SCRUM und mobil-flexibles Arbeiten – ein Widerspruch?
Der agilen Software-Entwicklung in verteilten Teams müssen sich in Zukunft viele Unternehmen stellen. Der Autor beleuchtet einige Herausforderungen der nächsten Generation des Projektmanagements in der Praxis und zeigt Lösungsansätze auf.
Die agile Software-Entwicklung ist ein An-satz, der Transparenz und Flexibilität erhöht. Er läuft möglichst einfach und schrittweise ab: selbstorganisierte Teams gehen iterativ und inkrementell vor und passen sich an Ver-änderungen an, ohne das Fehlerrisiko zu er-höhen. SCRUM beruht auf der Erfahrung, dass viele Entwicklungsprojekte zu komplex sind, um in einen vollumfänglichen Plan ge-fasst werden zu können. Die Vorteile dieser Vorgehensweise: Die Risiken im Entwick-lungsprozess werden minimiert und es wer-den Kosten- und Zeit-Ersparnisse erzielt.
Diesem Trend steht die starke Zunah-me von Outsourcing in der IT-Industrie ge-genüber. Verteilte Teams kommen in Unter-nehmungen innerhalb der Schweiz wie auch im Nearshoring vor. Sie entstehen, weil Know-how nicht vor Ort verfügbar, oder die-ses andernorts günstiger zu haben ist. Folg-lich stellen sich Fragen: Wie passen Distanz und enge Zusammenarbeit zueinander und steht der Einsatz von SCRUM und verteilten Teams sogar im Widerspruch?
Herausforderungen und Lösungsansätze für die Praxis
Wenn Nearshoring ein Bestandteil von virtu-ellen Teams ist, stellt sich die Frage nach der Aufbau-Organisation: Will das Unternehmen eine eigene Niederlassung gründen oder will es auf vorhandene Angebote ansässiger Un-ternehmen setzen? Natürlich ist auch die Kombination beider Varianten möglich. Ent-schliesst sich die Unternehmung für eine ei-gene Niederlassung, bedingt dies Anpassun-gen bei allen relevanten Unternehmenspro-zessen. Die Kommunikation mit dem Near shoring-Team muss etabliert werden, was al-lenfalls die Umstellung der Unternehmens-sprache in eine Projektsprache bedeutet. Ebenso erfolgt der Aufbau von Hard- und Software mit einer Kommunikationsplatt-form in unterschiedlicher Ausprägung. Eine weitere Herausforderung ist die Erfahrung des Teams mit SCRUM. Ideal, wenn dieses über eine gewisse Erfahrung oder zumindest Know-how in SCRUM aufweist. Die vorgängi-ge SCRUM-Schulung für alle Projektbeteilig-ten ist also zwingend.
Technische Voraussetzungen und Kommunikation: Bausteine für gute Arbeitsresultate
Bedingt durch die vielen und unterschiedli-chen SCRUM-Team-Meetings erhält die tech-nische Unterstützung der Kommunikation eine grosse Bedeutung. Mit dem Einsatz eines Videokonferenz-Systems, das auf einer stabi-len IT-Lösung basiert, kann direkt auf die Menschen, die Kommunikation und die Re-sultate fokussiert und die Effizienz im Ar-beitsprozess erhöht werden.
Sprachliche Hürden elegant in die Kompetenz-Erweiterung packen
Die Anforderungen beim Kunden sind meist in der Landessprache aufgenommen und müssen für verteilte Teams in die Projektsprache übersetzt werden. Die fremdsprachigen Teams wiederum interpretie-ren diese in der jeweiligen Landessprache und setzen sie nach ihrem Verständnis um. Da die Fachgebiete meist mit dem Geschäft des Kun-den gemischt sind, müssen die Team-Mitglieder auch darin, in der Projektsprache, geschult werden. So werden die Kompetenzen aller im Team erweitert.
Unterschiedliche Kulturen fordern Respekt, Vertrauen und eine gute Kommunikation
Virtuelle Teams müssen sich regelmässig in-touch, face-to-face begeg-nen. In gemeinsamen Projektwochen mit Schulungen, Projektarbei-ten und bei Social Events entstehen persönliche Beziehungen, trotz unterschiedlicher Kulturen. So wachsen Respekt und Vertrauen als gute Grundlagen für das Zusammenarbeiten. Projekterfolge entste-hen dann, wenn die einzelnen Arbeitsresultate entlang des ganzen Wertschöpfungsprozesses aufs Ziel ausgerichtet sind.
Eigendynamik in selbstorganisierten Teams
Entgegen der schweizerischen Kultur können Mitglieder in Near shoring-Teams noch von einem stark hierarchischen Denken geprägt sein. Übernimmt in einem selbstorganisierten SCRUM-Entwick-lungsteam ein Mitglied eine Führungsrolle, kann das bewirken, dass die Resultate nicht mit der vorgegebenen Software-Architektur über-einstimmen. Hier helfen feste Vorgaben, was die Ziel-Architektur be-trifft, Vereinbarung der Ansprechzeiten der verschiedenen Teammit-glieder sowie Verhaltensregeln bei Terminen. Langsam kann so die Selbstverantwortung aufgebaut und mittels Richtlinien und Stan-dards «heran-gecoacht» werden.
Wirksames Management – eine neue Rolle für den SCRUM-Master
Im verteilten Team spielt der SCRUM-Master eine Schlüsselrolle. Er muss dafür besorgt sein, dass Team und Resultate stimmen. Ideal; wenn seine Rolle mit derjenigen des Nearshore-Managers vereint, was nicht üblich, aber durchaus wirksam ist. Je dynamischer und flexibler sein Team auf der Welt verteilt arbeitet, umso mehr helfen einige Manage-ment-Regeln. Er muss:
- Strukturen und Regeln für die Zusammenarbeit der Teams festlegen
- Für alle Meetings klare Agenden zusammenstellen (lassen) und da-nach die schriftliche Zusammenfassung verlangen
- Faire Zeit-Zonen-Rotationen etablieren
- Vertrauen und Selbstvertrauen sowie persönliche Beziehungen auf-bauen
- Sprachschwierigkeiten ausräumen und eine Fragekultur fördern
SCRUM in verteilten Teams – ein Fazit
Auf den ersten Blick stehen Konstellationen verteilter Teams im Wi-derspruch zu SCRUM. Es scheint offensichtlich, dass ein eingespiel-tes Team, das in einem Raum sitzt, wesentlich produktiver ist als bei anderen Arten der Zusammenarbeit. Dennoch steht SCRUM dazu nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: SCRUM kann helfen, die Schwierigkeiten bei virtuellen Teams zu verkleinern. Oft wird SC-RUM als Softwareentwicklungs-Methode angesehen. Aber präzise formuliert: SCRUM zeigt nicht, wie Software zu entwickeln ist, son-dern wie sich ein Team organisieren soll. SCRUM ist im eigentlichen Sinn ein Management-Framework, welches teamzentriert das Ziel verfolgt, kundenorientiert und iterativ Produkte zu erstellen. Und, SCRUM reduziert die Komplexität der Aufgabe nicht, strukturiert sie aber in kleinere und weniger komplexe Bestandteile. Ein Einsatz von SCRUM ist eine zwingende Voraussetzung, damit verteilte Teams überhaupt erfolgreich zusammenarbeiten können.