Neue Regelung für «Swiss Made»-Uhren
«Von 50 auf 60 Prozent» lautet die neue Regelung im «Swiss»-Kontext. Ab dem 1. Januar 2017 sollen die Komponenten einer «Swiss Made»-Uhr zu 60 Prozent Schweizer Ursprungs sein. Was heisst das für einen hiesigen Uhrenhersteller, bis er eine Uhr mit teilweise schwer herstellbaren Einzelkomponenten mit dem Swiss-Made-Label bezeichnen darf?
Der «Swiss»-Bonus kann bei Schweizer Uhren bis zu 20 Prozent, bei gewissen mechanischen Uhren sogar bis zu 50 Prozent des Verkaufsprei-ses ausmachen. Wo Gewinne zu erzielen sind, bewegen sich Trittbrettfahrer, Produktefälscher, sicher auch Strategen und Profiteure. Werbung wurde schon immer an ein Produkt oder an ein Qualitätssiegel gekoppelt – doch in der Schweiz regelt nun auch das Gesetz Eigenschaften für ein Statussymbol: die Schweizer Uhr.
Eigentlich schützt ein reglementiertes Label nie ausreichend vor Fälscherorganisati-onen. Es geht eher um eine allgemeingültige Eigenschaft, die mit dem Attribut «Swiss» – einem wesentlich in der Schweiz geschaffe-nen Mehrwert – verbunden wird. Der Ge-brauch unzutreffender «Swiss»-Angaben ist jedoch widerrechtlich, sollte ein geschäftiger Mitläufer die schweizerische Marken- und Qualitätsregelung nicht respektieren.
Bedeutende Kostenunterschiede
Es ist schwierig, zu definieren, was per se der Begriff «Swiss» auf Uhren auszeichnet? So scheint es nach wie vor eine Ermessensfrage, wo bei der 60-Prozent-Regel angesetzt wer-den soll. Bei der Berechnung der 60 Prozent können der Wert der Bestandteile, die Kosten für das Zusammensetzen sowie für For-schung und Entwicklung einfliessen.
Der Produzent bleibt zurzeit an das «Er-gänzende Uhrenabkommen» gebunden, ge-mäss welchem das Uhrwerk Bestandteile von mindestens 50 Prozent des Wertes aus Schweizer Fabrikation enthalten muss (bei der Berechnung dieses Wertanteils «können» die Kosten für das Zusammensetzen mit berücksichtigt werden). Ein Produzent, der die Anforderungen an das Uhrenabkommen erfüllen möchte, könnte unter Umständen auch von grösseren, internationalen Kontin-genten abhängig sein.
Konsequenterweise wurde nun eine Re-gelung eingeführt, die möglichst alle wirt-schaftlichen Kriterien und Entwicklungen be-züglich des Swiss-Made-Labels berücksichtigt.
Wirklich «Swiss Made»?
«Swiss» – für die einen eine Werbephrase, dient es anderen als Herkunfts- und Qualitätsaus-zeichnung. Derzeit erlaubt das Schweizer Ge-setz die Uhrenbezeichnungen «Suisse», «Pro-duit suisse», «Fabriqué en Suisse», «Qualité su-isse» und universale Teminologien wie «Swiss», «Swiss Made» oder «Swiss Movement». Der Be-griff findet sich auf vielen Zeitmessern wieder, in der Regel auf dem Zifferblatt bei der 6.
Umständliche Beschreibungen wie «Fa-briqué en Suisse», «Hergestellt in der Schweiz», sogar «Made in Switzerland» sind aufgrund ihrer Zeichenlänge auf Zifferblättern ungeeig-net. Die quintessenzielle Frage lautet jedoch: Was zeichnet heute eine genuine Schweizer Uhr aus (zumal stets neue Technologien wie Smartwatches aufkommen) ?
Ein Punkt vorneweg: Gegenüber «her-kömmlichen Uhren werden Smartwatches nicht begünstigt», steht es in der neuen Re-gelung (siehe rechts «Inwiefern ist eine Uhr ‹Swiss Made›»?) hinsichtlich der neuen Swiss-Made-Regelung.
Die Regelung wird spätestens bei gro-ssen Schmuck- und Uhrenmessen wie der Ba-selworld 2017 zum springenden Punkt. Es be-stehe sowohl ein Unterschied zwischen zerti-fizierten und erfinderischen Unternehmen wie auch eine Kluft zwischen renommierten Marken und Interessenten, die in der Regel meinen, die Bezeichnung «Swiss» entspreche zu 100 Prozent schweizerischen Leistungen.
Tatsache ist, dass viele Marken – auch Luxusbrands – viele ihrer Uhrenkomponen-ten im Ausland produzieren.
Offizielle Bescheinigungen
Die Federation of the Swiss watch industry (FH) setzt sich zwar fortlaufend ein, schweizerische und andere geografische Angaben, wie zum Beispiel die Ortsbezeichnung Genf, zu schützen. Doch bereits auf dem Web 2.0 greifen die rechtlichen Spiesse der FH zu kurz, zum Beispiel in sich ständig wandelnden Social-Media-Communities. Hier verstecken sich auch Uhrenanbieter aus Billiglohnländern. Aus diesem Zweck wurden die Bezeichnungen «Swiss» und «Schweizer» als Zertifizierungszeichen in den USA und Hongkong durch die Federation registriert. Darüber hinaus wird jede Schweizer Qualitätsuhr mit dem Identifikationskennzeichen (SIP) des Herstellers registriert.
Der SIP-Code ist eine obligatorische Kennzeichnung, die durch die Verordnung über den Schutz von Marken vorgeschrieben ist. Jeder Hersteller, der in der Schweiz produzieren möchte, muss diesen beim Dachverband der schweizerischen Uhrenindustrie registrieren. Seit dem 1.1. 1972 ist der SIP-Code verbindlich. Verzichtet etwa ein Hersteller auf eine Registrierung, müsste er dennoch ein Differenzierungszeichen in Form eines kleinen Dreiecks auf sein Erzeugnis beziehungsweise auf seine Komponenten setzen.
Renommierte Manufakturen differenzieren sich sogar noch deutlicher, indem sie zum Beispiel ein Siegel (siehe Genfer Siegel; Frz. Poinçon de Genève), eine geschützte Qualitätsund Ursprungsbescheinigung für in Genf gebaute und regulierte mechanische Uhren einfügen. Nur wenige Institutionen und Stiftungen können nebst dem C.O.S.C.-Zertifikat ein Siegel eingeben. Gleichwohl sind Zeugnisse über die Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr freiwillig. Die COSC (Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres) ist eine unabhängige Chronometerprüfstelle. Die COSC vergibt Qualitätszertifikate für Chronometer auf der Basis eines standardisierten Messverfahrens nach NIHS 95-11 / ISO 3159.
Genuine Einzigartigkeit
H. Moser & Cie., eine kleine Schaffhauser Manufaktur, deren eigene Produktionsprozesse über 95 Prozent «schweizerisch» sind, würde einen deutlich strengeren Standard in der Uhrenindustrie begrüssen. Edouard Meylan, CEO von H. Moser & Cie., weist darauf hin, dass besonders Kleinunternehmen mit höheren wirtschaftlichen Anforderungen und Regelungen konfrontiert sind.
«Wir glauben fest an Schweizer Werte und wir verteidigen Tag fur Tag die traditio-nelle, mechanische Uhrenherstellung. In un-serer Manufaktur entwerfen, entwickeln und fertigen wir alle unsere Komponenten von A bis Z. Dies gilt auch fur die Spiralen und Regu-lierorgane unseres Schwesterunternehmens Precision Engineering AG.» Alles, was die Ma-nufaktur nicht unternehmensintern herstel-len konne, beziehe das Unternehmen von Schweizer Zulieferern», erlautert der CEO von H. Moser & Cie.
H. Moser fertigt oder verarbeitet 95 Pro-zent ihrer Komponenten in der Schweiz. Trotzdem werde das Swiss-Made-Label von Marken verwendet, welche die neuen Anfor-derungen nur «gerade so» erfullen oder «die von der Flexibilitat des Labels» profitieren und Komponenten im Ausland produzieren. Solche Hersteller verwässern ein «echtes» Image, betont das Uhrenunternehmen in Unternehmensmitteilungen.
Deshalb werde auch die neue «Swiss Made»-Regelung den Kriterien der Schaff-hauser Manufaktur nicht gerecht. Aus diesem Grund hat sich H. Moser & Cie. Anfang 2017 entschieden, auf das «Swiss Made»-Label so-wie andere Namens- oder Wappenhinweise zu verzichten. Ab 2017 soll «Swiss Made» nicht mehr auf dem Zifferblatt der neuen Kreatio-nen von H. Moser & Cie. zu sehen sein. Edou-ard Meylan, CEO von H. Moser & Cie, ist über-zeugt: «Eine H.-Moser-Uhr, ein echtes Traditionsprodukt, das hochste Uhrmacherkunst beweist, spricht für sich selbst.» Sowohl Tradi-tionsunternehmen wie auch die Federation of the Swiss watch industry (FH) sind sich einig: Viele Jahre wurde das «Swiss Made»-Label missbraucht und verallgemeinert. Es heisst, bevorzugt Einstiegsmarken würden «Swiss» auf ihre Uhren schreiben, um damit ihre Exis-tenz oder ihren Preis zu rechtfertigen – Quali-tätsmerkmale sind heute jedoch umfangrei- cher denn je.