«Kaizen wirkt im Wandel wie ein Magnet»
Kaizen, die japanische Denkhaltung des «steten Wandels zum Besseren», funktioniert auch in KMU. Überzeugendes Beispiel dafür ist der Emmentaler Betrieb werk14. Das Unternehmen lebt die Kaizen-Philosophie mit grossem Erfolg. Es gilt als Vorzeigebeispiel.
Im Toyota-Konzern nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Japan erstmals eingeführt, befruchtet Kaizen seither weltweit die Unternehmensführung und hat sich in vielen Branchen durchgesetzt. Gemäss Roland Stäheli, Bildungsmanager der Swissmem Academy, ist Kaizen auch in der Schweizer Mem-Industrie weit verbreitet: «Über 50 % führen nach dieser Philosophie, oft als Kern des umfassenderen Lean Managements. Wer heute dieser Richtung noch nicht folgt, wird es in Zukunft schwer haben.»
Thomas Germann, CEO von werk14, bestätigt diese Einschätzung: «Ohne Kaizen wären wir nicht da, wo wir heute sind.» Germann hat Kaizen vor 16 Jahren initiiert, auf den Betrieb massgeschneidert und Schritt für Schritt mit allen Mitarbeitenden umgesetzt. Und er sagt: «Es war sozusagen ein Lehrstück mit Langzeitwirkung. Wir profitieren jeden Tag davon. Einerseits wurde die Performance stark verbessert, andererseits ergaben sich aus dieser Denkweise auch neue Wegmarken für die Geschäftsentwicklung.» Was meint der erfahrene Kaizen-Profi damit? Unser Interview in Grünen-Sumiswald gab Aufschluss.
Herr Germann, Sie sehen Kaizen im werk14 als Teil eines «integralen Führungskonzeptes». Was heisst das konkret?
Thomas Germann: Wir reden von integralen Konzepten, weil alle Aspekte beim Entstehen des fertigen Produktes in unsere Überlegungen einfliessen. Unser Leistungsspektrum ist sehr breit. Es reicht vom Design über die Produkt- und Fertigungsoptimierung bis zur Produktion, Montage und Logistik. Der Kunde erhält das optimale Produkt zum optimalen Preis. So begleiten und entlasten wir Kunden. Wir verkaufen nicht Einzelleistungen, sondern möglichst Baugruppen, fertige Produkte. Wir stanzen zwar, sind aber keine reine Stanzerei. Wir drehen zwar, sind aber keine reine CNC-Dreherei. Nein, werk14 agiert als Generalunternehmung, welche die Kundenbedürfnisse umfassend abdeckt, angefangen bei der Produktidee. Ideal ist, wenn Kunden zu uns kommen, bevor Design, Material, Fertigungstoleranzen u.a.m. definiert sind. Dann können wir unser Know-how auf der Wertschöpfungskette zum Tragen bringen. Das gelingt mit einer partnerschaftlichen Denk- und Vorgehensweise. Und es entsteht Mehrwert für alle Beteiligten – werk14, Kunden, Lieferanten, Partner u.a.m. Solche Entwicklungspartnerschaften bauen wir weiter aus. Bei Bedarf werden auch neue Technologien ins Haus geholt.
Operiert wird zunehmend in «Wertschöpfungspartnerschaften»
… Ja, ich kann zwei Beispiele zur Veranschaulichung nennen. Beispiel 1: Vor rund 18 Monaten haben wir die Wertschöpfungspartnerschaft mit einem Kunden vertieft. Gemeinsam wird ein Produkt entwickelt − vom Design an. Das kommt dem Produkt zugute und spart Kosten. Eben diesen Approach wollen wir in firmenübergreifenden Teams (Kunden, Lieferanten, werk14) generell verstärken, um Ideen zu validieren und Lösungen zu entwickeln. Beispiel 2: Für ein anderes Unternehmen haben wir ein Team zusammengestellt (Kunde, Kaizen-Berater und werk14), das gewisse Produkte unter die Lupe nimmt, damit wertschöpfende und nicht wertschöpfende Elemente erkannt und unnötige Kostenelemente eliminiert werden. Nicht wertschöpfende Elemente sind etwa Logistik, Transport, das Rüsten von Werkzeugen usw. Ihr Anteil am Produkt macht etwa zwei Drittel aus. Der Clou: Wenn es gelingt, die nicht wertschöpfenden Aufgaben zu eliminieren oder zu beschleunigen, ist der Spareffekt umso grösser. Kommt hinzu: Der Kapitaleinsatz in dieser Kategorie für die Verbesserung ist gering. Also: Weniger Papier, IT bündeln, Software harmonisieren, Mail-Pingpong vermeiden, direkte Wege anstreben usw. Derzeit sind wir bestrebt, mit unseren besten Kunden solche Wertschöpfungspartnerschaften anzubahnen, um kooperativ Optimierungen im Sinne von «win-win» zu realisieren. Wir checken folglich den Gesamtprozess auf Reduktionspotenzial. In der Gründung firmenübergreifender Teams erkennen wir grosse Chancen.
Übrigens, was brachte Sie zu Kaizen?
Ganz einfach: Vor 16 Jahren, an einem Lieferantentag, präsentierte die Firma Griesser ihr Kaizen-Konzept. Die Denkweise dahinter hat mich sofort gepackt.
Welche Hürden mussten bei der Einführung überwunden werden?
Der Entscheid für Kaizen fiel bei uns binnen weniger Wochen, die Einführung dagegen brauchte zwei bis drei Jahre. Da uns die Erfahrung fehlte, waren die Hürden höher als vermutet. Und weil Kaizen alle angeht, muss der Chef vorangehen. Ordnung, Qualität und Prozesse sind dabei tragende Elemente. Stets fragen wir: Was macht Sinn, was nicht? Mit gesundem Menschenverstand und der passenden Einstellung gelingt die Implementation der entsprechenden Entscheidungen einwandfrei. Aber die Sache muss zu unserer Kultur passen. Hier im bodenständigen Emmental verwenden wir deshalb die japanischen Kaizen-Begriffe nicht.
Wie fahren die Mitarbeitenden damit?
Wir kommunizierten zu Beginn allen, dass wir mit Kaizen den Erfolg suchen, keineswegs aber auf Kosten der Belegschaft. Nach der Einführungsphase festigte sich dieses Versprechen bei den Mitarbeitenden, weil man erkannte, dass alle mitziehen. Heute ist Kaizen im werk14 voll akzeptiert. Wir können uns nicht mehr vorstellen, anders zu arbeiten, weil hier etwas bewegt werden kann. Das ist oft auch der entscheidende «Kick» für Stellensuchende, die uns kontaktieren. Dank Kaizen können wir bessere und motiviertere Mitarbeitende einstellen.
Welches Gewicht haben die SQS-Zertifizierung nach ISO 9001 und das Managementsystem in diesem Rahmen?
Zertifiziert ist unser Unternehmen seit vielen Jahren. Der SQS-Auditor schaut bewusst darauf, dass wir unser Ziel normengerecht und schlank erreichen. Die ISO-Normen stehen mit Kaizen in Harmonie. Kaizen überdacht ja das ganze Unternehmen. Und das Managementsystem unterstützt die richtige Steuerung der Prozesse. Das Konzept macht Sinn.
Wie reagieren Markt und Umfeld?
Unsere Geschäftspolitik findet zunehmend «Followers». Meine Aufgabe als CEO ist es, Kunden in direkten Gesprächen davon zu überzeugen. Tatsächlich ist es faszinierend, mit einfachen Überlegungen und Massnahmen stetig besser zu werden. Kaizen ist der Schlüssel dazu. Wir profitieren ausserordentlich von der eingeschlagenen Marschrichtung. Kaizen wirkt wie ein Magnet. Interessenten und potenzielle Kunden kommen zu uns, schauen sich das an, um Kaizen in ihren Betrieben eventuell ebenfalls in Betracht zu ziehen. Es kommen aber auch Führungskräfte aus anderen Branchen. Kürzlich waren Kader einer psychiatrischen Klinik zu Besuch. Kurz: Kaizen ermöglicht Win-win-Situationen. Die Mitarbeitenden verdienen mehr, die Kunden profitieren vom Leistungsbündel (Qualität, Preis, Termintreue), und die Lieferanten sind eingebunden. Der Nutzen liegt auf der ganzen Wertschöpfungskette.