«Mussten uns im Branding und in der Kommunikation neu definieren»

Trafo Baden ist, obwohl eher wenig bekannt, eines der grössten Event-, Tagungsund Kongresszentren der Schweiz. Seit zwei Jahren amtet mit Reto Leder ein neuer Geschäftsführer, und dieser baute fast den ganzen Betrieb um.

 

Begleitet wurde CEO Reto Leder in seinem Change-Prozess von Änderungen im Einkaufsverhalten der Gesellschaft, von einem jüngeren und Digital-agileren Zielpublikum und von einem aggressiven Marktumfeld mit neuen Anbietern von Lokalitäten für Firmenevents. Gefragt waren starke Korrekturen im Angebot, in der Kommunikation, im Verkauf, in der operativen Umsetzung und natürlich auch beim Personal.

Dass kürzlich im Business-Hub Zürich zwei grössere Hallen eröffneten, Halle 622 und Samsung Hall, machte den Anteil am Kuchen auch nicht grösser. Und erschwerend ist auch die Tatsache, dass man Baden zwar als Casino-Stadt und ABB-Basis kennt, aber das wars dann auch schon. Baden ist in der öffentlichen Wahrnehmung eine «Provinzstadt » und tut sich gegen die anliegenden Kantonshauptstädte entsprechend schwer. Im Interview erklärt Reto Leder, wie er seinen Betrieb umbaute und welche Ziele er dabei verfolgte.

Sie sind seit acht Jahre beim Trafo Baden tätig, aber erst seit zwei Jahren in der Gesamtverantwortung. Wann realisierten Sie, dass «Change» notwendig ist?

Reto Leder: Das war schon früh ersichtlich. Wir konnten erkennen, wie sich die Gesellschaft, und mit ihr Technologie, Essgewohnheiten und Mobilität, verändert. Die Frage war und ist, wie der Markt, in unserem Fall die Veranstaltungsindustrie, von diesen Änderungen beeinflusst wird und damit unser Geschäft tangiert.

Wie war das «Produkt Trafo» 2012?

Obwohl weniger bekannt als heute, arbeiteten wir schon damals erfolgreich. Wir positionierten uns als Eventhallenvermieterin inklusive Cateringservice; unsere Preisgestaltung stützte sich primär auf die Raumvermietung. Dieses klassische Modell hat an sich gut funktioniert und uns 2015 und 2016 Rekordjahre beschert.

Trotzdem waren sechs Jahre später Korrekturen gefordert, warum?

Ein immer offensichtlicheres Problem war, dass die Eventbranche nur während der Schulmonate lebt. In Ferienzeiten finden wenige bis keine Veranstaltungen statt. Während unsere Kosten über zwölf Monate anfielen, konnten wir nur während neun Monaten wirtschaften. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf Personal- und Liquiditätsplanung.

Was taten Sie dagegen, Sie können ja nicht Ihre Mitarbeitenden drei Monate freistellen?

Stimmt. Da hiesige Firmen und Verbände während der Ferienzeit inaktiv sind, mussten wir versuchen, im Ausland neue Märkte zu finden. Wo würde während der MICE-Zwischensaison eine Nachfrage für Events in der Schweiz ausgelöst werden können?

Sie haben aber bestimmt nicht in China oder in den USA gesucht. War da nicht Deutschland naheliegend?

Nun, wir mussten einen Markt finden, für den Baden als «neue» Tagungsdestination gelten kann und der auch das Gesamtprodukt Schweiz schätzt, durchaus auch aus touristischer Perspektive. Grossbritannien schien uns potenzieller und so bearbeiten wir den MICE-Markt dort ganz gezielt und in Zusammenarbeit mit Zürich Tourismus und einer lokalen Vermarktungsagentur. Nach zwei Jahren Arbeit liegen aus London die ersten Buchungen vor.

Durch diesen Auftritt in England haben Sie noch andere Erkenntnisse gesammelt.

Genau, wir merkten, dass die britischen Kunden mit dem Thema Offerten ganz anders umgehen als wir hier in der Schweiz. Niemand dort hat Zeit oder Lust, reichhaltige und alles umfassende Angebote zu erhalten. Man will schnelle und übersichtliche Zusammenfassungen, ohne schon bei der Offertenabgabe jedes einzelne Element der Veranstaltung behandelt haben zu wollen. Zum Zeitpunkt des Erstkontaktes geht es um Datum, um Fläche und allenfalls um ein paar Schlüsseldienstleistungen; alles muss auf maximal zwei Seiten Platz haben.

Also das berühmte KISS, «keep it short & simple»?

Genau das wird gefordert und es wurde ein zweiter starker Faktor unseres Change-Prozesses. Die Nachfrage in Grossbritannien hat uns dazu gebracht, unser Angebotsvorgehen zu überlegen, zu vereinfachen und besser darzustellen. Und zwar auch im nationalen Markt. Aus unserem eigenen Brainstorming entstand das «Trafo Baden Price Model», welches zu einem zentralen Akquisepunkt werden sollte.

Wie sehen diese Fertiglösungen aus?

Wir produzierten einfache und übersichtliche Pro-Person-Flatrate-Angebote, die den Kunden erlauben, eigenständig und innert Minuten präzise und zuverlässige «Offerten» einzuholen, ohne dass es dazu unsere Mitarbeit braucht. Im Bereich Seminar, beispielsweise, mit Pauschalen auf Stundenbasis und Zusatzleistungen wie Kaffeepausen, Lunchbuffets oder Apéros. Immer inklusive sind Gratis-WLAN, Mineralwasser und Kaffee. So kann der Kunde vorerst ohne Kontakt mit uns budgetieren und später auch die Abrechnung des Events schnell kontrollieren.

Dann sparen also sowohl Kunde wie auch Ihr Verkaufspersonal Arbeitszeit?

Und wie! Denn häufig gehen immer die gleichen sich wiederholenden Fragen und Antworten einem ernsthaften Angebot voraus. Dazu braucht es nicht Personal, das sich unzählige «Q&A-E-Mails» hin- und herschickt.

Neben den zwei wichtigen Korrekturen – zusätzlicher Markt und vereinfachte Angebote – lösten Sie noch einen dritten wichtigen Change aus.

Genau. Wir mussten uns auch im Branding und in der Kommunikation neu definieren. Früher waren wir Hallenvermieterin mit Zusatzleistungen, neu stellen wir uns als Cateringunternehmen mit eigenen Hallen auf. Das mag lapidar klingen, hat aber Einfluss auf unseren Auftritt und die Wahrnehmung seitens der Kunden. Denn damit vermieten wir nicht einfach Fläche, sondern sind gefordert, mit hoher Dienstleistungsqualität, Kreativität und Multifunktionalität aufzutreten.

Das bedeutet wohl, dass Sie Ihrem eigenen Produkt viel kritischer gegenüberstehen?

Ja, wir konnten einfach nicht länger leere Hallen vermieten und dann hoffen, dass uns die Kunden «sexy» finden. Und so haben wir uns überlegt, wie wir unser Produkt mit Zusatzleistungen attraktiver machen können. Ein Thema war der Ausbau unseres Cateringangebotes mit viel gesünderen, alternativen und farblich verführerisch dargestellten Verpflegungselementen. Ein anderes Thema war die technische Infrastruktur, die sich den neuen Bedürfnissen anzupassen hatte. In Zusammenarbeit mit dem Spezialisten Habegger konnten wir mit der eigenfinanzierten Installation eines modernsten Grundpaketes (Stichworte Bild, Ton, Licht, Mikrofone, Lautsprecher usw.) die Technikkosten für die Endkunden massiv senken.

Sie reden auch von der Halle 37 mit einem neuen technischen Prunkstück?

Darauf sind wir auch stolz. Wir haben dort eine neue 45 m2-grosse LED-Wand installiert; ein eindrückliches Hilfsmittel für Kommunikation und Unterhaltung. Und das Beste daran ist, die Nutzung ist sehr preisattraktiv, auch weil man die LED-Wand schon für gerade mal fünfzehn Minuten mieten kann.

Diese Änderungen innert knapp zwei Jahren hatten sicher auch Einfluss auf die Mitarbeitenden. Wie hat sich das geäussert und welche Konsequenzen ergaben sich?

Die neue Philosophie löste natürlich Überlegungen über die vorhandenen oder fehlenden Kompetenzen aus. Und es gab auch Mitarbeitende, denen weder die neuen Ideen noch mein «neuer» Führungsstil gefielen. Auch unterstützt durch normale Prozesse wie Pensionierung resultierte daraus im vergangenen Jahr ein Mitarbeiterwechsel von fast 50 % der Festangestellten. Bedauerlich, aber notwendig.

Ihre Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, sind Sie mit dem Status quo trotzdem zufrieden?

Es gab noch weitere Korrekturen, beispielsweise die Einführung eines neuen Reservationssystems oder die Digitalisierung der Arbeitszeiterfassung mit Fingerprint-Identifikation, die mit der Lohnsoftware verbunden ist. Dazu kommt, dass die Entwicklung eines neuen Marktes mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Wichtig ist aber, dass unser neues transparentes Angebotssystem gefällt und die neuen Kundenkanäle zu funktionieren scheinen. Nur so ist eine Zunahme von 33 % mehr Anfragen zu erklären. Wir sind definitiv auf dem richtigen Weg. Vollends zufrieden mit meinem Change-Management kann ich aber erst dann sein, wenn bewiesen ist, dass die ganzen Änderungen die finanzielle Performance des Trafo Baden nachhaltig verbessert haben.

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