Risiko: «Mitarbeitende»
Mitarbeitende einer Firma nehmen auf allen Organisationsstufen Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Nicht nur die sogenannten Humanfaktoren verändern die Unternehmenswelt, auch die sich wandelnden Arbeitsbedingungen und digitalen Technologien fallen ins Gewicht, möchte man Risikobetrachtungen und Mass nahmenplanungen systemisch einbeziehen.
Ohne Mitarbeiter keine Wertschöpfung und auch kein unternehmerischer Erfolg. Unter nehmen bezeichnen Mitarbeiter als ihr wich tigstes Gut, und häufig auch als das grösste Risiko, weil diese deutlichen Einfluss auf die Entwicklungen der Organisation nehmen können. Ihre Wirksamkeit für die Zielerrei chung kann je nach Funktion, Einsatz und Aktionsradius – im positiven wie im negati ven Sinn – immens sein. Mit ihrem Potenzial ermöglichen sie einerseits die Nutzung un ternehmerischer Chancen, doch auf der an deren Seite könnten sie ausfallen oder sich entgegen der Zielvorstellungen ihrer Organi sation fehlverhalten.
Menschen sind nicht perfekt. Sie nut zen jedoch bewusst oder unbewusst Chancen und – sie vermeiden Gefahren. Die Kehrseite jedes Erfolgs ist, dass es immer wieder mal und überall «menschelt». Darüber hinaus än dert sich die Arbeitswelt derzeit rasant, dass der gesamte Wertschöpfungsprozess infrage gestellt wird. Hierunter fällt nun die quintes senzielle Frage: Bleiben Mitarbeitende von Organisationen ein massgebendes Risiko potenzial – oder übernehmen ihre komple xen Aufgaben mehrheitlich neue, smarte Pro zesse und Technologien?
Einfluss von Menschen auf die Organisation
Mitarbeiter auf allen Stufen des Unterneh mens nehmen Einfluss auf die Entwicklungen. Wer kennt nicht die Erfolgsstorys kleiner mo tivierter Teams, die Innovationen hervorbrin
«Künstliche Intelligenz ist zunehmend im Arbeitsalltag anzutreffen .»
gen, die dadurch das Unternehmen in die Ge schichte eingehen lassen? Und wer hat nicht auch schon vom Weggang einzelner Schlüssel personen und -gruppen mit dem nachfolgen den Einbruch des Geschäfts gehört?
Erfolgsgeschichten hin oder her, letzt endlich unterscheidet sich das Thema «Mitar beiter» je nach Unternehmensgrösse stark. Im Alltag von vor allem gewachsenen Unterneh men (mittlerer Grösse) lässt sich beobachten, dass in den verschieden Organisationsabtei lungen eher selektiv (mit Einzelaktionen) auf die im Trend liegenden, meist riskanten Akti vitäten eingegangen wird. Dabei ensteht der Eindruck, vielerorts regiere der kurzfristige Aktivismus, anstatt dass kontinuierliche, nachhaltige Vorgaben eingehalten und Pro zesse stringent ausgestaltet werden. Dahinge gen haben die Leitungen kleinerer Unterneh men häufig einen direkteren Bezug und Aus tausch mit ihren Kunden, Mitarbeitern und viel schnellere Entscheidungswege.
Grossunternehmen halten sich ganze Fachgruppen und Analyseinstrumente, um den systemischen Schwächen ihrer Grösse im Risikobereich begegnen zu können. Einzelne Organisationen verfolgen aber nicht immer ei nen auf ihre Risikolage angepassten Weg. Über Grundsätzliches zu «Humanfaktoren im Risi komanagement» wurde bereits im MQ 02/17 berichtet. Wir wissen: Menschen agieren un terschiedlich, machen Fehler und handeln nicht immer richtig. Hierbei muss nun der Fo kus auf dem «Mitarbeitenden» als eine schwie rig vorhersagbare, doch massgebende, wert schöpfende Ressource gelegt werden. Im Chancenmanagement kommt der eigentliche Risikoaspekt «Mitarbeiter» zu kurz. Sein po tenziell erwünschter Einfluss für die Zielerrei chung der Organisation – also seine Aktivitä ten, die zur Nutzung von unternehmerischen Chancen beitragen, werden meistens schon als selbstverständlich und erwartet angenommen. Die eigentlichen Potenziale werden im Sinne eines Chancenmanagements kaum be rücksichtigt oder wertgeschätzt. Gezielte Massnahmen zur Förderung unternehmeri scher Aktivitäten aller Mitarbeiter streben sichtbar eher die grösseren Unternehmen an, die diese dann auch im gleichen Zug als Er folgsfaktor ihres Unternehmens vermarkten.
Risikoaspekte «Mitarbeiter» mit poten ziell schädigendem Einfluss kennt jede Orga nisation. Sie lassen sich den folgenden Gefah renbereichen zuordnen:
- Ausfall oder Austritt von Schlüsselpersonen, Personalengpässe
- den Organisationszielen zuwiderlaufendes Fehlverhalten
- Loyalitäts-, Motivations- und/oder Gesundheitsaspekte
- ungenügender Organisationsaufbau und Führungseignung
- ungenügende Anpassung an den Stand der Entwicklungen
Ausfälle und Unproduktivität
Arbeitsausfall und unproduktive Anwesen heit stellen ein kostspieliges Problem für Un ternehmen dar. Dementsprechend sind Un ternehmen sehr daran interessiert, die Fakto ren zu verstehen, die Mitarbeiter dazu veran lassen, sich zu verabschieden oder unpro duktiv zu werden.
Paolo Marini von der Zürich Versiche rung diskutiert dieses Thema auf Basis von internationalen Studien. Er kommt zum Schluss, dass der genauere Blick auf die Daten verdeutliche, warum keines der beiden Prob leme leicht zu lösen ist. Die Reduzierung von Fehlzeiten sei nicht so einfach wie die Förde rung gesünderer Mitarbeiter.
Menschliche Fehlhandlungen sind ursäch lich breit gefächert, häufig systemischen Ur sprungs und selten isoliert an einer Einzel person oder Gruppe ausmachbar. Soll varia bles menschliches Verhalten systematisch in Risikoüberlegungen analysiert und berück sichtigt werden, wird zur Ergründung von schädigenden Einflüssen handelnder Men schen die Darstellung in Bild 2 herangezo gen.
Diese Überlegungen zu den potenziel len Ursachen von beobachtbarem Fehlverhal ten werden in der Analyse durch einen sozio-technischen Systemansatz ergänzt.
Ein verantwortungsvolles Manage ment nimmt den potenziellen Einfluss sei ner Mitarbeiter auf das Geschäftsergebnis ernst und analysiert unter Einbezug der Er fahrungswerte die systemischen Bedingun gen der Organisation in der gebotenen Breite. Es steuert das Unternehmen mit Blick auf Gefahrenminderung sowie Chancensteige rung und setzt geeignete Instrumente in der Organisations-, Prozess- oder Technologie gestaltung ein.
Loyalitätsrisiko «Korruption» und der Einsatz smarter Kontrollinstrumente
Betrachtet man exemplarisch das Fehlver halten «Korruption» (siehe auch Infobox) aus dem Bereich Loyalitätsrisiken, so findet sich Ursächliches für korruptes Verhalten eher bei der bewussten, absichtlichen Inkaufnah me eines Verstosses gegen geltende Regeln als bei den Versehen, Irrtümern oder, wie oft behauptet, bei einem Wissensmangel der Akteure. Nachdem in einer Organisation si chergestellt wird, dass notwendige Regeln für alle Mitarbeiter klar, d.h. kommuniziert, verstanden und dokumentiert sind, werden verstärkt Massnahmen der Wirksamkeits kontrolle ergriffen. Bei der Einrichtung die ser systemischen Kontrollen wird die heute bereits sehr ausgereifte Digitalisierung zu nehmend interessanter, generiert spezifische Anwendungen und wirft neue Fragen auf.
Smarte Technik und der verbleibende Einfluss von Mitarbeitern
Künstliche Intelligenzsysteme stehen zuneh mend zur Unterstützung im Arbeitsalltag be reit. Sie sind auf die Erfüllung ganz bestimm ter Funktionen trainiert und nutzen ihr «spe zielles Wissen». Maschinen geben auf die vom Menschen vorgegebenen Fragen und Regeln die richtigen Antworten, können Informatio nen und Wissen rasch und sehr transparent zur Verfügung stellen, Entscheidungen ver einheitlichen und eine gemeinsame Sprache herleiten.
Automatisierung und technische Ver netzung erhöhen die Komplexität von Ar beits- und Lebenswelten. Die steigende Ar beitsgeschwindigkeit («digitale Transforma tion») kann uns Menschen überfordern.
Wo führen neue digitale Errungen schaften hin? Was wird aus dem «Erfolgsfak tor Mensch»? Wird die smarte Technik ir gendwann so weit gehen, dass Menschen ih ren Einfluss auf die Entwicklungen verlie ren? Werden wir die Künstliche Intelligenz bald im Kreise der Risikogruppe «Mitarbei tende» mit aufnehmen müssen?
Bis heute ist der «Mitarbeiter» ein potenzieller Erfolgsfaktor
Menschen haben «allgemeines Wissen». Sie denken in die Breite und erkennen Zusam menhänge. Auch wenn die Schnittstellen Mensch – Organisation – Technik für uns im mer komplexer werden, so bleiben Maschi nen und Künstliche Intelligenzen vorerst un sere Instrumente.
Menschen stellen hoffentlich weiter hin die richtigen Fragen, können Antworten in ihrer Erlebensbreite interpretieren sowie jederzeit Engagement und Verantwortung im eigentlichen Wortsinn als «Mit-Arbeiter»
zeigen.