Kritische Stellen erfolgreich intern besetzen
Die Investitionen in das Talent Management eines Unternehmens zahlen sich dann vollumfänglich aus, wenn interne Potenzialträger auf wichtigen Positionen erfolgreich platziert werden. Um die dazu notwendigen Besetzungsprozesse erfolgreich zu gestalten, müssen Unternehmen neben aktuellen und potenziellen Vakanzen auch das Angebot an internen Kandidaten im Blick haben.
Interne Kandidaten bieten bei gleicher Qualifikation entscheidende Vorteile: Sie verkörpern die Kultur des Unternehmens und können auf ihr dortiges Netzwerk zurückgreifen. Dem Unternehmen ist der Kandidat – mit seinen Stärken und Schwächen – bestens bekannt. Daher haben interne Kandidaten oft einen realistischeren Blick auf Anforderungsprofil und Arbeitsumfeld der zu besetzenden Stelle, können sich leichter auf diese einstellen und legen schon in der Anfangszeit eine höhere Produktivität als externe Kandidaten an den Tag (Martins/ Lima 2006; Bidwell 2011). Wissenschaftliche Studien zeigen zudem, dass interne Kandidaten eine um 40 % höhere Verweilrate besitzen (Zottoli/Wanous 2000) und häufig zufriedener an ihrer neuen Stelle sind (Moser 2005). Auch die Vergütungskosten sind im Schnitt um 15 % geringer (Bidwell 2011). Allerdings gilt es, auf Grundlage der konkreten Anforderungen einer Stelle zu entscheiden, ob ein interner oder externer Kandidat besser geeignet ist. Externe Kandidaten sind vor allem dann gefragt, wenn spezifisches Know-how notwendig ist oder ein kultureller Wandel gefördert werden soll. Angestrebte Verhältnisse von internen zu externen Besetzungen liegen typischerweise im Bereich von 80:20.
Erfolgsfaktor 1: Anforderungen und Erwartungen klären
In der Regel sollte der Vorgesetzte als Auftraggeber einer Stellenausschreibung definieren, welcher Kandidatentyp gesucht wird. In enger Zusammenarbeit mit der Personalabteilung sollte dabei geklärt werden, welche Wertigkeit die Stelle besitzt und welche Vergütung angemessen ist. Folgende Punkte sind im Detail zu beachten:
- Ein persönliches Gespräch mit dem Vorgesetzten der zu besetzenden Position ist unerlässlich. Kommt dieses nicht zustande, resultiert dies in wiederholten Vorstellungsschleifen und langen Bearbeitungszeiten.
- Nachbesetzungen erfolgen häufig mit einem neuen «Auftrag» an den zukünftigen Stelleninhaber. Sofern eine stellenspezifische Nachfolgeplanung existiert, ist diese auf das neue Anforderungsprofil hin zu überprüfen.
- Erwartungen an die Arbeitsweise und den Führungsstil einer Person dürfen nicht vernachlässigt werden. Sie sind häufig wichtiger als fachliche Anforderungen und gleichzeitig schwieriger zu klären.
Erfolgsfaktor 2: Den gesamten Talent Pool nutzen und erweitern
Wer mit internen Kandidaten besetzen will, muss seine Talente kennen. Bestehende Talent- und Performance- Management-Prozesse können zu diesem Zweck beispielsweise um eine Selbstauskunft der Beurteilten erweitert werden. So können Mitarbeiter selbst Informationen über ihre Karrierepräferenzen und Mobilitätsbereitschaft preisgeben.
Für die erste Auswahlrunde bei einer Vakanz gilt zunächst die Devise «niemanden übersehen» – zum Beispiel durch eine breit angelegte Datenbank-Suche mit vorwiegend objektiven und grundlegenden Kriterien. Die Suche sollte dabei unternehmensweit geschehen. Auch bei höheren Führungspositionen zeichnet sich mittlerweile ein Trend zur Öffnung der Besetzungsprozesse ab: Stellen werden konsequent ausgeschrieben und Mitarbeiter können sich bewerben – ungeachtet ihrer Potenzialbeurteilung und Einschätzung durch den Vorgesetzten.
Dieser alternative Zugangsweg der Selbstnominierung vergrössert den Talent Pool. Er trägt auch dazu bei, dass Mitarbeiter interne Optionen für einen Karriereschritt besser sondieren können, bevor sie ihre Wechselwilligkeit gegenüber Wettbewerbern und Executive-Search- Firmen offenlegen.
Erfolgsfaktor 3: Den Prozess professionell begleiten
Bei der Wahl der geeigneten Auswahlinstrumente (Interviews, Tests etc.) ist die Anerkennung durch alle Involvierten entscheidend: Sowohl der Kandidat als auch der Auftraggeber und HR sollten die Verwendung des Instruments für sinnvoll halten und auf dessen Urteil vertrauen. (Siehe Grafik) Nach der Entscheidung für den Wunschkandidaten erfolgt die Zusage, die Erstellung des Angebots und – nach Ablauf der Haltefrist – die Übernahme der neuen Stelle. Typischerweise dauert ein Besetzungsprozess bis zur Übernahme der neuen Stelle vier bis sechs Monate. «Zeitfresser» sind dabei neben Interviews mit den Shortlist-Kandidaten insbesondere Halte- bzw. Freigabefristen.
In diesem Kontext ist es Kernaufgabe von HR, den Prozess zu leiten und zu moderieren. Ein Ansatzpunkt dabei ist zum Beispiel die Einrichtung eines unternehmensweiten Talent Brokers. Diese eigenständige HR-Funktion ist zentraler Ansprechpartner für alle Beteiligten im Besetzungsprozess. Das hier gebündelte Wissen über interne Kandidaten aus verschiedensten Quellen und ein hoher Vernetzungsgrad machen sie besonders wertvoll. Talent Broker bereiten Besetzungsprozesse vor und begleiten diese, helfen bei der Evaluation der Kandidaten und unterstützen bei der Auswahl.
Erfolgsfaktor 4: Spielregeln definieren und einhalten
Besetzungsprozesse funktionieren dann gut, wenn Verantwortlichkeiten klar geregelt sind, respektiert und eingehalten werden. Dies beinhaltet insbesondere:
- Das Informations- und Berechtigungskonzept: Wer hat Zugriff auf Mitarbeiterdaten?
- Ansprache: Wer kontaktiert Kandidaten – HR oder Vorgesetzte?
- Kommunikation und Absprachen: Wann erfährt der derzeitige Vorgesetzte von einer Kandidatur seines Mitarbeiters?
- Die Entscheidungshoheit: Hat der Vorgesetzte ein Vetorecht in kritischen Fällen?
- Absagen: Wann, wie und durch wen werden abgelehnte Kandidaten informiert?
- Haltefristen: Typischerweise drei Monate, orientiert an externen Kündigungsfristen
- Kostenfragen: Zum Beispiel Reisekosten für Interview-Termine
- Diversity-Aspekte: Zum Beispiel Quotenregelungen
Ein oft unterschätzter Punkt ist der Umgang mit abgelehnten internen Kandidaten. Es ist hochkritisch, dass auch diese den gesamten Prozess als transparent und fair empfinden und damit künftigen Besetzungsprozessen offen gegenüberstehen.
Erfolgsfaktor 5: Neue Stelleninhaber fit machen
Ob eine Besetzung erfolgreich ist, zeigt sich erst danach. Das erste halbe Jahr in der neuen Rolle spielt dabei eine entscheidende Rolle. Insbesondere, wenn Unternehmen interne Talente in neue Aufgaben bringen, sollten sie neuen Stelleninhabern gezielte Weiterbildungsangebote unterbreiten.
So unterstützen spezielle Programme Mitarbeiter und Führungskräfte dabei, schnell in ihre neue Rolle zu finden, die gängigen Herausforderungen eines Stellenwechsels sicher zu meistern und an ihren Führungskompetenzen zu arbeiten. Die methodische Ausgestaltung ist dabei flexibel und kann von Einzel-Coachings bis zu Gruppentrainings in Workshops reichen. Ziel ist es, Stelleninhaber für ihre neuen Aufgaben zu sensibilisieren und zu helfen, das eigene Führungsverhalten den neuen Anforderungen anzupassen.
Fazit
Die Suche und Sichtung interner Kandidaten wie auch bereichsübergreifende Nachbesetzungen sind aufwendig. Sie sind aber dennoch der Königsweg eines erfolgreichen Talent Managements. Kein anderes Instrument hat eine solch direkte Wirkung auf die Bindung von Talenten wie die realistische Aussicht auf Entwicklungschancen.
Literatur:
- Bidwell, Matthew (2011): Paying more to get less: The effects of external hiring versus internal mobility. In: Administrative Science Quarterly, Volume 56, Nummer 3. S. 369–407.
- Martins, Pedro; Lima, Francisco (2006): External recruitments and firm performance. In: Applied Economic Letters. Nummer 13. S. 911–915.
- Moser, Klaus (2005): Recruitment sources and post-hire outcomes: The mediating role of unmet expectations. In: International Journal of Selection and Assessment. Volume 13, Nummer 3. S. 188–197.
- Zottoli, Michael A.; Wanous, John P. (2000): Recruitment source research: Current status and future directions. In: Human Resource Management Review, Volume 10, Nummer 4. S. 353–382.