Simulationsmodelle gegen potenzielle Schäden?
Heute stützen sich Versicherungen auf Cloud-Technologien, spezifische Software und «Echtzeit»-Dienstleistungen, um Kunden vor Schadenereignissen wie zum Beispiel einen ruinösen Betriebsunterbruch zu feien oder sie tunlichst präventiv vorinformieren zu können. Inwiefern schützen digitale Simulationsmodelle gegen Schadensereignisse und Risiken?
Moderne Analytik- und Modellierungslösungen sollen die Leistungs-fähigkeit eines Versicherers steigern und Wettbewerbsvorteile durch exaktere Vorhersagemodelle generieren, die genauere Preisdefinitio-nen und weniger Rückstellungen erlauben. Vermehrt werden leis-tungsstarke Rechenzentrumsleistungen genutzt, um neue, durch das Internet der Dinge initiierte Datenquellen zu generieren. Einige Bei-spiele: Die steigende Bedeutung der Telematik im Automobilsektor, optimierte Wearables im Gesundheitsbereich oder digitale Inventari-sierungen von Smart Homes beziehungsweise Businessbereichen für Sachversicherungen.
Was vor ein paar Jahren noch skeptisch als «Orakeltechnologie» behandelt wurde, hat sich nun als ein hochnützliches Element für Versicherungsunternehmen erwiesen. Hiesige Unternehmen wie Equinix (Schweiz) AG oder die Allianz Suisse bedienen sich im Risiko-alltag und für ausführliche Unternehmensanalysen mit weit ver-knüpften, digitalen Simulationsmodellen.
Kollaborative Technologie
Der Versicherungssektor sieht sich aktuell mit einer erhöhten Kom-plexität, einer gesteigerten Zahl an Regulierungen und erhöhten Kon-sumentenerwartungen konfrontiert. Dabei steigen auch die Anforde-rungen an IT-Systeme und Versicherungseinheiten, die sich effizient und kostengünstig anpassen können.
In letzter Zeit liest man von immer mehr Kooperationen zwi-schen Technologieexperten und Risikoanalysten, die mithilfe von re-dundanten Modellen (siehe z. B. «Satelliten gegen Extremwetterereig-nisse»; MQ 12/2016) immer punktuellere Schadensbegrenzungen und Einschätzungen durchführen können. Eine positive Entwicklung für spezifische «Stakeholder» einer Versicherung ergibt sich beispielswei-se in der Nutzung von Colocation-Standorten.
Mittels ortsunabhängiger Clouds soll ein Optimum an Effizienz, sicher auch an Sicherheit und Verfügbarkeit ausgeschöpft werden.
Die sogenannte Interconnection-Plattform von Equinix (siehe Box) vereinfacht die gemeinsame Nutzung von Daten durch mehrere Mitglieder des internationalen Versicherungsmarkts. Die Marktteil-nehmer werden hierbei motiviert, sich direkt untereinander zu ver-binden, wodurch die Leistung der Systeme zur Risikomodellierung und die Sicherheit bei der Nutzung von Cloud-Technologien «kollabo-rativ» steigen.
Risikomodellierung
Versicherungsexperten rechnen damit, dass durch die jüngsten poli-tischen Weichenstellungen (Brexit, US-Präsident Trump) Populismus und Protektionismus weiteren Auftrieb erhalten und nachteilig auf einzelne Geschäfte abfärben könnten.
Laut dem Kreditversicherer Euler Hermes, einer Tochtergesell-schaft der Allianz Gruppe, wurden seit 2014 weltweit jährlich 600 bis 700 neue Handelsbarrieren eingeführt. Die Sorge um den Zerfall der Eurozone treibt auch die exportorientierte Schweizer Wirtschaft um, wie der Aufstieg dieses Risikos auf Platz 8 im Schweiz-Ranking der
Allianz Suisse zeigt.
Es gibt positive Entwicklungen, aber leider immer auch Schat-tenseiten. Marktveränderungen gelten zurzeit als zweitwichtigstes Unternehmensrisiko in der Schweiz. Um auf solche Veränderungen in Marktbereichen reagieren zu können, sind Unternehmen angewiesen politische Vorhaben und deren Umsetzung genauer zu verfolgen – da-für Ressourcen aufzubringen.
James Maudslay, Global Head of Insurance, Equinix, prognosti-ziert: «Wir entwickeln einen Open Source Service, der die Innovati-onskraft hat, die Arbeit der gesamten Versicherungsbranche zu verän-dern. Da unsere Business-Ecosysteme weiter expandieren, werden sich zwingend auch in anderen Bereichen Netzwerke aus gemeinsam aktiven Partnern bilden.»
Sebastian Pichler, Chief Risk Offizer bei Allianz Suisse, wird deutlicher: «Die Risikomodellierung ist Teil des Kerngeschäfts der Al-lianz Suisse. Technische und regulatorische Änderungen sind dabei zentral. Bei der Modellierung geht es allerdings primär um eine öko-nomische Sicht, bei der Treiber für Schäden, deren Frequenz und Va-riabilität analysiert werden.»
Die Relevanz von Clouds
Mehr noch als politische Risiken fürchten Schweizer Unternehmen einen Betriebsunterbruch. Dies geht aus dem aktuellen «Allianz Risk Barometer 2017» hervor, für den der Industrieversicherer Allianz Glo-bal Corporate & Specialty (AGCS) weltweit mehr als 1200 Risikomana-ger und Versicherungsexperten aus 55 Ländern befragte.
Für Firmen ist neben anderen Risiken ein Unterbruch existenzi-ell einschneidend. «Für Firmen ist neben anderen Risiken ein Unter-bruch in der Wertschöpfungskette existenziell, weil Verpflichtungen weiterlaufen und Erträge ausbleiben», meint Bruno Spicher, Leiter Unternehmensversicherungen der Allianz Suisse. Umsomehr spielen redundante Pozesse und Technologien eine wichtige Rolle.
Aufgrund der Verpflichtung, jegliche Punkte in Sachen Daten-schutz und permanente Sicherheit gegenüber den Kunden zu ge-währleisten, mussten kompatible Businesslösungen gesucht werden. Insbesondere Cloud Computing führt zu vielen Fragen der Datensi-cherheit: «Wer kann im Zweifelsfall (zum Beispiel bei einem Cloud-Computing-Ausfall) den Zugriff auf wichtige Daten sicherstellen? In-wiefern ist die Datensicherheit, insbesondere der Schutz von perso-nenbezogenen Daten gewährleistet?» Cloud Computing bei Allianz Suisse funktioniert heute uneingeschränkt auf den Systemen des Ver-sicherers, damit die von den Kunden anvertrauten Daten immer loka-lisierbar bleiben.
Ermittelte «Emerging Risks»
Die Allianz modelliert Risiken per se. Naturgefahren wie Über-schwemmungen, Stürme, Hagel oder Erdbeben wie Nicht-Katastro-phen-Risiken (z.B. Haftungsfragen, Sachschäden etc.). Dabei werden laufend die Erkenntnisse aus den eigenen Portfolien sowie neue Infor-mationen aus der Versicherungsindustrie und der Wissenschaft auf-genommen und die Modelle optimiert.
Der Versicherer führt regelmässige Analysen zu neuen Risiken, sogenannten «Emerging Risks», durch. Hierzu gehören Studien von Pandemien ebenso wie neuartige Risiken, die sich aus Technologie-einführungen ergeben könnten, siehe etwa die Kontroverse um «kör-perliche Schäden wegen Nanopartikeln». Auf Kundenseite könnten auch Risiken «aus neuen Verhaltensweisen» entstehen.
«So ergeben sich aus der Benutzung von Eigentum durch andere Personen (z.B. Car-Sharing, Vermietung der Wohnung über Airbnb) neue Haftungsfragen, ohne dass sich die klassischen Risiken ändern», kommentiert Sebastian Pichler, Chief Risk Officer bei Allianz Suisse, neue Trends in der Versicherungsbranche.
«Unternehmen weltweit und in der Schweiz stellen sich auf ein Jahr der Unsicherheit ein», ergänzt Bruno Spicher, Risk-Barometer-Experte und Leiter Unternehmensversicherungen der Allianz Suisse. «Schwierig berechenbare rechtliche oder politische Veränderungen sowie das aktuelle Wettbewerbsumfeld bereiten Unternehmen Sor-gen. Zudem erfordern neue Gefahren ein Umdenken im Management von Risiken.»
Die eigene Produktion könne auch durch sogenannte Rückwir-kungsschäden getroffen werden, wenn beispielsweise Zulieferer oder Abnehmer tangiert würden.
Wie gut sind Analysen?
Die Risikolandschaft für Unternehmen wandelt sich nicht zuletzt durch die Digitalisierung und neue Technologien in einem rasanten Tempo. Unternehmen werden zum Beispiel durch enge Lieferketten und Just-in-time-Produktion zunehmend anfälliger für indirekte Störungen ih-rer Betriebsabläufe. Die Quint-essenziellen Fragen heissen daher:
Können jetzt Analytiker durch Risiko Modelling wirklich ei-nen Betriebsunterbruch voraussagen? Welche Kontrollmechanis-men greifen im Versicherungskontext der Allianz Suisse? Bruno Spi-cher, Leiter Unternehmensversicherungen, erläutert in einem kur-zen Mailwechsel:
«Wir analysieren mit dem Kunden seine ganze Wertschöp-fungskette und identifizieren mögliche Risiken. Wir fokussieren auf einzelne Unternehmensbereiche. um ein Gesamtbild zu schaffen. Sollte ein Kunde beispielsweise nur von einem einzigen Lieferanten Waren beziehen (‹Single Sourcing›), ist das ein Risiko. Sollte die Liefe-rung beispielsweise nicht erfolgen, wird die Produktionskette gestört. Wir empfehlen, zum Beispiel Massnahmen wie eine zweite Produkti-on an einem anderen Standort zu organisieren.»
«Es ist wichtig, zwischen evidenten, leicht vorhersagbaren Ereig-nissen und ungewissen Risiken zu unterscheiden», meint der Leiter Sach-Unternehmensversicherungen. Oberstes Ziel der Versicherer sei es, ei-nen Schutz gegen ungewisse Ereignisse zu bieten, die nicht prognosti-ziert werden können, die im Kollektiv jedoch zu tragen kommen.
Trotz vernetzten Technologien wie dem «Internet Of Things» kann ein einzelner Unterbruch leider nicht prognostiziert werden. Versicherungen investieren jedoch in neue Instrumente, die kritische Prozesse möglichst aktuell «einlesen». Ebenso kann Plattformnutzern durch Ereignisvergleiche geholfen werden, anbahnende Schäden zu deuten und zu verhindern.
Moderne Technologien helfen Schäden einzugrenzen, Scha-densphasen zu reduzieren und weitere Konsequenzen zu steuern. Ein universaleres Risikoverständnis ermöglicht es, dass Marktteilnehmer im Bedarfsfall schnell durch Analyse, Beratung und Schadensbeglei-chung reüssieren.