Steter Tropfen höhlt den Stein

Der Geschäftsbereich Operating (OP) der SBB Personenverkehr hatte es sich zum Ziel gesetzt, mit dem EFQM-Modell den Handlungsbedarf in den Bereichen Kosten, Kundenorientierung und Kultur anzugehen. Der Leiter Qualitätsmanagement erhielt in diesem Zusammenhang freie Hand für die Einführung des Themas «Business Ex-cellence». Dies wird seit 2011 in drei Kursmodulen den Mitarbeitenden vermittelt.

Steter Tropfen höhlt den Stein

 

 

Das erste Ziel des Programms war es, den aktuel-len Reifegrad der Organisation nach dem EFQM-Modell zu bestimmen, also eine interne Stand-ortbestimmung hinsichtlich der Stärken und der Verbesserungspotenziale durchzuführen. Des-halb wurden die Führungskräfte zunächst darin geschult, Assessments nach dem EFQM-Modell durchzuführen. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass die Anwendung des Instruments – und da-mit der technische Aspekt – grundsätzlich ver-standen war. Auf Basis des EFQM-Kriterien­ modells führte der Geschäftsbereich über drei Jahre Selbstbewertungen durch, die unter ande-rem zu Verbesserungen im Prozess- und Projekt-management sowie zum Aufbau eines ersten Stakeholdermanagements führten. Ansporn war der ESPRIX Swiss Award for Excellence. Ein Fina-listenplatz sollte das Projekt krönen. Dieses Ziel wurde erreicht – trotzdem war das Ergebnis die-ser ersten «Fremdbewertung» eher ernüchternd: Die ESPRIX-Assessoren würdigten zwar den ak-tuellen Stand der Verbesserungen und Errun-genschaften, wiesen jedoch auch auf die ungenü-gende Management-Attention sowie eine fehlen-de Ursachen-Wirkungs-Beziehung hin. Deshalb wurde aus dem zeitlich begrenzten Projekt «Business Excellence» nach dem Erreichen des Projektziels (Finalistenplatz beim ESPRIX Swiss Award for Excellence) das in den strate-gischen Handlungsfeldern von OP integrierte Programm Business Excellence (BEx).

 

Nach wie vor finden jährlich Self-Assess-ments statt. Die Assessorenteams setzen sich aus internen Führungskräften und externen EFQM-Assessoren zusammen. Das ermög-licht eine ausgewogene Sicht auf die Dinge. Die Leitung des Geschäftsbereichs entschei-det nach der Analyse des Feedbackberichts­ jeweils, welche Massnahmen für den Ge-schäftsbereich umgesetzt werden. In einem­ der ersten Assessments wurde zum Beispiel kritisiert, dass im Umgang mit den Interes-sensgruppen kein einheitliches Vorgehen vor-handen sei. Daraus resultierte ein OP-weites Stakeholdermanagement nach dem St. Galler Managementmodell, das die sieben Interes-sengruppen Kunden, Mitarbeitende, Staat/ Behörden, Lieferanten, Kapitalgeber, Öffent- lichkeit/Verbände, Mitbewerber umfasst und einen Betreuungsplan enthält.

Modulschulungen
Gleichzeitig wurde die Ausbildungskonzep­ tion komplett überarbeitet, denn eine Orga-nisation, die exzellent werden will, braucht keine «Bewerter», sondern «Umsetzer». Wie bei der «klassischen» EFQM-Assessoren-Aus-bildung wurden die Kenntnisse über das Mo-dell in seinen drei Dimensionen Grundkon-zepte, Kriterienmodell und RADAR-Logik geschult. Allerdings wurde weniger Wert auf die Bewertung eines Unternehmens als viel-mehr auf die Interpretation und Bedeutung der dem Modell und den Konzepten zugrun-de liegenden Ideen gelegt. Aus diesem Grund wurden zunächst zwei Schulungen konzi-piert:

 

-Modul 1: In dieser halbtägigen Schulung werden den Kadermitarbeitern/Führungskräften durch einen externen Spezialisten die Grundkonzepte der Excellence näher gebracht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Philosophie, der Grundhaltung und dem Erfolgsfaktor «Führung». Als Instrument zur Klärung der Ursache-Wirkungsbeziehung dient das EFQM-Kriterium-Modell. Am Ende des Kurses haben die Teilnehmenden eine Vorstellung davon, wie diese Gedanken und Instrumente sie bei ihrer Arbeit unterstützen und wie sie mit ihrer Tätigkeit einen Beitrag zur Zielerreichung von OP leisten können. Zum Beispiel werden die Bedeutung der Führungsarbeit (Wertschätzung, klare Ziele, Vorbildfunktion, Information, Einbezug der Mitarbeitenden usw.), die Notwendigkeit der stetigen Verbesserung und der Kundenorientierung im Alltag hervorgehoben. An einer Modulschulung können max. 12 Personen teilnehmen.

 

-Modul 2: An zwei Halbtagen beschäftigen sich die Führungskräfte (Zielgruppe = mittleres Kader) mit der Ergebnisorientierung. Zwischen den beiden halben Kurstagen liegen ungefähr zwei Wochen, um die Transferaufgabe erledigen zu können. Im Fokus dieser Ausbildung stehen die aus der Vision und der Strategie abgeleiteten Ziele, die mit den Mitarbeitenden entsprechend ihrer Handlungsspielräume vereinbart werden. Die Vision von OP: Als modernster Bahnbetreiber Europas machen wir Bahn für unsere Kunden: sicher, pünktlich, sauber und zu marktfähigen Konditionen. Der Leiter Zugvorbereitung hat also das Ziel, gemäss den Vereinbarungen mit dem Kunden (Service Level Agreement) einen bestimmten Sauberkeitsgrad in den Zügen der SBB zu gewährleisten. Er wird nun seinerseits Messkriterien mit den Teamleitenden an den Standorten vereinbaren, um die gewünschte Sauberkeit zu garantieren. Die Teilnehmenden identifizieren die relevanten Indikatoren für ihre Organisation und bilden diese in einem sogenannten Führungscockpit, ein Steuerungsinstrument zur Abbildung der Kennzahlen, ab. Auf Basis der Grundkonzepte und eines einfachen Führungsmodells entwickeln sie Optimierungspotenziale für die eigene Organisation. Sie verstehen, wie sie die Wirkung von umgesetzten Massnahmen messen und bewerten können.

 

-Modul 3: Diese dritte Modulschulung wurde gleichzeitig mit dem Change-Programm «OP 2016» ins Leben gerufen. Dieses Angebot legte den Fokus auf die Kundenorientierung und die kontinuierliche Entwicklung der Organisation. Das Modul 3 (Dauer: zwei halbe Tage) wurde mit dem Schwerpunkt «Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden» und «die Führungskraft im Spannungsfeld zwischen Mitarbeitenden, Kunden und Umfeld» sowie die Methoden der Unternehmensentwicklung konzipiert. Das Modul 1 ist für Fach-, Basis- und Mittlere Kader gedacht und die Voraussetzung zur Teilnahme am Modul 2 und 3, wobei diese beiden unabhängig voneinander sind, das heisst 3 kann vor 2 besucht werden.

 

Die beiden halben Tage der Modulschulungen 2 und 3 liegen etwa zehn Arbeitstage auseinander und beinhalten Vorbereitungsund Transferaufgaben, denn die Ziele der Schulungen können nur erreicht werden, wenn die Teilnehmer das Gelernte mit den konkreten Erfahrungen ihres Arbeitsalltages verknüpfen. Um eine aktive Mitarbeit zu gewährleisten, sind die Kurse vor allem als Workshops konzipiert. Die Diskussion über das Verstandene und der Austausch der eigenen konkreten Praxisbeispiele verstärken nicht nur das Verständnis für die Konzepte, sondern ermöglichen den Teilnehmern, weitere Führungsmethoden und «best practices» kennenzulernen. Die Zufriedenheit der Teilnehmer mit den Inhalten und mit der Methodik der Kurse ist generell sehr hoch. Sie schätzen insbesondere den Austausch mit den anderen Kollegen und den Praxisbezug.

 

Weiterentwicklung der Module
Die Kurse wurden seit 2011 angeboten und stets den aktuellen Bedürfnissen der Organi-sation angepasst. Das Modul 2 konzentrierte sich zunächst auf die Entwicklung von Füh-rungsinstrumenten, wie z.B. Führungscock-pit und One Pager (Übersicht über alle Di-mensionen der Organisation: Interessens-gruppe, Herausforderungen, Produkte…) und Führungscockpit (relevante Kennzahlen). Es ging vor allem darum, den Fokus auf eine effi-ziente und effektive Zielerreichung zu legen. Daher standen im Mittelpunkt des Kurses die Fragen zum eigenen Cockpit: Messe ich die richtigen Dinge? Was sind relevante Ergeb-nisse? Die letztjährige Weiterentwicklung dieses Kursmoduls berücksichtigte einerseits die Grundsätze der «transformationalen» Führung (siehe Kasten), anderseits das zent-rale Prinzip der ergebnis- und zielorientier-ten Führung.

Lessons learned
Um die Nachhaltigkeit des Erlernten sicherzustellen, ist die Management-Attention nicht nur zu Beginn der Projektphase, sondern auch darüber hinaus wichtig. Daher ist auch nach mehreren Jahren der Beschäftigung mit dem EFQM-Modell eine klare Positionierung erforderlich. Denn gerade bei einem fortgeschrittenen Reifegrad sind «Quick-Wins» nicht mehr leicht zu realisieren. Dadurch werden die Optimierungen als eher zeit- und kraftraubend empfunden. Des Weiteren ist es wichtig, neu eintretenden Mitarbeitern die erworbenen Kenntnisse und die Grundhaltung zu vermitteln.

 

Auch wenn die Mitarbeiter generell von den Kursen begeistert sind und bei Kursende viele neue Ideen in den Köpfen stecken, holt sie der Alltag mit seinen operativen Problemen häufig schnell wieder ein. Daher erkundigt sich die Programmleitung nach drei bis sechs Monaten, ob die im Kurs geplanten Massnahmen tatsächlich erfolgreich umgesetzt werden konnten. Ebenso ist es für die Programmleitung wichtig zu erfahren, wo Schwierigkeiten in der Umsetzung aufgetreten sind und wo die Kader weitere Unterstützung benötigen.

Die Erfolgsfaktoren
Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen der Organisation und dem Dozenten konnten die Modulschulungen genau auf den Bedarf der SBB angepasst werden. Die Beispiele, über die in den Schulungen gesprochen wird, sind sehr praxisorientiert, zum Beispiel

 

  • Wie beziehe ich meine Mitarbeiter in den Zielvereinbarungs- und Überwachungs- prozess ein?
  • Verfüge ich über die für meine Organisati- on relevanten Indikatoren?
  • Wie kann ich meine Vorbildfunktion aktiv wahrnehmen?
  • Kenne ich die aktuellen und künftigen Be- dürfnisse meiner Kunden?

 

Der wichtigste Erfolgsfaktor ist jedoch, dass die Leitung einer Organisation ein klares Ver- ständnis für Business Excellence entwickelt und entsprechende zeitliche und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt. Dadurch entsteht die Möglichkeit, das Gelernte in der Praxis umzusetzen und sich nicht in der ope- rativen Hektik des Alltags zu verlieren.

Ausblick: Die nächsten Schritte
Alle Kurse werden nach wie vor für neu eintre- tende Mitarbeiter angeboten. Durch Anpas- sungen in der Organisation und in der Strategie des Geschäftsbereichs verändern sich auch die Inhalte der Schulungen. Dadurch sollten Mitarbeiter etwa alle drei bis vier Jahre eine Modulschulung wiederholen. Der Geschäfts- bereich nutzt die Grundkonzepte als Leitthe- ma: Jeweils für ein bis zwei Jahre steht ein Grundkonzept im Fokus. Für 2016 war das «Herausragende Ergebnisse erzielen». Die stra- tegischen Herausforderungen des Geschäfts- bereichs hinsichtlich der Beherrschung des Rollmaterials und der Ausrichtung auf einen liberalisierten Markt lassen «Kreativität und Innovation fördern» als das Gebot der Stunde erscheinen. Die Entwicklung eines weiteren Moduls mit diesen Inhalten erscheint daher sinnvoll. Auch haben sich die Führungskräfte gewünscht, die Assessmentmethode auf ihren Bereich bzw. Standort anzuwenden. Dadurch wird ein interner Wettbewerb, zum Beispiel zwischen Standorten einer Organisationsein- heit, möglich.

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