Qualitätsmanagement nachhaltiger Dienstleistungen

In der Schweiz gibt es viele nachhaltige Dienstleistungen. Welche Erwartungen haben Kundinnen und Kunden daran? Und wie können Unternehmen die wahrgenommene Qualität ihrer nachhaltigen Dienstleistungen aus Kundensicht messen? Eine Studie der Hochschule Luzern und der HTW Chur zeigt: Beim Nutzen gehen die Kunden keine Kompromisse ein.

Qualitätsmanagement nachhaltiger Dienstleistungen

 

 

 

Ein eigenes Auto kaufen oder Mitglied beim CarsharingAnbieter werden? Herkömmlichen Strom beziehen oder ein bisschen mehr für Solarstrom ausgeben? Wer eine nachhaltige Dienstleistung in Anspruch nehmen will, muss sein Verhalten ändern – und in den meisten Fällen einen zusätzlichen Aufwand auf sich nehmen. Was unter diesen erschwerten Bedingungen eine hohe Servicequalität ist, gilt es herauszufinden. Mit der Frage hat sich ein von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes gefördertes Forschungsprojekt beschäftigt. Als Partnerunternehmen beteiligten sich HitchHike, Mobility, Schwendimann und Rhiienergie. Analog zu klassischen Dienstleistungen trifft auch für die nachhaltige Dienstleistung zu, dass die Qualität den Wünschen und Anforderungen der Kunden entsprechen muss. Daher wurden in einem ersten Schritt die Erwartungen der Kunden ermittelt, bevor Anleitungen zur Messung und Verbesserung der Qualität nachhaltiger Dienstleistungen abgeleitet wurden.

Kundenerwartungen: drei Qualitätsbereiche
Aus den Ergebnissen von qualitativen Interviews und schriftlichen Befragungen mit über 600 Kunden und potenziellen Kunden der Partnerunternehmen konnten drei Qualitätsbereiche nachhaltiger Dienstleistungen abgeleitet werden (Abbildung 1).

1)Funktionale Qualität: Kernleistung und Kundenservice müssen stimmen. Hier geht es um den praktischen Nutzen der Kernleistung, beispielsweise schnell von A nach B kommen (nachhaltige Mobilität) oder schnell und entspannt den Abfall zu entsorgen (Recycling). Ebenfalls zur funktionalen Qualitätserwartung zählt der Kundenservice, d.h. die gute persönliche Beratung und Information durch den Anbieter. Lediglich beim Preis sind Kunden kompromissbereit, Preisvorteile gehören nicht zu den Erwartungen, die der Kunde an nachhaltige Dienstleistungen stellt.
2)Emotionale Qualität: Die nachhaltige Dienstleistung soll ein Erlebnis bieten. Um die eigene Trägheit zu überwinden und gewohntes Verhalten zu ändern («Man sollte ja weniger das eigene Auto nutzen, aber…»), sollte die nachhaltige Dienstleistung durch ihre emotionale Qualität den Kunden motivieren und emotional aktivieren. Dabei ist es ebenso wichtig Begeisterung für die Idee an sich zu sichern («Elektroautos finde ich pfiffig…») als auch das Vertrauen in den Anbieter zu stärken («Bei Schwendimann weiss ich, dass sie alles im Griff haben…»).Emotionale Qualität: Die nachhaltige Dienstleistung soll ein Erlebnis bieten. Um die eigene Trägheit zu überwinden und gewohntes Verhalten zu ändern («Man sollte ja weniger das eigene Auto nutzen, aber…»), sollte die nachhaltige Dienstleistung durch ihre emotionale Qualität den Kunden motivieren und emotional aktivieren. Dabei ist es ebenso wichtig Begeisterung für die Idee an sich zu sichern («Elektroautos finde ich pfiffig…») als auch das Vertrauen in den Anbieter zu stärken («Bei Schwendimann weiss ich, dass sie alles im Griff haben…»).
3)Wertbezogene Qualität: persönliche Überzeugungen bestätigen. Bei der wertbezogenen Qualität möchte der Kunde deutlich spüren, dass er durch die Nutzung nachhaltiger Services aktiv einen Beitrag zur Gesellschaft und für den Erhalt der Umwelt leistet. Dies wird zugleich mit persönlichen Werten wie «Fortschritt» und Offenheit gegenüber Innovationen verknüpft. Die Zielgruppe nachhaltiger Dienstleistungen sieht sich also als innovationsfördernder Konsument und Bürger, der mit gutem Beispiel vorangehen will.

 

Durch die Erwartungen in allen drei Bereichen ist die Einhaltung eines Qualitätsversprechens bei nachhaltigen Dienstleistungen besonders anspruchsvoll. Der Serviceprozess muss «gut», «angenehm» und «sinnstiftend» sein. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Studie auch, dass die Bedeutung von funktionaler im Vergleich zu emotionaler oder sinnstiftender Qualität nicht in allen Situationen gleich ist. Zum einen spielt hier die Marktreife eine Rolle. Ist der Markt wie beim Car Pooling in einer sehr frühen Phase und die Dienstleistung vielen Kunden kaum bekannt, so spielen «Emotionen», d.h. Begeisterung für die Idee an sich und Sinnstiftung eine grosse Rolle. Je reifer der Markt und je mehr Anbieter bereits etabliert sind, desto wichtiger wird die funktionale Qualität der Kernleistung und des Kundenservices. Zum anderen sind die Erwartungen von bestehenden Kunden im Vergleich zu Neukunden unterschiedlich. Neukunden neigen zur «Anspruchsinflation». Sie äussern sehr hohe Qualitätsansprüche, sind dann aber doch nicht bereit ihr Verhalten zugunsten nachhaltiger Dienstleistungen anzupassen. Hier zeigt sich also besonders deutlich das Gefälle zwischen guter Absicht und tatsächlichem Verhalten. Bei bestehenden Kunden hingegen kann verlässlicher von der Qualitätseinschätzung auf das Kaufverhalten geschlossen werden. So gelingt es zum Beispiel dem Recyclingunternehmen Schwendimann, die Erwartungen von 72% der befragten Kunden voll und ganz zu erfüllen oder gar zu übertreffen (Wert 7 auf einer 7erSkala). Die hohe Qualität wird belohnt, da 56% der Kunden angeben, die Werkhöfe mindestens 1x pro Monat oder wöchentlich zum Recyceln aufzusuchen

Management der Qualität nachhaltiger Dienstleistungen
Sind die Qualitätserwartungen aus Kundensicht ermittelt, so sollte die Erfüllung der Ansprüche durch das bestehende Angebot überprüft werden. Im Rahmen unserer Studie wurde dabei zunächst ein Instrument zur Selbsteinschätzung durch das Unternehmen entwickelt (Abbildung 2). Mit Hilfe von je vier «Power Questions» zu den drei Qualitätsbereichen «Funktionen», «Emotionen» und «Werte» kann der Handlungsbedarf eingeschätzt werden. Durch das Ampelsystem erlangt man zuverlässig eine erste Diagnose. Liegen die Durchschnittswerte in allen drei Qualitätsbereichen bei mindestens 5,5 (7er-Skala), so ist kein Handlungsbedarf angezeigt. Das Qualitätsversprechen der nachhaltigen Dienstleistung trifft die Kundenerwartungen. Durchschnittswerte zwischen 4,1 und 5,4 oder gar zwischen 1 und 4 deuten hingegen auf einen mittleren beziehungsweise grossen Optimierungsbedarf. Dies trifft in dem abgebildeten Beispiel sowohl auf die funktionale Qualität (gelb = mittlerer Wert) als auch auf die emotionale Qualität zu (rot = tiefer Wert). Hier sollten zunächst neue Qualitätsziele gesetzt und Massnahmen zur Umsetzung eingeführt werden. Für den Anbieter einer Mitfahrzentrale kann es zum Beispiel sehr wichtig sein, dass die Kunden sich einem Netzwerk Gleichgesinnter emotional zugehörig fühlen und das nötige Vertrauen haben (emotionale Qualität). Die Plattform Hitch Hike, ein Partner des Projektes, sichert dies, indem nicht sie selbst als Vermittlerin von Mitfahrgelegenheiten auftritt, sondern ihre Geschäftskunden. Wenn die Plattform im geschützten Bereich von Hochschulen, Firmen oder Wohngebieten erscheint, wird das Vertrauen und die emotionale Zugehörigkeit zum Kundennetzwerk gestärkt. Besondere Aufmerksamkeit ist zudem möglichen Defiziten bei der funktionalen Qualität der Kernleistung zu widmen. Ein verbreitetes Beispiel ist ein höherer Zeitbedarf der nachhaltigen Dienstleistung im Vergleich zur nicht-nachhaltigen Alternative. Die Partnerfirma Schwendimann betreibt als Franchiselösung gemeinsam mit Partnern das Abfallsammelstellen-Konzept «brings». Um Zeitvorteile für den aktiven Recycling-Kunden zu sichern, können diese alles an einem Ort recyceln (erspart mehrere Anfahrten) und durch die langen Öffnungszeiten freier über ihre Zeit verfügen. Darüber hinaus prüft man derzeit die Einführung eines Abholservices, der weitere Zeitersparnisse sichern würde. Durch den Einsatz von Technologien würde der Kunde (Bestell-App) direkt mit den Dienstleistungspartnern (Transportfirmen, Abfallsammelstellen Betreiber) verbunden.

 

In das Gesamtergebnis gehen schliesslich auch die Antworten auf zwei weitere Fragen ein. So wird im Selbsttest zusätzlich überprüft, wie reif der Markt der betrachteten nachhaltigen Dienstleistungen ist und wie wichtig die Kundenakquisition im Verhältnis zur Pflege bestehender Kundenbeziehungen ist. Die Antworten führen zu einer unterschiedlichen Gewichtung der drei Teilqualitätswerte. Auch wenn der Test zur Selbsteinschätzung eine gute Basis für das Management der Qualität nachhaltiger Dienstleistungen geben kann, ersetzt er die anschliessende Kundenbefragung nicht. Bei der Messung aus Kundensicht ist wichtig, dass Fragen zu den Qualitätsmerkmalen aus allen drei Bereichen berücksichtigt werden: zum funktionalen Nutzen, zur emotionalen und zur wertebezogenen Qualität. Fazit Der branchenübergreifende Trend zu nachhaltigen Dienstleistungen entspricht dem Wunsch der heutigen Konsumentinnen und Konsumenten. Es ist absehbar, dass die Nachfrage in Zukunft weiter steigen wird. Schon heute entstehen zahlreiche innovative Serviceangebote in Bereichen wie «Sharing statt Eigentum», «digital statt Papier», «reparieren statt ersetzen» oder «recyceln statt wegwerfen». Das Qualitätsmanagement als fester Bestandteil der kundenorientierten Unternehmensführung muss auf diese Entwicklung reagieren. Etablierte Instrumente zur Qualitätsplanung, Umsetzung und Messung müssen auf die besonderen Erwartungen der Kunden an nachhaltige Dienstleistungen angepasst werden. Die drei Qualitätsbereiche und das Instrument zur Qualitätsmessung wollen hier einen Beitrag leisten

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