Eine globalere Sicht der Dinge
Einige Experten betonen, dass die Zölle, gemessen an der Grösse der US-Wirtschaft, eigentlich von geringem Gewicht bezüglich weltweiten Wirtschaftsschwankungen seien, doch könnte es sein, dass sich die Weltmächte, die USA, China sowie die EU wirtschaftlich gegenseitig ausbooten.
US-Zölle von 50 Mrd. Dollar hier oder 100 Mrd. Dollar dort – ganz zu schweigen von EU-Zöllen von bis zu 2,8 Mrd. Euro – seien gemäss Experten nicht einmal Rundungsdifferenzen im global gesehenen Welthandel. Auch die Ökonomen der Beratungsfirma Capital Eco-nomics weisen auf die zumindest vorläufig «geringen» Summen hin:
Selbst wenn alle protektionistischen Massnahmen, die von den Beteiligten bisher angedroht wurden, ergriffen werden sollten, würde es das globale Bruttoinlandprodukt um deutlich weniger als ein hal-bes Prozent drücken, meinen die Chefökonomen von Capital Eco nomics in London.
«Die USA beabsichtigt nicht einfach, nett zu verhandeln.»
Doch es gibt auch andere Seiten, die von einer zusätzlichen Belastung aller US-Importe von zehn Prozent ausgehen. Sollten in Zukunft Weltmarkt-dominierende Länder mit hohen «Vergeltungszöllen» reagieren, könnte eine globale Rezession drohen. Dieses Szenario sei aber unwahrscheinlicher, meint Martin Naville, CEO der SwissAmerican Chamber of Commerce, in Zürich.
– Wie verheerend könnten sich diese hochgeschraubten Zölle der USA und der EU auf die Wirtschaftsleistung von Schweizer Unternehmen auswirken?
Herr Naville, notiert man die staatlichen Schutzzölle in China, sind die angedrohten Regulativa der USA gegenüber dem Welthandel nicht schon längst überfällig?
Dass die USA dieses Ungleichgewicht an Schutzzöllen nicht länger akzeptieren, ist nicht erstaunlich. Eine entsprechende Herabsetzung einzelner Zölle kann wohl kaum bei der World Trade Organization WTO durch die USA verhandelt werden. Deshalb geht jetzt die Trump-Administration mit kurzfristigen Drohungen und punktuellen Massnahmen gegen seine Konkurrenten vor. Langfristiges
Ziel ist wohl die Senkung aller Zölle bei allen Wirtschaftsmächten – nicht die Errichtung zusätzlicher Handelsbarrieren.
Wie verteilen sich denn die Zölle grundsätzlich?
Im weltweit gewichteten Handelspaket fordert die USA Zölle gegen 3,5 Prozent, die EU 5,2 Prozent und China 9,9 Prozent. Das heisst: China fordert drei Mal mehr als die Staaten. In der Tat ist die heutige Situation nicht austariert.
«Ziel ist es wohl, alle Zölle zu senken.»
Wo könnte Donald Trump mit seinem Votum – oder ist es pure Rhetorik – für den völlig freien Handel letztlich hinsteuern?
Ich würde sagen, die USA beabsichtigt nicht einfach, nett zu verhandeln. Es geht um zwei Dinge: Wenn China beispielsweise staatlich gefördertes Dumping in der Stahlindustrie betreibt, anderswo ein Gros an Stellen verloren geht, fordert die USA zuerst einmal gleichlange Spiesse.
Zweitens darf es nicht sein, dass Staatssubventionen in den USA und in der EU verpönt sind, während China kaum durch die WTO gemassregelt wird. Die Welt bräuchte bilateral-symmetrische Verträge.
Turbulente Zeiten für Schweizer Exporteure?
Zwischen Globalisierung und Protektionismus: Welche Bedrohungen und Opportunitäten erwarten international aktive Schweizer Fir-men? Diese Frage beantworten die Wirtschaftsprofessoren Simon J. Evenett (Universität StGallen). und Patrick Ziltener (Universität Zü-rich) in ihrer jüngsten Studie für Switzerland Global Enterprise (S-GE). Daniel Küng, CEO von Switzerland Global Enterprise, kommentiert: «Die Studie der beiden Experten zeigt: Exporteure sollten die grossen Schlagzeilen mit Vorsicht geniessen. Im Einzelfall könnten neue Ab-kommen im Asien-Pazifik-Raum oder in Lateinamerika vielleicht Die Einzigen, die sich in Richtung «Zero Trade» (Anm. d. Red.: weltweite Schutzzoll-Nihilierung) durchsetzen könnten, sind zurzeit die USA.
Die USA sind der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz. Sehen Sie bei zu rigorosen Zöllen noch Handlungsspielraum für ge-wisse Schweizer Sektoren?
Im Moment machen die direkten Zölle keinen Unterschied. Allenfalls wirkt sich zurzeit der amerikanische Stahl- und Aluminiumpreis auf Wertschöpfungsketten multinationaler Industriezweige der Schweiz aus. Dies ist volkswirtschaftlich gesehen noch lange kein «Wirtschafts-krieg», aber für die Betroffenen ärgerlich.
Falls sich aber die Massnahmen und Gegenmassnahmen weiter hochschauklen würden, wäre dies für die exportorientierte Schwei-zer Wirtschaft eine grosse Gefahr.
Gibt es möglicherweise gar positive Effekte dieses Handelsstreits?
Sollte – zwischen all dem medialen Getöse – durch die Verhandlungen eine neue Handelsstruktur mit angepassten Zöllen und besser austa-rierten Regeln entstehen, könnten die Marktteilnehmenden gewin-nen.
Abschliessend: Welche Mittel könnten Risikobeauftragte gegen zu einseitige Schutzzölle ergreifen?
Die heutigen Ereignisse werden Manager nützen, um neue Szenarien zu entwickeln. Solche werden sicher auch die Wertschöpfung in den grössten Märkten betreffen, um hierbei die Importe und damit verbundenen Zölle zu minimieren. mehr Einfluss haben als die Zollpolitik der USA oder Chinas. Gleich-zeitig schafft die Globalisierung stets neue Opportunitäten. Es laufen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen oder es treten Handels erleichterungen in Kraft, die Schweizer Firmen nützen könnten. Wir raten Exporteuren dazu, zu analysieren, was sich im Detail vor Ort für sie verändert – und weiter mutig ihr internationales Business voran- zutreiben!»