Wie Industrieunter-nehmen die Digitali-sierung umsetzen
Digitalisierung hier, Digitalisierung dort. Es ist das Kernthema unserer Zeit. Es wird viel publiziert, referiert und geschult. Alles gut und richtig so. Doch was wird in der Praxis effektiv unternommen? Erfreulich viel, wie Beispiele zeigen.
Die Digitalisierung ist in Wirtschaft und Ge-sellschaft angekommen. Weil man vor ihr nicht davonlaufen kann, muss man sie anpa-cken. Vorsichtig tastend die einen, mutig forsch die anderen, sind Unternehmer daran, dies zu tun. Noch ist der Stand der Durch-dringung unterschiedlich. Im Vorteil sind sicher jene, die ihr Geschäftsmodell vom Markt her anpassen müssen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gibt aber auch Vorreiter, darunter fortschrittliche KMU, welche die Sache proaktiv umsetzen.
Vier Wegmarken im Vorgehen
Diese Unternehmen nutzen die gebotenen Möglichkeiten aus der Digitalisierung, indem sie ihre Systeme und Prozesse entsprechend anpassen und fortentwickeln. Verbessern, strukturieren, vereinfachen, standardisieren, transparent machen, Zugriff ermöglichen: Das sind die entscheidenden Wegbegleiter dazu. Bei dieser Transformation setzen sie in der Regel die folgenden Marksteine:
- Sie schaffen die technischen Voraussetzun-gen durch Investitionen in die ICT-Infra-struktur. Denn: Ohne geeignete Technik geht nichts.
- Sie erkennen die Notwendigkeit, über Soft-ware-Spezialisten zu verfügen, die Mass arbeit leisten. Denn: Anwenden ist das eine, programmieren das andere.
- Sie befähigen ihre Mitarbeitenden in der stufengerechten Anwendung der geschaf-fenen Tools. Denn: Die Digitalisierung be-trifft alle.
- Gut instruierte Mitarbeitende nutzen In frastruktur und Software aber erst optimal, wenn der Umgang damit Spass macht. Und Freude bereitet nur, was überzeugt. Damit öffnen diese Unternehmen das Tor zu einer neuen Arbeitskultur, die weit über die ICT hinausreicht. Denn: Motivieren kann nur, was überzeugt.
Vier Beispiele aus der Industriepraxis
Zahlreiche Unternehmen sind in diesem Wandlungsprozess weit fortgeschritten. Wir beobachten das auch im Rahmen unserer Audits bei SQS-zertifizierten Industriebetrieben. Vier Beispiele veranschaulichen, wie die Praxis Prozesse digitalisiert. Konkret!
Agathon AG, Bellach
Unternehmer und CEO Michael Merkle treibt die Digitalisierung bei Agathon (200 Mitarbei-tende) mit der Integration der Möglichkeiten aus der Industrie 4.0 weiter voran. Er sagt: «Schon heute ist es möglich, aus unseren Anla-gen 300 Daten für die Weiterverarbeitung zu gewinnen. Bereits bestehende Applikationen wie Teilefluss, Qualität, Service auf der Basis von ‹Predictive Maintenance› werden perfekti-oniert. An der EMO im September 2017 in Hannover trat Agathon mit weiteren Neue-rungen punkto Produktivität der Maschinen auf. Qualität heisst bei uns einerseits höchste Genauigkeit im Toleranzbereich von einem
Tausendstel Millimeter, und zwar kontinuier-lich gleichbleibend. Andererseits aber auch in-tuitive und einfache Bedienbarkeit sowie ein weltweiter Service, mit Reaktionszeiten, die den Vorstellungen der Kunden entsprechen. Überdies: Agathon-Maschinen sind rückwärts kompatibel. Wer eine bestehende Maschine durch eine der neusten Generation ersetzt, profitiert davon, dass die neue Maschine die Programme der alten Maschine ‹versteht› und dass auch die Werkzeuge der alten Maschinen auf den neuen eingesetzt werden können».
LCA Automation AG, Küssnacht a.R.
Unternehmer und CEO Dr. Christoph A. P. Rennhard hat die Digitalisierung in seinem Be-trieb mit 100 Mitarbeitenden «stark forciert», wie er betont. «Unser Vorteil als Automations-spezialist ist, dass wir alle Kompetenzen im eigenen Hause haben: Datenbankanbindun-gen, Energieverbrauchauswertungen, Kom-munikationsnetze in der Firma, aber auch zu Kunden über sogenannte Monitoring- oder Remote-Access-Systeme. Bei LCA wird das HMI (Human Machine Interface) kundenspe-zifisch entwickelt. Dazu gehört eine Auswer-tung, die sich über die ganze Anlage erstreckt. Unser HMI ist ein Touchscreen, mit welchem die Anlageninformationen auf mehreren Ebe-nen kommuniziert werden können: auf der Bedienerebene (Produktionsinformation: Typ, Stückzahlen, Ausschussraten), auf der Werksleiterebene (Produktivität, Vergleich pro Schicht, Zukunftsplanung) und auf speziellen Ebenen für die Software (Auslesen von Fehler-speichern usw.). Wir verfügen über Anlagen, wo Produktionskennzahlen auf eine Daten-bank geschrieben werden, und eine Software, die Zahlen statistisch auswertet. Damit wird die Prozessbeherrschung dokumentiert. Das ist eine typische Anwendung. Prozesskontrolle führen wir seit einiger Zeit mittels Auswertung der Antriebsdaten von Antrieben und visuel-len Kontrollen durch Kameras durch. Die heu-tigen Geräte, allen voran Tablets, bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, diese Daten dar-zustellen und auszuwerten».
Trisa AG, Triengen
Gemäss Unternehmer und CEO Adrian Pfen-niger hat Trisa «einen hohen Stand der Digi-talisierung» erreicht. Er illustriert diese stra-tegische Ausrichtung des traditionsreichen Familienunternehmens mit 1000 Mitarbei-tenden anhand von drei Beispielen: «Erstens verfügen wir bereits heute über eine ausser-ordentlich hohe Dichte an Industrierobo-tern. Wir konnten dieses Niveau glücklicher-weise in einer Wachstumsphase erreichen und haben gleichzeitig auch mitarbeitermäs sig zugelegt. Diesen Weg verfolgen wir kon-sequent weiter. Hilfreich sind für uns dabei die Experimentierfreude und die Nähe zur Innovation.
Zweitens: Seit über einem Jahr ist das neue Hochregallager im Betrieb – ein Parade-beispiel der Digitalisierung. Es läuft vollauto-matisch und optimiert sich nachts selber.
Drittens: In einer Grossinitiative sind wir im Begriff, in den Jahren 2017 bis 2019 weitere Digitalisierungsschritte umzusetzen. Punkto IT-Manpower sind wir im Vorteil, denn unser Kerngeschäft bedingt seit jeher hochstehende Technologien. Schon damals, in den Anfangszeiten der Computerisierung, bewegte sich Trisa an vorderster Front. Später kamen die Industrieroboter hinzu. Hier ha-ben wir grosses Wissen erarbeitet.»
Thermoplan AG, Weggis
Adrian Steiner, CEO und Partner des Kaffee-maschinen-Herstellers Thermoplan mit 290 Mitarbeitenden: «Seit Jahren kommunizieren unsere Maschinen über eine Cloud zum End-kunden und zu uns in die Fabrik – weltweit. Bei 97 % Exportanteil und installierten Ma-schinen in 72 Ländern ist das erforderlich. Al-lein bei Starbucks stehen etwa 50 000 Ma-schinen im Einsatz. Um Zuverlässigkeit zu ge-währleisten, brauchen wir die Informationen der Maschinen (Verschleiss, Servicebedarf usw.) und die intelligente Vernetzung. Zuver-lässigkeit ist ein spezifischer Vorteil. Der End-kunde von Starbucks will seinen Kaffee ohne Schlangenstehen schnell und in der ge-wünschten Ausführung und Qualität haben. Bestellvorgang und Bezahlung erfolgen mehr und mehr ebenfalls smart.
Smartness hat eigentlich zwei Aspekte: Erstens: Starbucks kann dem Konsumenten spezielle Angebote machen (zum Beispiel Coffee of the Day). Die Kaffeemaschine funk-tioniert wie eine Zentrale für den Datenaus-tausch. Mit den uns dienlichen Daten können wir immer bessere Maschinen entwickeln. Zweitens: Das Bestellwesen wird vernetzt und beschleunigt. Eine Maschine besteht aus 1200 Komponenten. Eröffnet Starbucks einen neuen Coffeeshop, so gehen die Bestellinfor-mationen via ERP-System direkt zu unseren Zulieferern. Immer wichtiger werden die da-mit verknüpften logistischen Prozesse (zum Beispiel ‹Just in time›, Rückverfolgbarkeit u.a.m.)
Zusammenfassend: Mit Fokus auf Ma-schinen und Kunden ist Thermoplan mit 4.0 sehr weit fortgeschritten. Bei den internen Prozessen arbeiten wir derzeit an unserer Zu-kunftsvision ‹Automatisierter Materialfluss mit verknüpfter Logistik›. Darin steckt viel Potenzial.»