Schweiz und globale Risiken

In vielen Wachstumsmärkten, offenbar auch in England, steigen die Risiken zur sinkenden Zahlungsmoral. 2016 wurden mehr Insolvenzen bei Exportbetrieben sowie strategische Auslagerungen ins nahe Ausland verzeichnet. Welche Absicherungsbedürfnisse sind nun für in der Schweiz tätige Unternehmen gegeben?

Schweiz und globale Risiken

 

 

 

Politische Blindflüge zwischen Paris und Moskau, die instabile Wirtschaft in Asien, Krisen in Schwellenländern wie Brasilien oder Chile, ein urplötzlicher Brexit: Durch die volatile Wirtschaftslage und die zunehmende Zahl der Insolvenzen steigt beispielsweise das Risiko, dass Unternehmen auf ihren Rechnungen sitzen bleiben. Eigentlich schützt davor eine Kreditversicherung. Zweifellos, der offizielle Brexit, der seit dem 23. Juni 2016 die Europäische Union durchzuckt, ist nach wie vor eine neblige Reise ins Ungewisse, was die zukünftige Konjunktur und Entwicklung der Weltmärkte angeht. Auch ohne den politischen Sonderstatus des Commonwealth kommt es wieder und wieder zu Absenkungen des britischen Pfunds und des Euro.

 

Studien von Kreditexperten unterstreichen: Erstmals seit sieben Jahren steigen die weltweiten Insolvenzen wieder an. Das betrifft nicht nur Schwellenländer wie Brasilien oder Taiwan, sondern auch die wichtigsten Handelspartner der Schweizer Exportunternehmen. Der Kreditversicherer Euler Hermes notierte 2015 in den USA drei Prozent mehr Unternehmenspleiten, in China sogar ein Plus von zwanzig Prozent, in Britannien ein Prozent

 

Wie ist nun die Situation für Schweizer KMU? Inzwischen ist das Risiko für Währungsverluste so hoch, dass Versicherer ihre Limite kürzen. Während man in anderen Ländern längst mit unkündbaren Limiten darauf reagiert hat, ist diese Art der Absicherung bei den etablierten Kreditversicherern in der Schweiz und in Deutschland noch keine Alternative.

Strukturprobleme
Nicht nur der der Brexit fordert seinen Tribut. Es kursieren Kurseinbrüche weltweit. Euler Hermes unterstreicht im Export-RisikoMonitor von 2016, dass rasante Kursänderungen «auch Unternehmen treffen, um deren Bonität es eigentlich gut bestellt ist.» So werden etwa durch die sinkenden Ölpreise oder die Stahlüberproduktion in China ganze Branchen unterwandert – und damit automatisch auch der einzelne Stahlhändler oder das einzelne Energieunternehmen schlechter bewertet.

 

Gleichwohl könnte die Schweiz wirtschaftlich nicht so stark wie Deutschland tangiert werden in naher Zukunft. Schweizer Sektoren, die es aus regulatorischen Gründen am schwierigsten haben werden in den nächsten Zeiten: Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, einheimische Agrokultur, Lebensmittel und Chemie

 

So kommt es nicht von ungefähr, dass bereits im vergangenen Jahr Jobs abgebaut wurden: Tausende Jobs wurden in der Schweiz gestrichen oder durch Kurzarbeit betroffen. Unternehmen aus der Industrie hat es besonders gebeutelt. Nach der Aufgabe des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank Anfang 2015 kamen exportorientierte Betriebe durch den stärkeren Franken unter Druck.

 

Das heisst jedoch auch für einen Versicherer: Die Versicherungslimiten senken oder fixieren.

 

Turbulent für Exportunternehmen war es also schon vor dem Brexit. Die Produktion in der Schweiz wurde in den letzten Jahren durch neue Technologieanforderungen und Energiegesetze durchkreuzt. Beispielsweise musste der Schindler-Konzern 120 Stellen am Hauptsitz in Ebikon, Luzern, streichen, weil die Produktion von Aufzugskomponenten, die Ausrüstung und Wartung der Fahrstühle neue Dimensionen erreicht.

 

Nicht nur viele kleine Technologieund Forschungsbetriebe müssen ihre Geschäftsmodelle neu definieren, ganze Abteilungen streichen oder in billigere Produktionsländer verschieben. Wie grössere Agenturen berichten, stehen nun vermehrt auch erfolgreiche Sektoren Kursrisiken gegenüber.

Alternative zu Versicherungen?
Der Neuenburger LuxusuhrwerkHersteller Vaucher Manufacture Fleurier (VMF) baut über einen Drittel seiner Jobs ab. Der Konzern sieht die Massenentlassung als einzige Möglichkeit, um seine Zukunft längerfristig zu sichern. Sogar Luxusgüterkonzerne wie Richemont brillieren nicht mehr so sehr. Der Schweizer Konzern möchte in diesem Jahr bis zu 350 Stellen in der Romandie streichen. Der Grosskonzern begründet diesen Abbau mit dem starken Franken sowie der Flaute im europäischen Tourismus.

 

Solche Beispiele müssten deutliche Signale sein, die Risikobewertung anzupassen. Denn mit potentiellen Unternehmensschliessungen steigt auch die Menge der unbezahlten Rechnungen. «Bei den momentan turbulenten Märkten sieht Euler Hermes eine Reihe von nötigen Massnahmen, um die Rentabilität zu schützen», heisst es im ersten Quartalsbericht des Kreditversicherers

 

Euler Hermes steht damit nicht alleine da: Die Gesellschaft für Liquidität, GFL, hat in den letzten Monaten festgestellt, dass auch andere Versicherer wie Atradius oder Coface immer mehr ihre Limiten senken oder Absicherungen von vornherein ablehnen.

 

«Der Kreditversicherer erfüllt damit eine Frühwarnfunktion», sagt GFL-Geschäftsführer Marcus Sarafin. «Der Kunde merkt, dass das Geschäftsrisiko gestiegen ist und kann darauf reagieren.» Gerecht sei das System allerdings nicht: «Der Kunde hat in guten Zeiten stets bezahlt, doch sobald die Lage schwierig wird, steht er im Regen.»

 

Allein nicht kündbare Deckungen könnten eine Lösung bieten, die, wie der Name schon andeutet, von Versichererseite her (über eine fixe Dauer, in der Regel zwölf Monate) geregelt wird. Somit müsste der versicherte Unternehmer gut für die kommenden Monate Volumen und Risiko bewältigen können. Diverse Versicherer im Ausland bieten solche Lösungen bereits an, bei den langjährig etablierten Anbietern in Deutschland und der Schweiz ist diese Art der Limite jedoch nicht so beliebt. Vielleicht auch deswegen: Ein entsprechendes Volumen – Limitgrösse ab etwa fünf Millionen US-Dollar aufwärts – ist dabei Voraussetzung.

 

Wie könnten sich kleine- und mittelständische Schweizer Betriebe trotzdem gegen die nebulöse, europaweite Wirtschaftslage nach dem Brexit für kommende Monate absichern? Es gibt zurzeit weder einen umfassenden Schutz noch eine Lösung. Regionale Betriebe könnten vielleicht ihre administrativen Kosten noch besser kontrollieren. Es empfiehlt sich, in überschaubare Länder und Geschäftsbereiche zu investieren.

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