stehen will, da fehlt oft die Antwort. Vieles ist geprägt von einer Ad-hoc- Kultur, es mangelt zum Teil aber am Wissen, weshalb man bestimmte Dinge tut und ob dies wirklich zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Da besteht noch viel Potenzial.

 

Worin bestehen denn die Kerninhalte von Business Excellence?

Für mich hat Business Excellence zwei Seiten: Einerseits ist da die Kombination von Lernen und Trainieren, um besser zu werden. Das Modell hilft, bestehende Hilfsmittel und Strukturen zu hinterfragen und weiterzukommen. Anderseits geht es um die Berücksichtigung interner und externer Anspruchsgruppen. Bei dem Erfüllen von Kundenbedürfnissen und dem Erreichen von Zielen leisten die Mitarbeitenden einen wertvollen Beitrag. Und mit diesen Mitarbeitenden ein gemeinsames Verständnis für Business Excellence zu entwickeln, auch darum geht es.

 

Also steht und fällt alles mit einer Unternehmenskultur, in der alle am gleichen Strick ziehen?

Ja. In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist nochmals der kontinuierliche Verbesserungsprozess. Wenn im Unternehmen keine entsprechende Kultur vorhanden ist, nützt dieser Prozess nichts …

 

Inwiefern dürfte das Interesse am Thema Business Excellence vor dem Hintergrund von «Frankenkrise », Fachkräftemangel usw. steigen? Wie schätzen Sie die Nachfrage ein?

Es mag extrem klingen, aber: Jetzt erst recht! Für viele heisst es ja bei Krisen: Ressourcen optimieren. Das muss aber nicht bedeuten, dass man Stellen abbaut, sondern dass man sich fragt: Was macht eigentlich unseren Erfolg aus? Wo gibt es Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung? Das Ursache- Wirkungs-Prinzip ist deshalb auch ein zentraler Erfolgsfaktor des Modells bzw. Excellence-Ansatzes. Wenn man ein Managementsystem bewirtschaftet – ich denke, jedes Unternehmen hat eines in irgendeiner Form –, ist jetzt der Zeitpunkt zu prüfen, ob die vorhandenen Instrumente auch tatsächlich zum Erfolg beitragen. Um beim Beispiel Frankenstärke zu bleiben: Auch ein an die Zukunft denkender Hotelier steht aktuell vor grossen Herausforderungen, hat aber etwa den Euro-Wechselkurs in seinem Risikomanagement bereits berücksichtigt. Ein Unternehmen muss also externe wie auch interne Risiken, dazu gehört etwa der Fachkräftemangel, nicht nur frühzeitig erkennen, sondern auch darauf reagieren können.

 

Haben Unternehmen, welche etwa das EFQM Excellence Modell anwenden oder auf der Basis von ISO 9001 arbeiten, bessere Karten, Krisen zu überstehen?

Managementsysteme und Modelle bieten Mehrwert für die Organisation. Im Rahmen der Norm ISO 9001 gibt es Standards und eine Beschreibung (Prozess), wie die Tätigkeit ausgeübt werden sollte. Im Rahmen des EFQM Excellence Modells geht es darum, zu überprüfen, ob diese Prozesse bzw. Aktivitäten auch dazu beitragen, das angestrebte Ziel bzw. den Erfolg zu erreichen. Wovor vielleicht viele Unternehmen zurückschrecken, ist auch der Netzwerkgedanke, weil das eigene Interesse im Vordergrund steht. Vielleicht ist es ja gar nicht schlecht, auch vom Mitbewerber zu lernen …

 

… indem man kooperiert?

Kooperationen können sinnvoll sein. Einige Branchen wie Hotellerie und auch das Gesundheitswesen haben dies erkannt. Der Austausch guter Praktiken ist gefragt. Es wird derzeit ja ohnehin sehr viel immer transparenter gemacht.

 

Wir haben die Verbesserungskultur angesprochen. Wo sehen Sie das grösste Verbesserungspotenzial bei Unternehmen auf dem Weg zu Business Excellence?

Im Ursache-Wirkungs-Prinzip. Wenn ein Unternehmen in Weiterbildung und Mitarbeiterförderung investiert (Ursache), muss sich dies auch im Unternehmenserfolg (Wirkung) niederschlagen. Der sichtbare «Return on invest» das Ergebnis der Verbesserungsaktivitäten als motivierendes Etappenziel auf dem Weg zur Business Excellence, da besteht sicher noch Potenzial.

 

Es wird also zu viel einfach ins Blaue hinaus unternommen, ohne Ressourcengewinn?

Ja. Es wird zu wenig an die Mission und an eine nachhaltige Strategie gedacht. Es ist verständlich, dass viele Unternehmen betriebswirtschaftlich gefordert sind. Auf der anderen Seite investieren Unternehmen sehr viel, ohne aber den Kunden zu fragen, ob diese Investition bzw. das Angebot auch dem Bedürfnis entspricht.

 

Weshalb ist das so?

Es ist die Verzettelung, es fehlt die Konzentration auf das Wesentliche in der operativen Hektik. Am Schluss einer Standortbestimmung stehen dann vielleicht 50 oder mehr Ideen und Projekte auf dem Flipchart. Aber die Priorisierung und der Transfer ins Tagesgeschäft bleiben dann auf der Strecke. Ich stelle immer wieder fest, dass sich ein Unternehmen am liebsten gleich mit allen Kriterien des Modells auseinandersetzen möchte. Mein zentrales Anliegen, wenn sich ein Unternehmen auf den Excellence-Weg begibt, ist jedoch: Was soll sich für das Unternehmen damit ändern?

 

Befassen wir uns doch noch näher mit der Praxis: Was sind denn die ersten Schritte, die ein Unternehmen tun muss, um sein schlummerndes Excellence- Potenzial abzurufen?

Der klassische Weg führt über eine Standortbestimmung bzw. über eine Selbstbewertung. Wichtig ist aber, dass dabei die Mitarbeitenden eingebunden werden. Es macht keinen Sinn, dass sich die Geschäftsleitung zurückzieht und ohne die Meinung der Mitarbeitenden etwas «ausheckt». Denn es sind letztlich die Mitarbeitenden, die nahe am Kunden sind. Wenn diese sich ebenfalls einbringen können, erst dann schafft man eine Excellence- Kultur. Es geht auch um Kreativität und Innovation, und da sind alle im Unternehmen gefragt.

 

Besteht bei Selbstbewertungen nicht die Gefahr, dass Unternehmen zu stark die rosarote Brille aufsetzen?

Die Ehrlichkeit ist da, und zwar in dem Sinne, dass einen das Modell bzw. die RADAR-Logik zur Überprüfung und zu Massnahmen zwingt. Wenn ein Unternehmen etwa Handlungsbedarf in der Pflege von Kundenbeziehungen feststellt, kann es ja nicht einfach hingehen und das Finanz-Reporting überarbeiten. Wenn ein Unternehmen die Komponenten des Modells ziel- und stufengerecht anwendet, dann ist der Erfolg gross. Und es geht ja nicht nur darum, besser oder schlechter als andere zu sein, sondern darum, was man mit dem Unternehmen in der Zukunft erreichen will.

 

Welche Voraussetzungen müssen da erfüllt sein? Inwiefern ist das Ganze auch eine Frage der Führung?

Die Führung ist sicher gefragt. Hier geht es um Mut zur Transparenz und Vertrauen. Es gibt Aktionäre mit Bedürfnissen; es gibt aber auch Mitarbeitende, die Bedürfnisse haben. Bevor man den Prozess in Gang bringt, sollte man sich überlegen, wer die Anspruchsgruppen sind. Es geht auch darum, wie man kommuniziert. Kulturelle Voraussetzung bedeutet eben auch eine gemeinsame Sprache. Erfreulicherweise erlebe ich auch viele Unternehmen, bei denen der Excellence Ansatz nicht als Projekt sondern als Hilfsmittel, um besser zu werden, im täglichen Business wahrgenommen und angewendet wird.

 

Welche Anreize benötigt ein Unternehmen, um auf den Weg zur Business Excellence zu finden? Sind etwa Awards ein probates Mittel?

In der Schweiz sehe ich hierzu eigentlich zwei Punkte: erstens die grosse Labelvielfalt. Es gibt zahlreiche Unternehmenspreise und Branchenauszeichnungen – insgesamt fast zu viele. Der Erfolg am Ende eines Bewertungsprozesses, eine Auszeichnung oder Anerkennung und sich einmal mit den Besten zu vergleichen, bedeutet für viele Unternehmen sehr viel. Ein Bewertungsprozess bietet jedoch vor allem wertschöpfendes Feedback und macht Fortschritte sichtbar. Und so ist der Weg vom Daily Business zu Business Excellence ein spannender Entwicklungsprozess.

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