Betriebsrisiko «Blackout»!
Wirtschaft und Gesellschaft sind vernetzter denn je. So würde ein weitreichender Stromausfall sich verheerend auf Betriebe und deren Nutzer auswirken. Wie richtet sich zum Beispiel eine grosse, wichtige Institution wie das Universitätsspital Zürich gegen eine einschneidende Strommangellage ein?
Die meisten Arbeitsgebiete funktionieren nur mit Strom. Um die Agilität und Produktivität von Betrieben zu steigern, digitale Innovationen voranzutreiben sowie Personal- und Kundenansprüche zu steuern, ist und bleibt elektrische Energie das taktgebende Pendel überhaupt. Hingegen bildet die Achillesferse der Zivilisation der plötzliche Stillstand.
Wenn nun wegen eines Defekts die Stromversorgung unterbunden wird, könnten neben Wohnungen und öffentlichen Einrichtungen ebenso Heime- und Kliniken kritisch betroffen sein. Gewisse Szenarien (siehe Sicherheitsverbundsübung SVU 2014) wie einen andauernden Strommangel, der noch von einer Pandemie durchkreuzt wird, möchte man nie erleben müssen.
Zwei Beispiele, welche extremen Effekte ein Stromunterbruch herbeiführen könnte: Im Operationssaal (Abk.: OP) eines Krankenhauses gibt es eine autarke Stromversorgung. Existiert keine Stromspannung mehr, springtgleich ein Schalter um, der Batterien an den OP-Stromkreis anschliesst. Die Aufschaltung lebenswichtiger Geräte verzögert sich vielleicht einige Millisekunden. Folgenschwerer könnte die Situation werden, wenn der Batterienrespektive Geräteservice einmal nicht geleistet worden wäre.
Es scheint auch immer möglicher, dass international organisierte Erpresser Schäden in Schweizer Betrieben verursachen, wie Recherchen und Studien (siehe Studie «Gefährdung Schweizer Spitäler gegenüber Cyberangriffen») unterstreichen. Kürzlich wurden Schweizer Einrichtungen mit DoS-Computerviren (Engl.: Denial of Service) infiziert, die ähnlich wie bei einem Blackout einzelne Betriebseinrichtungen blockieren respektive stilllegen.
Welche unvorstellbaren Bedingungen in sensiblen Einrichtungen existieren, wenn ein längerer Blackout gegeben ist, verdeutlichen Bücher wie «Blackout: Morgen ist es zu spät», geschrieben von Marc Elsberg. – Zwei kurze Textstellen, um die Situation annähernd zu verdeutlichen: «Vor dem Krankenhaus herrscht Chaos. (…) Hilflos umherirrende Menschen.»
Claudio Leitgeb, Bereichsleiter im Universitätsspital Zürich, informiert vermehrt Medienleute über potenzielle Gefahren: «Es hängt alles davon ab, welches Ausmass ein Stromausfall repräsentiert. Etwa wie hoch die regionale Strommangellage wirklich ist.» Leitgeb weist auf zwei Hauptrisiken für den intakten Spitalbetrieb hin:
«Wir wissen nicht, wieviel Kraftstoff effektiv für unsere Aggregate nach drei bis vier Tagen Ausnahmezustand angeliefert wird. – Wir wissen auch nicht, wie sich Patienten und ihre Angehörigen in einer solch angespannten Lage verhalten werden.»
«Wie sich Patienten und Angehörige in einer solch angespannten Lage verhalten werden, wissen wir nicht», Claudio Leitgeb, Sicherheitschef Universitätsspital Zürich.
Schwachstellen
Ein andauernder Stromunterbruch könnte nicht nur wichtige, öffentliche Betriebe blockieren, er durchkreuzt das Leben auf jeder Ebene. Durch die weite sensorische Verknüpfung vieler Logistik-, Transport und Kommunikationsbereiche steigt die wirtschaftliche «Verwundbarkeit» auf ein Vielfaches.
Heizungs- und Klimaanlagen und Lüftungen, sicher etliche Supermärkte, schliesslich auch Verkehrsunternehmen und Bancomaten würden aussetzen – insbesondere dann, wenn der Blackout miteinander vernetzte Stromlieferanten niederstreckt.
Kurz vor zwei kleineren Quartierausfällen in Zürich wiesen gleichzeitig mehrere Stimmen unabhängig voneinander darauf hin, was es heisst, ohne Strom wirtschaften und existieren zu müssen. Sowohl die Schweizer Übertragungsnetzbetreiberin Swissgrid wie auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BABS) thematisierten eine mögliche Strommangellage in der Schweiz.
Darüber, welche Distributionsansätze überhaupt noch bei einem mehrtägigen Stromausfall funkti
«Sogar unsere hydraulischen, bis 250 kg schweren Spitalbetten benötigen Elektrizität», Claudio Leitgeb, Co-Organisator 21. Symposium für Notfallmedizin.
onieren, wissen nur ein paar wenige Spezialisten Bescheid. Toni Frisch, der Übungsleiter des Eidgenössischen Departments für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, VBS, betont öfters in der Öffentlichkeit:
«Allein die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist eine gewaltige Herausforderung im Katastrophenfall.» Das VBS prüfte in der Verbundsübung SVU14 den Ausnahmezustand «mehrtägiger Stromausfall, kombiniert mit einer Pandemie». Seitdem, sicher seit den jüngsten regionalen Stromausfällen, überdenken Krisen- und Informationsmanager die komplexen Herausforderungen während eines Blackouts.
Reduntante Systeme
In der Stadt Zürich gibt es alleine 14 Unternetzwerke, welche das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) betreibt. Wichtige Einrichtungen wie das Universitätsspital sind in einem redundanten Stromkreis angeschlossen. Will heissen, fällt das Hauptnetzwerk aus, braucht es eigentlich nur zwei Sekunden, um automatisch den Strom eines weiteren Netzwerks beizuziehen.
«Es müsste also schon eine flächendeckende Strommangellage geben, um unsere Elektrizität zu unterbinden», meint Claudio Leitgeb, Sicherheitschef des Universitätsspitals. Sollte eine Mangellage bestehen, die voraussichtlich länger als einen Tag dauert, würde im Spital ein ausserordentliches Energiemanagement durchgeführt werden. Hierbei würden nicht nur das Notstromnetz, sondern auch nur die nötigsten Geräte, Gebäude und Etagen genutzt. Im Universitätsspital Zürich laufen die OPEinrichtungen – im Gegensatz zu einfachen Haushalten – seit ein paar Jahren auf drei sogenannten redundanten Stromkreisen.
Der Sicherheitschef bekennt: «Priorität hat unser Kerngeschäft, also die Medizin und die Pflege. Der Betrieb der rund drei Dutzend OP-Säle. Um möglichst haushälterisch mit den Energiereserven umgehen zu können, würden wir zuerst einzelne Gebäude und Abteilungen wie etwa unsere Admin vom Strom nehmen.» Schätzungsweise könnte der Betrieb so gut 35 Stunden ohne medizinische Handicaps koordiniert werden.
Ohne Notstrombetrieb hätte es jedoch Konsequenzen für den Spitalbetrieb. Die Notstromaggregate des Universitätsspitals benötigen angeblich 15 Sekunden für die Inbetriebnahme. Gleichwohl funktionieren diese nur mit Diesel. Deswegen verfüge das Universitätsspital permanent über 90‘000 Liter Diesel – die bei Vollauslastung vier Tage hinreichen.
Logistische Grenzen
Eine Weile könnte eine Strommangellage gut in Schach gehalten werden. Wenn jedoch Prozesse aufs Mindeste – siehe eingeschränkte Geräte – reduziert werden müssten, stünden Spitalmitarbeitende vor grossen logistischen Herausforderungen. Bei einem längeren Stromunterbruch und einer Verringerung der Dieselreserven würde der Krisenstab so einigen organisatorischen Herausforderungen gegenüberstehen.
«Vorausgesetzt», so der Sicherheitschef, « unser Personal ist verfügbar, es erreicht die Arbeitsplätze. Damit wir uns im Krisenfall bestmöglich organisieren können», informiert Claudio Leitgeb, «wurden Interventionseinheiten bis hin zu ortskundigen Meldeläufern im Krisenplan des Universitätsspitals definiert.» Darüber hinaus würde ein sogenannte vorgelagerte Prätriage- und ein Triage-Betrieb eingerichtet
Würden im OP-Saal und auf Intensivstationen auch Batterien eingesetzt, wären andere Bereiche nur mit Papier und Bleistift zu kontrollieren. Claudio Leitgeb: «Ohne Strom können wir die Patienten nicht richtig registrieren. Man muss sich das mal vorstellen: Die MRI, die Röntgen- und Dialysegeräte, sogar unsere hydraulischen, bis 250 kg schweren Spitalbetten und Betriebsfahrzeuge benötigen Elektrizität.»
Hilfesuchende und ihre Angehörigen würden bei einem Masseereignis durch für die Care-Arbeit geschulte USZ Mitarbeitende (unabhängig von Suchdiensten, Samaritern und Seelsorgern) betreut. Bei heute schon 10000 bis 12000 täglich eintreffenden Personen (Mitarbeitende miteinbezogen) würden im Ernstfall sicher viel mehr lose Bündel von hilfesuchenden, vielleicht verletzten Menschen hinzustossen.
Selbstverständlich braucht so ein «Dorf» geschützte Operationsketten sowie genügend Nachschub an Medikamenten, Wasser, Lebensmitteln und einen entsprechenden Unterhalt von Hygieneräumen. Claudio Leitgeb: «Eigentlich dürfte es einen totalen Stromausfall nie geben. Selbst Experten könnten das wahre Ausmass nie wirklich einschätzen.»
Eines will der Sicherheitschef jedoch unterstreichen «Die ‹Allesim-Griff-Mentalität› dürfte sich auch bei Sicherheitsleuten nie einnisten.»
Qualitätsstandards
In einem Sitzungszimmer weit vom eigentlichen Klinikum entfernt meint der Sicherheitsbeauftragte des Universitätsspitals: «Selbstverständlich – in den 40 km weiten, bergseitigen Korridoren des Universitätsspitals braucht es ein anspruchsvolles Betriebsmanagement.»
Ob eine kleine IT-Störung – die möglicherweise ein paar Patientenakten verschlingt – oder ein totaler Unterbruch der Arzneiversorgung – weil möglicherweise die SAP Lagerhaltungssoftware streikt: Die betriebliche Sicherheitskultur unterliegt einem Risikomanagement, welches möglichst alle Gefahrenherde berücksichtigt.
Der Bereichsleiter Sicherheit und Umwelt orientiert sich zusammen mit der Betriebsleitung an Qualitätsstandards wie das EFQM Excellence Modell und Normen auf der Basis der ISO-Norm 31000, dass es bei einer so grossen Institution wie dem Universitätsspital Zürich möglichst weder zu hinderlichen Störungen noch zu ökonomischen Verlusten führt.
«Denn», so weiss Claudio Leitgeb, «mit der Dauer eines Blackouts wächst die Erwartung der Bevölkerung an die Gesundheitsversorgung exponentiell.»