Höhere Dichtheits­ anforderungen in der Automobilproduktion

Ob es nun die Dichtheitsanforderungen an einzelne Komponenten sind, die sich verschärfen, oder ob die Stückzahlen dichtheitsrelevanter Komponenten in die Höhe schnellen – für beide Anwendungsfälle gilt, dass die alten Prüfverfahren wie etwa das Wasserbad oder die Druckabfallprüfung schnell an ihre Grenzen stossen. Moderne Methoden, die Prüfgase einsetzen, sind ihnen in Sachen Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit deutlich überlegen.

Höhere Dichtheits­ anforderungen in der Automobilproduktion

 

 

 

Ein Grund für die wachsende Bedeutung der Dichtheitsprüfung im Automobilbau sind die Anforderungen, die sich aus dem Ziel der Emissionsreduzierung bei Kraftstofftanks und -leitungen ergeben. Auch die Wärmetau-scher für Abgasrückführungsanlagen zur Stickoxidreduktion müssen in der Fertigung auf ihre Dichtheit getestet werden. Ebenso bringen neue klimaunschädliche, aber leicht entflammbare Kältemittel wie R1234yf höhe-re Dichtheitsanforderungen mit sich. Und auch bei den Technologien zur Effizienzstei-gerung der Verbrennungsmotoren spielt die Dichtheit von Komponenten eine bedeuten-de Rolle: ob es um die Ladeluftkühler für Tur-bomotoren geht oder um Kraftstoffeinspritz-anlagen. Moderne Diesel-Common-Rail-Sys-teme etwa müssen bei Drücken bis zu 3000 bar dicht sein. Natürlich erstreckt sich die Qualitätssicherung auch auf unmittelbar si-cherheitsrelevante Komponenten wie Brems-kraftverstärker oder die Gasgeneratoren von Airbags. Der Grund für die nun schon mehre-re Jahre andauernden, millionenfachen Air-bag-Rückrufaktionen: In pyrotechnische Gas-generatoren darf während ihres Lebenszyklus keinerlei Luftfeuchtigkeit eindringen.

Beispiel 1: Wärmetauscher
Das Problem bei der Prüfung von Kühlern und Wärmetauschern ist zum einen ihre funktionsbedingte Temperaturempfindlich-keit und zum anderen ihre komplexe Geome-trie. Die Ergebnisse bei einer Wasserbadprü-fung stehen und fallen ohnehin mit der Auf-merksamkeit des menschlichen Prüfers. Wenn dann noch eine komplexe Rippen-struktur des Prüfteils dafür sorgt, dass Was-serblasen zwar aus einem Leck austreten, aber nicht aufsteigen können, weil sie zwischen den Rippen festsitzen, ist die Wasserbadprü-fung natürlich vergeblich. Auch die Druckab-fallprüfung stösst im Kontext von Wärmetau-schern an ihre Grenzen. Die kleinsten Leck­ raten, die durch eine Druckabfallprüfung im Idealfall ermittelbar sind, bewegen sich in ­einer Grössenordnung von 10-3 mbar∙l/s. Aber schon kleinste Temperaturänderungen ver-ändern die Druckunterschiede, die gemessen werden können. Denn wenn die Temperatur während der Prüfung ansteigt, bleiben Lecks unerkannt; fällt die Temperatur, ermittelt die Druckabfallprüfung Phantom-Lecks. Ein Bei-spiel: Wenn in einem Prüfteil mit 3 Litern Vo-lumen und 2,5 bar Luftdruck während eines Messintervalls von 20 Sekunden die Temperatur um nur 0,1 Grad steigt, erhöht dies den Innendruck auf 2,50085 bar. Dies bedeutet, dass jede Leckrate um 0,13 mbar∙l/s (=^ 8 sccm) kleiner erscheint, als sie tatsächlich ist. Die Temperaturdifferenz von 0,1 °C verur-sacht bei der Druckabfallprüfung also einen Messfehler, der hundertmal grösser ist als die Grenzleckrate des Verfahrens.

 

Um Wärmetauscher und Kühler heute zuverlässig prüfen zu können, benutzt man darum Prüfgasmethoden. Als Prüfgase dienen meist Helium oder das handelsübliche For-miergas, ein unbrennbares Gemisch aus 5 % Wasserstoff und 95 % Stickstoff. Automobilzu-lieferer führen bereits heute weltweit jährlich mehr als 800 Millionen Dichtheitsprüfungen an Wärmetauschersystemen durch – von Mo-toröl- und Abgasrückführungskühlern bis zu Radiatoren. Besonders für kleine und mittel-grosse Teile, die lediglich gegen mögliche Öl-oder Wasserlecks getestet werden müssen, empfiehlt sich eine Prüfung in der einfachen und kostengünstigen Akkumulationskammer. Dabei misst man, wie viel Prüfgas aus dem Öl-, Wasser- oder Ladeluftkühler austritt und sich in der Akkumulationskammer über ein be-stimmtes Zeitintervall ansammelt. Die Heli-umprüfung in der Akkumulationskammer er-mittelt in der Praxis Leckraten von bis zu 1∙10-4 mbar∙l/s. Auf diese Weise lassen sich Wasser-dichtheit (Leckraten kleiner 10-2 mbar∙l/s) und Öldichtheit (Leckraten kleiner 10-3 mbar∙l/s) gewährleisten.

Beispiel 2: Die Klimaanlage
Auch Veränderungen im Bereich der Klima-anlagen, die in Autos eingesetzt werden, ver-schärfen die Dichtheitsanforderungen. Denn hoch klimaschädliche fluorierte Treibhaus-gase wie R134a stehen vor ihrem endgültigen Aus. In der EU darf von Januar 2017 an kein neu produzierter PKW mehr R134a als Kälte-mittel in seiner Klimaanlage verwenden. Alternative Lösungen wie das Kältemittel R1234yf sind aber schon bei niedrigen Tem-peraturen brennbar und können unter Hitze-einwirkung zu hochätzender Flusssäure re-agieren. Weil R1234yf kostspieliger als R134a ist, kalkulieren Hersteller zudem gerne mit einer geringeren Reserve an Kältemittel für ihre Anlage, was ebenfalls die Dichtheitsan-forderungen erhöht. Favorisiert wird R1234yf derzeit von Autobauern in Asien und den USA, während unter deutschen Autoherstel-lern Kohlendioxid (CO2) eine populäre Alter-native ist. CO2 stellt allerdings besondere technische Anforderungen an eine Klimaan-lage, weil es mit einem deutlich höheren Be-triebsdruck von bis zu 120 bar eingesetzt wird. So oder so: Die Dichtheitsanforderun-gen an Klimaanlagen und ihre Komponenten steigen. Die alte Faustformel von den 5 g R134a, die pro Jahr und Verbindungsstelle maximal austreten dürfen, ist durch die neu-en Kältemedien überholt.

 

Ein Kältemittelverlust von 5 g/a ent-spricht einer Heliumleckrate von 4∙10-5 mbar∙l/s. Derzeit werden die meisten Kom-ponenten der Klimaanlage – ob Verdampfer, Kondensatoren oder Füllventile – noch gegen Leckraten in einer Grössenordnung von 10-4 bis 10-5 mbar∙l/s geprüft. Für Klimaanlagen-schläuche etwa benutzt man dazu eine Heli-um-Prüfung in der Vakuumkammer. Bei der Helium-Prüfung in der hochdichten Vaku-umkammer wird gemessen, wie viel Helium durch eine Leckstelle aus dem Prüfteil in das Vakuum der Kammer austritt. Gegenüber der Prüfung in der simplen Akkumulationskam-mer hat die Prüfung in der aufwendigen Va-kuumkammer den Vorteil kürzerer Taktzei-ten. Auch die Empfindlichkeit ist höher – un-ter optimalen Bedingungen lassen sich durch die Vakuummethode Leckraten von bis hin-unter zu 1∙10-12 mbar∙l/s ermitteln.

 

Automobilhersteller erwarten zwar, dass der Zulieferer bereits eine Qualitätssi-cherung übernimmt und auf Dichtheit prüft, dennoch ist nach dem Einbau der Klimaanla-ge noch eine Dichtheitsprüfung an den viel-leicht drei bis sechs Verbindungsstellen der Klimaanlage notwendig, die der Autobauer selbst montiert hat. Den Automobilherstel-lern ist darum an einer möglichst geringen Zahl solcher Verbindungsstellen gelegen, zu-mal gerade bei teureren Fahrzeugen mit auf-wendigerer Verschalung zum Innenraum hin diese Stellen nur schwer zugänglich sind. Die Dichtheitsprüfung der Verbindungsstellen findet dann meist in der Endmontage mit ei-nem Schnüffellecksuchgerät statt. Früher wurden als Prüfgase Helium oder Formiergas verwendet, heute weisen Schnüffellecksuch-geräte die jeweiligen Kältemittel aber oft di-rekt nach, indem sie Spuren von ausgetrete-nem R134a, R1234yf oder CO2 messen.

Beispiel 3: Kraftstoffkomponenten und Einspritzanlagen
Generell gelten für Treibstoffsysteme, Kraft-stofftanks und Kraftstoffleitungen immer hö-here Dichtheitsanforderungen. Ein Treiber dafür sind strenge US-amerikanische und be-sonders kalifornische Vorschriften zur Ver-meidung von Kohlenwasserstoffemissionen. Dies macht auch die Verwendung prinzipiell permeabler Kunststoffe problematisch. Kraft-stofftanks und Kraftstoffleitungen werden da-rum heute von vielen Herstellern gegen Leck-raten von 10-4 bis 10-6 mbar∙l/s getestet – was eine integrale Dichtheitsprüfung mit Prüfga-sen erforderlich macht. Für kleinere Teile wie Einspritzventile oder Motorradtanks bietet sich die Helium-Prüfung in der Akkumulati-onskammer an. Weil die Nachweisgrenze der Akkumulationsmethode aber vom freien Vo-lumen der Prüfkammer abhängt, werden sehr grosse Teile mit der Vakuummethode geprüft.

 

Einspritzventile und Benzinpumpen etwa werden mit Helium in der Akkumulati-onskammer gegen Leckraten im Bereich von 10-4 bis 10-5 mbar∙l/s geprüft. Aber moderne Common-Rail-Einspritzeinrichtungen ha-ben wegen der besonders hohen Drücke, mit denen sie betrieben werden, oft noch höhere Dichtheitsanforderungen – die Grenzleck­ raten reichen hier bis zu 10-6 mbar∙l/s.

Beispiel 4: Airbags
Es ist leidlich bekannt: Qualitätsprobleme mit Gasgeneratoren von Airbags haben in jüngerer Zeit zu etlichen – und nicht enden wollenden – Fahrzeugrückrufaktionen geführt. Möchten Zulieferer heute ausschliessen, dass Feuchtig-keit in pyrotechnische Gasgeneratoren ein-dringt, prüfen sie daher meist gegen eine Leck-rate von 10-6 mbar∙l/s. Oft wendet man dazu eine besondere Prüfgas-Methode an: das soge-nannte Bombing. Bei der Bombing-Methode wird der Zünder zunächst in einer Druckkam-mer einem Helium-Überdruck ausgesetzt, so-dass das Prüfgas durch etwaige Lecks in das Prüfteilinnere eindringt. Anschliessend kommt der Zünder in eine Vakuumkammer. Nach der Evakuierung der Vakuumkammer kann das ins Prüfteil eingedrungene Helium in die Kammer austreten und dort von Massen-spektrometern gemessen werden. Noch etwas höher als bei pyrotechnischen Generatoren sind die Dichtheitsanforderungen an Kaltgas-generatoren für Airbags. In ihnen ist meist ein Helium-Argon-Gemisch gespeichert. Damit dieses Gasgemisch bei seiner Freisetzung den Airbag aufblasen kann, steht es unter einem hohen Druck, der mindestens zehn Jahre lang erhalten bleiben muss – manche Hersteller kalkulieren sogar mit mehr als 15 Jahren. Die Dichtheit von Kaltgasgeneratoren wird darum ebenfalls in der Vakuumkammer geprüft, oft gegen eine Leckrate von 10-7 mbar∙l/s. Hier kann der Helium-Anteil des austretenden He-lium-Argon-Gemisches natürlich unmittelbar nachgewiesen werden, ohne den Umweg über das Bombing.

Prüfgasmethoden bleiben unverzichtbar
Sei es die Emissionsreduktion, die Effizienz-steigerung von Verbrennungsmotoren oder die Fahrzeugsicherheit: Die Gründe für die wachsende Bedeutung der Dichtheitsprüfung im Automobilbau sind vielfältig. An moder-nen, prüfgasbasierten Methoden führt für Zu-lieferer und Fahrzeughersteller kein Weg mehr vorbei. Daran werden auch die Antriebe der Zukunft nichts Entscheidendes ändern. Auch auf allen Fertigungsstufen von Batterien für EV/HEV-Fahrzeuge sind Dichtheitsprü-fungen notwendig. Bereits jede einzelne Bat-teriezelle – die später zu Batteriemodulen und anschliessend zu Batterie-Packs zusammen-geschlossen wird – muss zuverlässig gegen ein Eindringen von Luftfeuchtigkeit und Luft ge-schützt sein. Daher werden bereits die einzel-nen Batteriezellen gegen Grenzleckraten 10-5 bis 10-6 mbar∙l/s in der Vakuumkammer ge-prüft. So bleibt die Dichtheitsprüfung mit Prüfgasen für die automobile Fertigung wohl
auch in Zukunft unverzichtbar.

 

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