Die Zukunft des QMS
Der diesjährige «Tag der Schweizer Qualität» drehte sich um Zukunftsperspektiven. Gegen 380 Interessierte warfen am 30. Mai 2018 einen Blick in moderne Arbeits organisationen und setzten sich mit Arbeitsprozessen auseinander. Der von der SAQ und der SQS organisierte Kongress im Kursaal Bern sorgte wieder für einige Glanzpunkte.
Wie, so fragte man sich am Tag der Schweizer Qualität 2018, könnte man mit der Zeit Schritt halten und Arbeitsprozesse optimieren? «Al-les ist im Wandel. Prozesse müssen angepasst werden – sicher braucht es auch Perspektiven: Betrachtungen von einem bestehenden Standpunkt aus», eröffnete Peter Bieri, Ge-schäftsleiter der Swiss Association for Quality (SAQ), den diesjährigen Tag der Schweizer Qualität vor etwa 380 motivierten Qualitäts-verantwortlichen.
Neue Arbeitsformen
«Eigentlich», so Prof. Dr. Jens O. Meissner, «un-terlagen Organisationen schon immer Ände-rungen, siehe virtuelle Prozesse und Innovatio-nen in den 1980ern», führte der Professor für Organisation und Innovation, Co-Leiter des Masterstudiengangs Risk Management an der Hochschule Luzern HSLU, in Entwicklungen der Kreativitäts- und Resilienzforschung ein. An sich sei die Digitalisierung nichts Neues in der Prozessentwicklung. Allerdings hätten techno-logische Entwicklungen, siehe 24/7-Präsenz zeiten und fortschreitende Prozesse, die Ar-beitswelt in den letzten Jahren dermassen um-gestülpt, dass neue Erwartungshaltungen und Risiken daraus entstanden seien. Am Beispiel des Trends hin zu agilen Methoden erwähnte Meissner, dass agile Arbeitsweisen den Erfolg um den Faktor fünf steigern könnten. Allerdings gebe es seiner Meinung nach inzwischen zu viele agile Methoden; diese würden Organisa tionen eher überfordern und zu Stress führen.
Um auf veränderte Gegebenheiten reagieren zu können, stützen sich webbasierte Unternehmen wie Amazon, Uber oder Spotify gleichwohl nicht mehr auf typische Arbeits hierarchien, sondern auf sogenannte Holo kratien (siehe auch Management & Qualität 2018/05): Die Selbstorganisation wird stark betont, Gruppen bestimmen selbst, an wen rapportiert wird. Allerdings ergab ein Selbst-versuch an der Hochschule Luzern eher zwie-spältige Erfahrungen. «Heute rudern wir etwas zurück», so das Fazit von Meissner. Denn die Komplexität und die Koordinationskosten seien hoch.
«Unsere Gesellschaft», so Jens Meissner, «erlebt durch alle Ebenen hindurch geforderte Transparenz und partizipative Beteiligungs-möglichkeiten», ebenso, so der Resilienzfor-scher, gebe es in grösseren Netzwerken und Unternehmen nicht nur günstigere Arbeits-strukturen, sondern eben auch Silowahrneh-mungen und «Risiken, die immer schneller eingekapselt werden».
Mensch oder Maschine?
Welche Auswirkungen haben solche Tendenzen und sich verändernde Rollenbilder auf die Menschen? Prof. Dr. Toni Wäfler von der FHNW Fachhochschule Nordwestschweiz führte im zweiten Tagungsreferat auf konkret in die «Mensch-Technik-Interaktion in der digitalisierten Arbeitswelt» ein. Es sprach sowohl von einer Spezialisierung durch neue Technologien als auch von einer Auflösung der organisatorischen Grenzen. Technik werde immer mehr zur Dienstleistung und die «Sharing Economy» wächst. Es würden immer mehr nur noch die Funktionalitäten eingekauft, nicht mehr die Maschinen. Die Konsequenz daraus: In Firmen bewegt sich immer mehr Personal von verschiedenen Arbeitgebern. Dies erfordere neue Ansätze in der Führung, etwa in Form von mehr direkter Kommunikation und flacheren Hierarchien
Dass lernfähige Systeme (Stichwort Künstliche Intelligenz) bei monotonen Prozessen oder in hochkritischen Bereichen immense Chancen bieten, befürwortet der Professor. Der «Mensch bleibt Erfahrungsträger», solange er Entscheidungen trifft, Verantwortung übernimmt und Engagement zeigt, so einige Begründungen des FHNW-Dozenten.
Wichtig sei es letztendlich, nicht passiv mit digitalen Veränderungsprozessen umzugehen. Toni Wäfler meinte: Der Mensch respektive Arbeitnehmende könnte durchaus Perspektiven und Potenzial nutzen, wenn er die Maschine «nicht nur komplementiert», sondern sein Tun begründen und mit anderen Menschen aushandeln könne. Die Zukunft liege im «Human-Machine-Teaming», wobei es der Mensch sei, der die richtigen Fragen stellt und die Antworten richtig interpretiert.
Qualitätsverantwortliche unter sich
Qualität hat die Schweizer Wirtschaft zum Er-folg geführt. Sie ist im Zeichen des Wandels wichtiger als je zuvor. Qualitätsverantwortli-che sind deshalb noch mehr gefordert. Tief in die Welt von SQS-Auditoren und KMU-Vertre-tern führte Beat Häfliger, Geschäftsführer der SAQ-Qualicon AG, mit einer Art «Zukunfts-werkstatt». Er nahm die Tagungsgäste mit auf eine Expedition, wo QM-Verantwortliche über ihre Berufsrollen «gestern – heute – morgen» berichteten. Dabei warfen KMU- und Unter-nehmensvertreter das Licht auf ihre persönli-chen Herausforderungen, Wendepunkte sowie auf konkrete Implementierungen von Managementmodellen. So führte Ulrike Soll-mann, Leiterin Qualitätsmanagement, ins Cor-porate und Compliance Management der Hirs-landen AG ein. Michael Baumgartner, Head of Quality, berichtete über die weltweit angegli-chenen, modulartigen Warehouse & Distribu-tion Solutions der Swisslog AG. Marco Schöpf, Leiter Qualitätsmanagement, PostMail, berich-tete darüber, dass jeder und jede Angestellte der Post CH AG geschult wurde, Prozesse zu verbessern – dies mit der aus Japan stammen-den Kaizen-Methode.
Die Tagungsteilnehmenden konnten auch ihre Erfahrungen und Ansichten in einem Voting-System einbringen. Daraus wurde er-sichtlich, dass man vor allem als Generalist zum Qualitätsmanager wird, eine grosse Zufrieden-heit bei der Tätigkeit vorherrscht und dass man sich häufig in der Rolle eines «Helfers in der Not», eines «Querdenkers» oder einer «eierlegenden Wollmilchsau» wiederfindet. Ferner war das Pu-blikum mehrheitlich der Meinung, dass auch in Zukunft das Qualitätsmanagement nicht durch Roboter durchgeführt wird und dass Methoden wie Audits, KVP-Moderation, Lean Manage-ment oder Risikoanalysen wie FMEA nach wie vor die gebräuchlichsten sind. Und bei aller Kre-ativität und Flexibilität gehe es weiterhin nicht ohne Standards.
Höchstleistungen
Die Entwicklung durch die Digitalisierung und Globalisierung öffnet laufend neue Perspekti-ven, aber auch individuelle Entwicklungspers-pektiven, wie sie noch vor einigen Jahren kaum vorstellbar waren. Am Tag der Schweizer Qua-lität erhielt man dazu ein ausgewogenes Spek trum an Einsichten in Chancen und Gefahren. Um symbolische Werte ging es im Vortragsujet «Veränderung durch Gestaltung – Neue Bank-noten für die Schweiz», wobei die Grafikerin Manuela Pfrunder über ihre über 13-jährige Tä-tigkeit für die Schweizer Notenbank und über ihre akribische Neugestaltung der 10. Noten serie referierte (siehe Artikel auf der Folgeseite).
Viel Courage und Wille zeigten auch wei-tere Tagungsreferenten wie Frederike Asael, Co-Founder Community Host des Impact Hubs, Bern, und sicher auch Chrigel Maurer, der mehrfache Weltmeister im Gleitschirm-fliegen. Schliesslich zeigte der «Tag der Schwei-zer Qualität» einmal mehr, dass Höchstleis tungen jeglicher Art meistens viel Sachkennt-nis und Vorbereitungszeit und deshalb umso mehr Geduld und Engagement fordern.