Compliance-Systeme – notwendiges Übel?

Unter dem Titel «Compliance-Systeme – ein notwendiges Übel?» führte das Netzwerk Risikomanagement seine 36. Fachveranstaltung gemeinsam mit SwissFEA (Swiss Financial Experts Association) Anfang November 2017 im Bildungszentrum Werd der Stadt Zürich durch. Zwei Referate – das eine aus einer praktisch-organisatorischen Sicht, das andere mit Fokus auf rechtliche Aspekte – standen im Mittelpunkt.

Compliance-Systeme – notwendiges Übel?

 

 

 

Die Veranstaltung über das «Wohl und Übel» der Implikation und Führung von Compliance­-Systemen wurde von rund fünfzig Teilneh-menden aufmerksam verfolgt. Am prakti-schen Beispiel der Schweizerischen Post AG zeigte Markus Schumacher, Leiter des Cor­ porate Center, wie das Unternehmen sein Compliance-System in den Jahren 2015/16 aufgebaut hat und welche Erfahrungen sich im ersten Betriebsjahr 2017 abzeichnen.

 

Die Post begreift Compliance als umfas-sendes System, das auf Integrität und soliden Werten basiert; sein Ziel – die Einhaltung von Gesetzen, Standards und internen Verhal-tensregeln – erreicht es dadurch, dass es von allen Mitarbeitenden im Rahmen ihrer Ver-antwortlichkeiten bewusst und informiert getragen wird. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert ein klares Konzept: (1) Eine schlanke Compliance-Organisation, die sich in beste-hende Strukturen fügt.

Compliance als Führungsaufgabe
Compliance ist primär eine Führungsaufgabe und muss der Linie folgen; da sie überdies als bereichsübergreifendes Konzern-Risiko ver-standen wird, ist eine enge Anbindung an das Risikomanagement unerlässlich: (2) Festlegung der erwarteten Verhaltensweisen bei den Mit-arbeitenden (Verhaltenskodex) und den Liefe-ranten (Sozial- und Ethikkodex) sowie Identifi-kation der einzuhaltenden externen Rechtsbe-reiche und internen Vorgaben; (3) risikobasier-te Auswahl der zentralen Compliance-Themen wie z. B. Daten- und Informationsschutz; Ent-wicklung der einzelnen Massnahmen in diesen Themen; (5) Kommunikation und Schulung, differenziert nach Adressatengruppen; schliess-lich (6) Kontrolle und Überwachung unter Ein-bezug der Innenrevision mit halbjährlichem Bericht an die Konzernspitze. Die vielleicht wichtigste Empfehlung lautet: Es gibt nicht eine einzige richtige Lösung, doch muss die Lösung zum Unternehmen passen und mit Bestehen-dem verbunden werden.

Internationale Transparenz
Ausgangspunkt des zweiten Referats von Katja Böttcher, Legal and Compliance Project Manager bei der internationalen Anwalts-kanzlei Lalive, war der rasante Wandel der wirtschaftlichen und v. a. (straf-)rechtlichen Bedingungen in jüngerer Zeit, der als eigentli-cher Treiber für die weltweit wachsende Be-deutung der Unternehmens-Compliance an-zusehen ist.

 

Waren früher etwa Schmiergeldzah-lungen bei Auftragsvergaben beinahe normal und konnten sogar von den Steuern abgesetzt werden, herrscht heute dazu Nulltoleranz. Wichtige Kräfte in dieser Entwicklung sind etwa die Rechtsprechungen in den USA oder in Grossbritannien, die auch auf andere Wirt-schaftsstandorte ausstrahlen, zumal das Ent-deckungsrisiko von korruptem Handeln in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft markant gestiegen ist. Eine bedeutende Rolle spielen auch internationale Organisationen wie die OECD, die neue oder verschärfte Anti-korruptions-Standards erlassen haben, oder Transparency International, deren Rankings und Business Principles weltweit Beachtung finden. Für die Schweiz unmittelbar wichtig ist die Revision des Strafrechts im Jahr 2003, welche neu die Unternehmung selbst der Strafbarkeit unterstellt (originäre Strafbarkeit nach Art. 102 Abs. 2 StGB), ohne dass eine in-dividuelle Straftat aus dem Personal zugeord-net werden muss.

 

Die Referentin beschliesst ihre Präsen-tation mit einem kurzen Exkurs über den As-pekt der Datensicherheit und -speicherung sowie über die Möglichkeiten, Compliance-Prozesse digital zu unterstützen. Die lebhafte Diskussion nach dem offiziellen Teil darf nicht nur als Kompliment für zwei höchst in-teressante und aufschlussreiche Referate ge-lesen werden, sondern zeigt auch, dass Com-pliance – wohl oder übel – ein aktuelles The-
ma bleiben wird.

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