Transparenz ist besser
Globale Lieferketten sorgen für neuartige Probleme: Unter nehmen müssen zur Compliance Auskunft geben, etwa wenn Medien nach Arbeitsschutz und Menschenrechten fragen. Moderne digitale Technologien können dabei helfen.
Globalisierung und Digitalisierung konfrontieren die Unternehmen der Schweiz mit kniffligen Compliance-Problemen. Durch den technologischen Fortschritt werden Lieferketten fragmentierter, Hersteller haben heute Zulieferer auf der ganzen Welt. Beispielsweise ein Anbieter von Kaffeevollautomaten, bei dem Bauteile aus Asien kommen. In der Schweiz werden die Geräte lediglich zusammengebaut. Der Hersteller bezieht aus seinem Schweizer Standort grosses Prestige, kann aber unter Umständen nicht genau sagen, unter welchen Bedingungen Rohstoffe gewonnen, Bauteile hergestellt und Vorprodukte montiert werden.
Neuartige Probleme durch globale Lieferketten
Rohstoffproduzenten, Weiterverarbeiter und Zulieferer von Bauteilen kommen häufig aus Regionen, in denen es weder eine mit europäischen Standards vergleichbare Administration noch die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen gibt. Zum Beispiel Chrom und Nickel: Diese beiden Metalle sind wichtige Bestandteile korrosionsfester Stähle wie Cromargan oder Nirosta, die sich auch in den meisten Haushaltsgeräten und vielen anderen Produkten finden.
Ihr Abbau wirft aber Fragen auf. Vorkommen gibt es in Südafri- ka, Kasachstan oder Indien (Chrom) sowie China, Russland oder Kuba (Nickel) und werden dort häufig im arbeitsintensiven Tagebau ge- wonnen. Aber wissen die Endfertiger, unter welchen Bedingungen das Rohmaterial hergestellt wurde, ob Arbeitszeitgesetze und Um- weltauflagen eingehalten wurden? Durch viele Zwischenschritte in der globalen Lieferkette ist die Rohstoffgewinnung sehr weit entfernt vom Markenprodukt. Es sind aber durchaus Situationen denkbar, in denen Compliance-Probleme in der Lieferkette näher rücken, bei- spielsweise durch Medienanfragen nach Arbeitsschutz und Men- schenrechten.
Es ist deshalb sinnvoll, wenn ein Unternehmen jederzeit präzise Auskunft über seine globale Lieferkette geben kann. Für EU-Unterneh-men ist das sogar verpflichtend, denn seit 2017 gilt eine Berichtspflicht zum Thema «Corporate Social Responsibility». Über den Umweg aus-ländischer Niederlassungen oder Töchter ist auch manches Schweizer Unternehmen davon betroffen, obwohl der Bund bisher auf eine eige-ne Gesetzgebung in dieser Frage verzichtet hat. Allerdings nutzen be-reits viele international aktive Unternehmen der Schweiz CSR-Instru-mente und veröffentlichen freiwillige Nachhaltigkeitsberichte.
Verantwortung in internationalen Lieferantennetzwerken
Nicht nur angesichts des steigenden regulatorischen Drucks ist Compliance in internationalen Lieferantennetzwerken für Unternehmen eine grosse Herausforderung und kann bei Problemen erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Dies gilt besonders für Unternehmen in der Industrieproduktion, die traditionell eine Vielzahl an Zulieferern von Material, Bauteilen und Vorprodukten hat. Der grenzüberschreitende Handel sowie die Verlagerung von Fertigungsprozessen in Entwicklungs- und Schwellenländer erhöhen die Komplexität der Lieferkette und die daraus folgenden Haftungsrisiken enorm
Zudem müssen die Gesetze unterschiedlicher Staaten und Regionen eingehalten werden. Dies kann im Einzelfall schwerfallen, da Unternehmen hierfür Anforderungen und Standards auf einen gemeinsamen Nenner bringen müssen. Darüber hinaus üben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen Druck aus. Wie können Unternehmen Reputationsschäden durch mangelnde Compliance vermeiden, die häufig Folgen wie Umsatz- und Gewinnrückgänge oder starke Einbrüche auf dem Aktienmarkt haben?
Im europäischen Binnenmarkt hat es sich eingebürgert, dass Unternehmen die Einhaltung bestimmter Regeln von allen Zuliefe- rern und Weiterverarbeitern fordern – ohne Zustimmung zum Com- pliance-Kodex kein Geschäft. So einfach ist es im globalen Kontext nicht. Wer Lieferanten in weniger regulierten Ländern mit niedrigen Compliance-Standards hat, ist einem hohen Risiko ausgesetzt. Die grösste Schwierigkeit liegt darin, Transparenz durch die gesamte Lie- ferkette hindurch zu erzielen und Methoden zur Wahrnehmung der Lieferantenverantwortung zu finden. Moderne digitale Technologien können dabei helfen, die Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen und die Kosten für Audit und Berichte zu senken.
Technologie als Hilfsmittel für Compliance
Um die Compliance-Risiken zu senken, ist es von zentraler Bedeutung, genau zu wissen, wer die Lieferanten sind und wo sie sich befinden. Hierbei müssen Unternehmen auch die Zulieferer der Zulieferer ins Auge fassen. Denn Transparenz in der Lieferkette ist wirkungslos, wenn sie nicht über die erste Stufe hinausgeht. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Viele Unternehmen ziehen deshalb technologische Lösungen in Betracht, die potenzielle Risiken leichter identifizieren können.
Datenbanksysteme helfen dabei, komplexe Lieferketten zu ver-walten. Hersteller erhalten dadurch einen Überblick darüber, welche Rohstoffe, Bauteile und Vorprodukte an den einzelnen Standorten ge-nutzt werden. Darüber hinaus müssen sie genau wissen, welche Com-pliance-Dokumentation oder Verzichtserklärung für jede einzelne Komponente gefordert wird. Von zentraler Bedeutung ist deshalb das Führen einer Bestandsliste. Nur sie ermöglicht ein genaues Bild davon, in welchem Masse das eigene Unternehmen Risiken ausgesetzt ist.
Cloud-Plattformen bieten eine einfache, überschaubare Daten- schnittstelle. Der schnelle Zugriff auf die richtigen Informationen so-wie die Möglichkeit, Massnahmen einzuleiten und zu steuern, hilft dabei, Wahrscheinlichkeit und Schweregrad potenzieller Probleme zu senken – beispielsweise in einer Fabrik, die keine ausreichende Si-cherheit am Arbeitsplatz bietet, oder in einem Lager, das die lokalen Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt.
Plattformen und IoT-Technologien für die Logistik
Performance-Management-Plattformen ermöglichen es den Lieferan-ten, sich selbst zu registrieren und ihre Daten dort einzuspeisen. Dadurch kann die zeitaufwendige Verwaltung etwa bei der Umsetzung von Code-of-Conduct-Befragungen reduziert werden. Unternehmen können so ihre «Supply Chain Hotspots» in einer Software mit Berichtsfunktion ab-bilden und durch die Bewertung und Analyse von Datenströmen besser verstehen, wo sich die Zulieferer befinden, wie viele Mitarbeiter dort be-schäftigt sind und welche «Risikoeinstufung» damit verbunden ist.
Kollaboration und Kommunikation mit entsprechenden On-line-Lösungen sind nicht nur unternehmensintern hilfreich. Viele Hersteller nutzen solche Lösungen bereits für ihre eigenen Fachberei-che und Niederlassungen. Sie können sie deshalb sehr leicht auf die Lieferkette ausweiten auf die Kommunikation mit Lieferanten. Sie er-leichtern den Austausch von Neuigkeiten und Hinweisen in einer Chatroom-Umgebung. Dies fördert die Zusammenarbeit und erleich-tert den Blick auf Fortschritte beim Risikomanagement. Durch defi-nierte Schnittstellen zu den Lösungen für das Supply Chain Manage-ment erhalten die Hersteller darüber hinaus die Möglichkeit, sich auf Knopfdruck alle Daten einzelner Lieferanten anzuschauen.
Das Internet der Dinge erlaubt Hardware-Lösungen, die das Tracking von Transportbehältern aller Art oder ganzen Werkstücken ermöglichen. Wenn sie als vollständige Ende-zu-Ende-Lösung vom Rohstoff bis zum Endprodukt implementiert werden, können sie be-weiskräftige Daten für die Einhaltung der Compliance liefern. In eini-gen Unternehmen wird hierfür auch die Blockchain-Technologie er-probt. Sie erlaubt die fälschungs- und veränderungssichere Speiche-rung von Daten, sodass damit die Materialflüsse jederzeit überprüfbar und nachvollziehbar werden.
Durch diese unterschiedlichen Ansätze mit Software und Hard-ware zeigt sich: Der wirksame Einsatz moderner Technologie bietet Unternehmen einen rationalisierten, zentralisierten und gangbaren Weg, um Daten zu sammeln, Informationsflüsse einzurichten, Risi-ken zu bewerten, Compliance durchzusetzen und die Leistung von Zulieferern zu überwachen.