«Das wirklich Herausragende fördern»

Seit 2016 steht Robert Vogel an der Spitze der Stiftung ESPRIX. Er trat die Nachfolge von Dr. Thomas Troger an. Wir befragten ihn zu seiner ersten Bilanz und zu den weiteren Zielen.

«Das wirklich Herausragende fördern»

 

 

Robert Vogel bringt vielfältige Erfahrung als Verwaltungsrat und Vorstandsmitglied aus an-deren Verbänden mit. Über seine Tätigkeit als Präsident von GS1 Switzerland, dem Fachver-band für nachhaltige Wertschöpfungsnetz-werke, kam er mit der Stiftung ESPRIX und damit auch mit dem EFQM-Modell in Berüh-rung. Dem Juristen – er arbeitet als Rechtsan-walt bei swisslegal (Aarau) AG – hat es dieses Modell mit seinen vielfältigen Führungsthe-men sofort angetan.

 

Herr Vogel, inwiefern war vor allem das Thema «Führung» der Anlass für Ihren Einstieg in die Stiftung ESPRIX?
Robert Vogel: Führung hat mich als Thema persönlich schon seit mehreren Jahren interes-siert, gerade auch die Excellence in Verbindung mit dem EFQM-Modell. Im März letzten Jahres war ich einmal mehr zu Gast am ESPRIX Fo-rum for Excellence und wurde da von Dr. Tho-mas Troger, den ich über mein Interesse am Modell schon längere Zeit kannte, angefragt, ob ich sein Nachfolger werden möchte. Er fand die Kombination von Sachorientierung einer-seits mit der Führungsorientierung anderseits in Verbindung mit dem Excellence-Gedanken eine gute Voraussetzung für dieses Amt.

 

Nun sind Sie etwas mehr als ein halbes  Jahr der neue Präsident von ESPRIX. Wie sieht Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Im ersten Halbjahr ging es sicher einmal dar-um, das Tagesgeschäft ein bisschen einschät-zen zu können. In der ersten Sitzung des Stif-tungsrats haben wir zudem zwei Mitglieder verabschieden müssen. Ich habe also schon im Vorfeld Ausschau gehalten, mit welchen neuen Kräften ich den Stiftungsrat verstärken könnte. Ich konnte dann drei neue Mitglieder, Dieter Sommer, CEO Privera AG, Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg, sowie Dr. Ludwig Hasler, vorstellen, sodass wir heute wieder sieben Personen im Stif-tungsrat sind. Diese drei Persönlichkeiten waren für mich spannend, weil sie einen brei-ten Blickwinkel mitbringen. Auch in meiner Tätigkeit in anderen Verwaltungsräten oder bei GS1 war ich immer darauf bedacht, dass man nicht nur den eigenen Branchenfokus einbringt, sondern perspektivisch denkt. Be-triebswirtschaftliche Disziplinen sind das eine und gewiss auch wichtig, doch als Unter-nehmensführer per se muss ich meine Sen-soren vielfältig ausrichten können. Denn in einer Zeit vieler Schlagwörter muss ich beur-teilen können, was davon entscheidend ist und was nicht, und auch disruptive Elemen-te spüren können.

 

Der Stiftungszweck ist ja die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen durch Business Excellence. Was verstehen Sie persönlich unter «Excellence»?
Eigentlich nicht dies, wovon man landläufig bei diesem Begriff ausgeht.

 

Jetzt bin ich mal gespannt …
Ich bin der Meinung, das EFQM-Modell ist ge-nerell eine tolle Sache. Aber – und das ist nun mein Gedankengang – wie lassen sich Stan-dards und Messbarkeit mit Excellence verein-baren? Bis jetzt war ja immer das Thema, dass Excellence dann erreicht ist, wenn ich eine he-rausragende Leistung erbringe im Sinne einer vordefinierten Checkliste, also wenn ich mög-lichst nahe an die erreichbaren 1000 Punkte komme. Das ist sicher eine hervorragende Leis-tung. Aber meine Gedanken gehen in eine wei-tere Richtung: Denn der Wortsinn von «Excel-lence» bedeutet ja «aus allem anderen heraus-ragen». Und dafür gibt es keine Messlatte. Es geht mir also darum, gerade dieses grundsätz-lich nicht messbare «Herausragende» zu för-dern. Man könnte jetzt sagen, das sei nichts an-deres als die Förderung von Kreativität. Andere finden, wenn sich jemand mit seiner ganzen Energie und Leidenschaft für eine Sache auf-opfert, sei vor allem das hervorragend.

 

Also kommt hier eine subjektive Komponente ins Spiel.
Genau. Die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern ist ja – wie Sie gesagt haben – der Stiftungs-zweck. Und dafür ist das EFQM-Modell ein greifbares und hervorragendes Instrument. Ich bin sehr angetan davon, weil es die nicht dele-gierbare Führungsverantwortung ins Zentrum stellt. Für mich ist das eine Philosophie. Sobald es aber zu einer Ideologie werden sollte, wäre dies der erste Schritt zur Zerstörung. Alles in Verbindung mit dem EFQM-Modell ist ein her-vorragender Teil, und wir werden mit der Stif-tung darauf achten, dies über die nächsten Jah-re hinweg weiter zu verbessern.

 

Konkret?
Etwa wollen wir prüfen, ob die Angebotsviel-falt, die aktuell manchmal etwas Verwirrung stiftet, etwas kollaborativer gestaltet werden könnte. Auf der anderen Seite möchte ich quasi eine Komponente «Plus» einführen, welche dem heute zu inflationär verwende-ten Begriff «Excellence» wieder seine ur-sprüngliche Bedeutung zurückgibt – eben:«herausragend».

 

Weshalb muss denn z. B. herausragende Qualität ein erstrebenswertes Ziel sein?
Ich habe mal gelernt: Qualität ist das, was der Kunde will, und nicht das, was der Hersteller meint. Viele Leute haben hier schon grosse Feh-ler gemacht. Ein prominentes Beispiel ist ja Sau-rer: Die haben Lastwagen gebaut, mit denen man schon damals Millionen von Kilometern fahren konnte. Aber bis ein Chauffeur es ge-schafft hat, zwei Millionen Kilometer zurück-zulegen, hat sich sein Arbeitsplatz derart verän-dert – Klimaanlage, Stereoanlage etc. pp. –, dass er kaum mehr bereit war, mit alter, aber wohl noch funktionierender Technologie weiterzu-fahren. Also: Qualität ist, was der Kunde will oder meint zu wollen. Und dort beginnt im Dienstleistungsbereich der Dialog mit dem Kunden und auch die Verantwortung des Dienstleisters: Will er nun wirklich meine Dienstleistung oder habe ich sogar noch etwas, was besser ist für ihn?

 

Mit anderen Worten: Qualität alleine würde sich gar nicht verkaufen?
Qualität ist halt einfach schwer zu definieren. Ich erinnere mich an die Zeit, als alle nach Japan schauten und wissen wollten, wie es die Japa-ner machen. Dann kam China, und alle blickten nach China. Fakt ist: Klar ticken diese Länder anders, setzen auf Kanban-System oder Lean Management. Aber es handelte sich immer auch um boomende Märkte. In einer Phase des Wachstums können Sie jede Führungsphiloso-phie oder Qualitätsvorschrift haben; wenn mir der Kunde die Ware aus den Händen reisst, dann kann ich mich nicht wehren, dann bin ich einfach erfolgreich. Das ist etwas, was wir in Europa ein wenig versäumt haben. Anstatt zu fragen, was die Qualität von morgen ist, haben wir zu sehr geschaut, was in Wachstumsmärk-ten passiert. Und damit liegen wir gedanklich eigentlich zwanzig bis dreissig Jahre zurück. Wir hätten damals unseren Vorsprung nehmen sollen, um weiter darauf aufzubauen. Dann wären wir heute wieder voraus.

 

Vor diesem Hintergrund muss man erst recht– gemäss dem Motto des diesjährigen ESPRIX-Forums – Appetit auf die Zukunft haben?
Wir Schweizer haben einen gewissen Hang, alles immer hinterfragen zu wollen. Wenn jemand mit einer neuen Idee kommt, heisst es immer zuerst: «Warum?» Mit dem Titel der Veranstal-tung wollen wir aber sagen: «Leute, warum nicht?» Wir leben in einer Zeit, in der noch nie eine so hohe Veränderungsfähigkeit notwendig war und in der man auch noch nie so schnell Ver-änderungen vollbringen konnte wie heute.

 

Gute Voraussetzungen also, um die Stiftung ESPRIX weiterzubringen. Mit welchen Mit­ teln?
Wir haben erste Überlegungen zur strategi-schen Ausrichtung gemacht. Das bestehende Modell ist klar, und wir wollen es auch nicht verlassen. Aber – wie gesagt – ich möchte noch ein «Plus». Das kann durchaus in Form einer Art «Predigertätigkeit» bestehen, mit der wir den Menschen aufzeigen: «Seid doch mutig! Habt Appetit auf die Zukunft und nicht Angst davor.» Wir können davon ausgehen, dass noch nie so viel möglich war wie heute. Aber gleichwohl muss ich eine Leidenschaft, eine Überzeugung haben – eine klare Sehnsucht nach dem Horizont.

 

Haben Sie sich auch quantitative Ziele gesetzt, etwa was die Entwicklung der Mitgliederzahlen anbelangt?
Bewusst nicht. Ideen kommen über die Begeis-terung, und über die Begeisterung kommt dann auch die Quantität. Aber es ist ein klares Ziel, noch mehr Leute zu begeistern. Als Stiftung ha-ben wir ja mehrere Einnahmequellen: Einer-seits Assessments sowie Aus- und Weiterbil-dung, aber anderseits immer noch hauptsäch-lich Sponsoring. Da wollen wir versuchen, uns etwas breiter abzustützen, und neue Einnahme-Möglichkeiten erschliessen, um nicht von ein paar wenigen grossen Geldgebern abhängig zu sein.

 

Trotz vieler Aktivitäten von ESPRIX oder auch der SAQ in Sachen EFQM-Modell ist dieses –gemessen am Nutzen, das es einem Unterneh­ men bringen kann – in der Grundgesamtheit aller Schweizer Firmen noch zu wenig verankert. Oder täuscht dieser Eindruck?
Das fällt effektiv auf. Die Community ist relativ klein.

 

Quasi ein kleiner, eingeweihter Zirkel – oder eben halt doch Ideologen?
Klar ist man jeweils stolz, dabei zu sein. Das wä-re eigentlich ein gutes Markenzeichen. Aber ich glaube, wir müssen den Virus noch mehr nach aussen tragen. Das Modell, so wie ich es erlebe, muss man ganz bewusst einsetzen. Das ist ver-bunden mit Aufwand – an Zeit, an Geld und an der Notwendigkeit, die Teams für das Ziel zu begeistern. Deshalb habe ich einen sehr hohen Respekt vor all diesen Unternehmen, welche einen Preis gewinnen.

 

Um diesen Virus weiterzuverbreiten: Hat die Stiftung hierzu schon konkrete Projekte ausgearbeitet?
Anlässlich einer Stiftungsratssitzung im No-vember 2016 machten wir uns diesbezüglich erste Gedanken. Nun wollen wir im ersten Halbjahr 2017 diese Ideen zu Papier bringen und auf einzelne Aktivitäten herunterbrechen.

 

Zum Schluss: Welche Motivation muss eine Organisation mitbringen, um Mitglied bei der Stiftung ESPRIX zu werden?
Ich möchte es nicht nur auf das EFQM-Modell beziehen. Für ein Unternehmen kann eine Mit-gliedschaft auch sonst interessant sein, weil man verschiedene Dienstleistungen beziehen kann und auf eine Community trifft, wo man seinen Betrieb weiterentwickeln kann Perspek-tiven erhält, wohin die Welt sich bewegen kann. Kurz: Die Luft der Excellence schnuppern!

 

 

 

 

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