In sechs Schritten zu einem wirkungsvollen Verbesserungsprozesses
Wie gelingt es einem Unternehmen, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu implementieren? An der Hochschule Luzern entwickelte eine Projektgruppe dafür einen einfachen 6-Schritte-Plan. Wichtigstes Merkmal dabei: Es gilt das Wissen und die Kreativität der Mitarbeitenden aktiv in die Prozessgestaltung einzubinden.
Verschwendung aller Art zu vermeiden, ist das Ziel des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Damit erschliesst dieses Instrument, in der Theorie KVP genannt, ein grosses ökonomisches Potenzial. Ein Unternehmen, welches KVP als festen Bestandteil in die Arbeit integrieren kann, schafft eine Kultur von Gewinnern. Das Unternehmen wird laufend optimiert und entwickelt sich durch die aktive Teilnahme all ihrer Mitglieder zur lernenden Organisation. Vorgesetzte können auf mitdenkende und -handelnde Mitarbeitende zählen. Das Personal fühlt sich ernst genommen sowie wertgeschätzt und kann direkt Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsalltags nehmen. Davon profitiert auch der Kunde.
Einleuchtend, aber schwierig
So einleuchtend die Vorzüge der asiatisch-geprägten Verbesserungskultur sind, so schwierig ist diese in der Praxis einzuführen. Eine Projektarbeit, entstanden im Rahmen der Weiterbildung MBA Luzern an der Hochschule Luzern, zeigt auf, wie ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess einfach, nachhaltig und wirkungsvoll in einem Unternehmen verankert werden kann. Die praxisorientierte Fallstudie beleuchtet ein Unternehmen aus der Logistikbranche, deren ökonomisches Umfeld repräsentativ ist für einen Grossteil der Wirtschaft: Es zählt jeder Rappen, entsprechend gross ist der Druck auf die Produktivität. Schnelligkeit um jeden Preis, ein möglichst geringer Personalaufwand sowie weitgehend standardisierte Prozesse sind dabei eine absolute Notwendigkeit. Dies erfordert von den Mitarbeitenden, dass sie mit bestmöglicher Effizienz ihre Arbeit verrichten können.
Die Praxisarbeit zeigt auf, dass es für einen erfolgreichen KVP nicht ausreichend ist, die Massnahmen und die damit verbundenen Zielerwartungen zu «verordnen». Vielmehr gilt es, eine neue Kultur im Unternehmen zu etablieren – eine Verbesserungskultur, welche auf die individuellen Strukturen und Werte des Unternehmens abgestimmt ist. Zudem soll die Integration in die betrieblichen Abläufe so ausgestaltet werden, dass die geforderten Massnahmen für die Mitarbeitenden transparent und einfach umzusetzen sind. Die Projektgruppe der Hochschule Luzern untersuchte vorwiegend das Zusammenspiel von normativen Vorgaben des Managements mit den intrinsischen und extrinsischen Motivationsfaktoren der Angestellten. Diese Erkenntnisse bilden die Basis für die Ausgestaltung der Rahmenbedingungen sowie den prozessualen Umgang mit Verbesserungsvorschlägen.
Befähigung des Personals – Schaffen von Freiräumen
Damit Mitarbeitende ihr direktes Handlungsfeld reflektieren können, benötigen sie Freiräume in Form von Zeit. Das ist die Hauptaufgabe der Vorgesetzten: Sie sind gefordert, trotz kurzfristigen Effizienzeinbussen diese Gestaltungsfreiräume zu schaffen. Gleichzeitig sind sie dazu angehalten, deren sinnvolle Nutzung durch die Mitarbeitenden zu gewährleisten. Dies erfordert von den Führungskräften eine Überzeugung dafür, dass die investierte Zeit gut eingesetzt ist. Daneben übernehmen die Vorgesetzten die Aufgabe der KVP-Coaches. Sie begleiten ihre Mitarbeitenden auf Augenhöhe bei der Reflexion und Findung von Verbesserungsansätzen. Das mittlere Management hat dabei eine Schlüsselfunktion inne. Es muss im kontinuierlichen Verbesserungsprozess die «Chef-Rolle» abstreifen und (vorwiegend) als Methodenexperte die Mitarbeitenden coachen können. Die Vorgesetzten geben regelmässig Impulse und stellen so sicher, dass Verbesserungen als Thema laufend präsent sind. Damit wird die Führungsbeziehung verbessert, das bestätigt die Aussage eines Teamleiters des Logistikunternehmens: «Der KVP eröffnete mir einen direkten Draht zu den Anliegen meiner Mitarbeitenden. »
Themenvielfalt für Denkanstösse nutzen
Die Vorgesetzten lotsen ihre Mitarbeitenden durch die Themenvielfalt des KVP. Sie schärfen das Verständnis und den Blick für mögliche Verbesserungspotenziale:
- Erhöhung der Produktivität (z.B. über Optimierung von Durchlaufzeiten)
- Erhöhung der Flexibilität (z.B. über optimierte Arbeitsinstrumente)
- Erhöhung der Qualität (z.B. über die Optimierung von Zwischen- und Schlusskontrollen)
- Kosteneinsparungen (z.B. durch Prozessautomatisierung)
- Verbesserung der Arbeitsergonomie (z.B. optimaler Einsatz von Hilfsmittel)
- Erhöhung der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit
Dabei sollten die Vorgesetzten jede Gelegenheit nutzen, um KVPThemen anzusprechen und gute Beispiele zu loben. Durch diese aktive und wertschätzende Kommunikationskultur zeigen die Führungspersonen, dass sie ihre Mitarbeitenden als Experten wahrnehmen. Dadurch entsteht bei den Mitarbeitenden ein Verantwortungsbewusstsein für die Prozessqualität.
Operative Schnittstellen – Achillesferse der Prozessoptimierung
Es empfiehlt sich, erste KVP-Aktionen innerhalb einzelner Teams oder Abteilungen zu starten, um erste rasche Erfolge zu realisieren. Firmenübergreifende Gesamtübungen sind schnell zu komplex, zu administrativ und führen nur mit viel Aufwand zu einem Ergebnis. Die Schwachstellen jedes Prozesses sind in den operativen Schnittstellen zu suchen. Exzellente Prozesslandschaften zeichnen sich durch deren rasche Eliminierung aus. Neben dieser rein operationalen Sicht greift damit auch ein kultureller Aspekt – das gemeinsame Lernen. Für Schnittstellenoptimierung werden Vertretende verschiedener Abteilungen zum Austausch eingeladen, gemeinsam arbeiten sie an Verbesserungsvorschlägen. Dieser Austausch baut «Gärtchendenken » ab und fördert die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis.
Das Resultat: In sechs Schritten zum erfolgreichen KVP
Der an der Hochschule Luzern ausgearbeitete operative kontinuierliche Verbesserungsprozess in sechs Schritten ist einfach aufgebaut, transparent und dadurch für die Mitarbeitenden nachvollziehbar. In der Praxis zeigte sich, dass der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle spielt. Nach Eingabe eines Vorschlags muss schnell gehandelt werden. Motivation und Sinnhaftigkeit sinken bei Mitarbeitenden rasch, wenn ihre Vorschläge nicht oder stark zeitverzögert behandelt werden. Deshalb wird auf ein schnelles Feedback der Vorgesetzten (KVP-Coaches) Wert gelegt. Dies schafft die motivierende Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Wichtig ist darauf zu achten, dass die Vorschläge entweder nach kurzer Diskussion (max. 15 Minuten) in Abteilungsmeetings verabschiedet werden oder anstelle dessen zeitnah (innert zwei Tagen) eine Besprechung zum Thema vereinbart wird. Wertschätzung gegenüber jeder Idee, schnelle Reaktionszeiten, kurze Entscheidungswege und KVP-Coaches, die die Diskussionen strukturieren und auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden führen, sind die Erfolgsfaktoren.
1. Eingabe: Mitarbeitende (einzeln oder in Gruppen) reichen ihre Vorschläge/Ideen bei ihren direkten Vorgesetzten ein. Dazu kann das bereits bestehende Vorschlagswesen oder ein Teammeeting genutzt werden.
2. Initialisierung: Die Vorgesetzten sind in der Pflicht, innerhalb von maximal zwei Arbeitstagen den Vorschlag mit den Ideengebenden zu besprechen. Es ist darauf zu achten, dass jeder Vorschlag ernst genommen und seriös bearbeitet wird
3. Abgleich: Die Besprechung soll maximal 15 Minuten dauern. Dabei begegnen sich Mitarbeitende (Experten) und Vorgesetzte (KVP-Coaches) auf Augenhöhe.
4. Entscheidung: Es wird gemeinsam entschieden, ob und wie das Projekt weiterverfolgt werden soll. Dabei wird auch beurteilt, ob für das Projekt (interne) Experten aus anderen Bereichen benötigt werden (z.B. ITFachmann, Controlling etc.), welche ihr Fachwissen zum Thema einbringen können (Fördern des organisationalen Lernens). Die Führungskräfte verantworten dabei in Rücksprache mit den Ideengebenden die Projektkoordination.
5. Umsetzung: Das Thema wird von den Ideengebenden selbstständig oder in einer Arbeitsgruppe bearbeitet. Bei Bedarf unterstützen die Linienverantwortlichen das Projekt hinsichtlich der Methodik (PDCAZyklus). So kann ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet werden, die Mitarbeitenden für zukünftige KVP-Vorhaben zu befähigen. Die Mitarbeitenden sind jedoch jederzeit selber für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts verantwortlich.
6. Abschluss: So wie das Projekt gestartet wurde, wird es auch abgeschlossen. Die Resultate werden gemeinsam beurteilt und bewertet. Im Anschluss sorgen die Vorgesetzen für die Sicherstellung der Kommunikation und Visualisierung. Auf diesem Weg findet echte Wertschätzung mittels «tue Gutes und sprich darüber» statt.
Abschliessend kann nochmals festgehalten werden: Es ist wichtig, dass Unternehmen mit einem KVP nicht lediglich ein Prozessmodul implementieren. Vielmehr gilt es, mit der Integration dieses Ansatzes eine Arbeitskultur aufzubauen, welche die ständige Verbesserung sucht. Dies erfordert – nebst Beharrlichkeit – eine hochgradige innere Überzeugung über Sinn und Nutzen des KVP, verbunden mit einer langfristigen Sichtweise sowie Vertrauen und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Der folgende Kommentar eines betroffenen Mitarbeiters aus dem Fallbeispiel bestätigt: «Meine Anliegen werden nun ernst genommen – und ich profitiere von direkten Verbesserungen in meinem Arbeitsalltag.»