Building Information Modeling (BIM) – ein Spielveränderer?
Bringt BIM die vielerorts wichtige Veränderung für die Bau- und Immobilienbranche? Ist BIM gar der «Game Changer» in einem komplexen wirtschaftlichen Gebilde von Bauherren, Architekten, Planern, Immobilienmanagern? Adrian A. Wildenauer, pom+ Consulting AG, über Hürden und Chancen im Building-Information- Modeling-Kontext.
Es gibt vereinzelte Leuchtturmprojekte, bei denen Bauherren diejenigen sind, die neue Dimensionen schaffen und architektonische Impulse setzen. Man denke nur an Schweizer Pharmafirmen und deren grosse Aufträge im Baselbiet, bei denen Bauherren fest vorge-ben, wie sie die Projekte modelliert und ab-gewickelt haben möchten. – Ein nicht alltäg-licher Paradigmenwechsel, denn normaler-weise sind Betreiber und Planer diejenigen, die den Bauherren die Lösung vorgeben.
«Man könnte es eine ‹Uberisierung› des Bauens nennen, geht man davon aus, dass im Prinzip Fachfremde Änderungen an einem bestehenden System einführen», erklärt Adri-an Wildenauer. Wildenauer, selbsternannter BIM-Enthusiast, studierter Bauingenieur für Baubetrieb und Bauabwicklung, ist sowohl in der Praxis wie in der Forschung tätig. Der Se-nior Consultant im Bereich Digital Real Estate bei der pom+Consulting AG (pom+) meint je-doch, dass auf dem Schweizer Markt BIM-Me-thoden noch immer in den Kinderschuhen stecken.
Neue BIM-Richtlinie
Der BIM-Experte gegenüber Management & Qualität: «Es wird sich in den nächsten Wochen und Monaten jedoch noch viel im BIM-Kon-text ändern.» 2018 erscheint die BIM-Richtlinie der SIA. Diese Guideline wird «vermutlich noch einmal zu einem Schub führen». Generell arbeite jedoch die Schweiz noch daran, wohin sie fachlich im digitalen Kontext möchte. «Das Digitale Manifest für die Schweiz vom Januar 2017 kommt völlig ohne Beteiligte der Immo-bilienindustrie aus», meint der Experte.
Das Fraunhofer-Institut gibt in seiner «FUCON»-Studie an, dass 20 Prozent der am Bau beteiligten diese BIM-Methode (siehe Definition am Textende) gar nicht kennen und «die Planung mit Gebäudeinformations-modellen nicht im Alltag von Planungsbüros
«Die Immobilienszene muss sich weiter bewegen.»
verankert ist. Die meisten Büros sind mit 2D-Dateien und Papierplänen zufrieden und se-hen auch keinen Anlass, sich mit anderen Pla-nungsmethoden zu befassen».
Jedoch fänden es die befragten Fachpla-ner, Wissenschaftler und Ausführenden ziel-führender, «früher in Bauvorhaben integriert zu werden» – aus «Spielregeln für ein erfolg-reiches, integrales Projekt mittels BIM», aus der Zeitschrift «Integrale Planung» (Adrian A. Wildenauer, Mai 2016).
Situation in der Schweiz?
In England ist BIM seit gut 20 Jahren ein Pla-nungstool und «eine Grundeinstellung», be-tont Adrian A. Wildenauer, der längere Zeit in England Grossprojekte betreute. In Deutsch-land und in der Schweiz ist es noch «grundle-gend» anders, hier ist «Digitales Bauen noch Zukunftsmusik» (gleichn. Artikel, Fraunhofer- Institut, August 2015). Hier kommt BIM vor-wiegend nur in Grossprojekten zum Einsatz: «Jedes dritte Unternehmen mit Projektvolu-men von über 25 Millionen € arbeitet bereits nach der BIM-Methode [sic].»
Schweizer Planer erkennen sicher den Mehrwert, der durch digitale Techniken und Methoden erschlossen wird. «Ich denke da an kleine Architekturbüros, die mittels paramet-risierten Daten Varianten einer Wohnüber-bauung durchrechnen. Ich kenne ein Büro, welches sich mittels BIM auf wesentliche Dinge konzentriert – auf das Design der Aussenhülle und die Funktionalitäten der Überbauung.»
Der Senior Consultant im Bereich Digi-tal Real Estate hofft darauf, dass sich der Schweizer Real Estate Sektor weiter öffnet, digital(er) zu werden.
Einheit und Offenheit zeigen
Berücksichtigt man nur schon die Anwen-dungsbereiche, die etwa ein Planer hat, zeigen sich in Sachen BIM diverse neue Möglichkei-ten. Mit Hilfe von BIM-Modellen können etwa Statiker kurzerhand Alternativen berechnen, kritische Stellen in Erdbebenwänden so be-zeichnen, dass die Haustechnikplaner sofort wissen, dass sie diese nicht queren sollten.
Kosten können relativ schnell gerech-net werden, Optionen und Alternativen spe-ditiv aufgezeigt werden. Zu den hinterlegten Kosten könne man auch weitere Koordinaten wie Öko-Daten hinterlegen.
Durch die Visualisierung ist es erst mög-lich, dass auch Architekturstudenten einse-hen, dass beispielsweise ein kegelförmiges Dach einer Kirche sowohl den kostengünstigs-ten wie auch nachhaltigsten Rahmen ent-spricht, unterstreicht der BIM-Experte. Der Berater von pom+ engagiert sich für einen Common Sense beim Einsatz von digitaler Software in der Planung:
«Wir müssen stets, und das vor allem als Ingenieur, hinterfragen und prüfen, ob es funktioniert, sinnvoll und machbar ist. Das wird uns auf absehbare Zeit kein Computer abnehmen können. Sehen wir den Computer und BIM nicht als Feind, der uns die Arbeit- wegnimmt, sondern als denjenigen, der uns lästige Arbeiten abnimmt und dem ich grös sere Aufgaben übertragen kann.»
Adrian A. Wildenauer setzt sich sowohl für kritisches Hinterfragen wie auch für eine einheitliche Kommunikationsbasis ein: «Du kannst nichts bewerten, wenn Du es nicht selbst mindestens einmal gerechnet hast oder ver-stehst, worum es geht in deiner Berechnung.»
Trial & Error – und neue Treiber
Auftraggeber versuchen mehr und mehr den ursprünglichen, unwirtschaftlichen «Trial and Error»-Kreislauf zu vermeiden. «Ich wage die These, dass es mich viel mehr kostet, auf dem bisherigen Weg zu planen und zu bauen, als di-gitale Methoden anzuwenden. Ein Büro, das mit BIM Methodik arbeitet, spart Zeit und Energie, und wahrscheinlich gegen 30 Prozent Kosten bei papierlosen Projekten», kommentiert der Senior-Berater die Schweizer Immobilienszene.
«Die Immobilienszene muss sich weiter bewegen. Sehen wir uns zum Beispiel die preisbereinigte Bruttowertschöpfung seit 1971 an, sehen wir, dass diese in der Immobili-enindustrie rückläufig ist [sic], der Handel hat sich fast verdoppelt, der Finanzsektor sogar verfünffacht.»
Es sei also völlig unnötig, Angst vor der Digitalisierung zu haben. Sie schafft gar mehr Stellen laut einer Deloitte-Studie. «Sollte dies nicht ein Zeichen sein, einfach einmal digitale Techniken zu versuchen?», plädiert der BIM-Experte. Adrian A. Wildenauer weiter: «Wir sollten den Gedanken loslassen, dass wir durch die Digitalisierung redundant werden. Nicht, weil ich digital werde, werde ich red-undant, sondern, wenn ich es nicht tue!»
Qualitative Entwicklungschancen
Wie können etliche Anforderungen der Indus-trie umgesetzt, hierbei wenige Mittel mög-lichst effizient eingesetzt werden? Eine Ent-wicklung betrifft den Qualitätswettbewerb. Fremde Auftraggeber und Bauherren arbeiten hierbei mit Modellen, die immer genauer die Realität abbilden. Es sollte jedoch nicht um die Verwaltung von digitalen Daten, sondern um eine nachvollziehbare Qualitätssteigerung ge-hen. Laut Adrian A. Wildenauer liefern Model-le eine immer bessere Konsistenz und Genau-igkeit, um einen reibungslosen Ablauf von BIM-Projekten sicherzustellen.
«Was mich speziell freut, ist, der regel-rechte Start-up-Boom im Bausektor. Auf dem Sektor der automatisierten Simulationen gibt es beispielsweise neue Horizonte. Hierdurch sieht der Architekt gleich, wie sich das Licht verändert, wenn er eine Wand einzeichnet. Gleichzeitigt können die zu reinigenden Flä-chen und entsprechende Reinigungskosten über den Lebenszyklus hochgerechnet wer-den.»
Eine weitere Entwicklung ist die Robo-tik, die in absehbarer Zeit schwere, komplexe Aufgaben von Bauarbeitern übernehmen wird. Ob analoge oder digitale Projekte, der Bauin-genieur ist zuversichtlich: «Was es jetzt benö-tigt, ist eine universelle Sprache und einheit-liche Begrifflichkeiten im Bausektor. Dies be-dingt aber eine grosse Offenheit. Es bedarf ei-ner klaren, empfängerrelevanten Kommuni-kation, nicht einfach nur Information – dieser Wissenstransfer wird sich hoffentlich dem-
nächst herauskristallisieren!»