«Wir begleiten Disruption aktiv»

Als «Mittelstandsbank» ist die deutsche Commerzbank auch an sechs Standorten in der Schweiz aktiv. Wir sprachen mit Marc Steinkat, CEO von Commerzbank Switzerland, über Herausforderungen bei der KMU-Finanzierung und über die Veränderungen in der Finanzbranche.

«Wir begleiten Disruption aktiv»

 

Die Finanzbranche ist im Umbruch: Auf der einen Seite stehen Banken unter starkem Regulierungsdruck, auf der anderen Seite sollen sie wei-ter ihre Kunden bestmöglich bedienen können. Doch Letztere finden immer mehr Alternativen zu ihren Finanzierungsfragen auch ausser-halb des klassischen Bankings. Grund genug für die Geldinstitute, sich ihren Geschäftskunden wieder vermehrt als Partner anzubieten.

 

In welchem Zustand präsentieren sich gegenwärtig die Finanzmärkte und welche Auswirkungen hat dies auf Schweizer Unternehmen? Marc Steinkat: Wir haben nach wie vor sehr viel Liquidität im Markt – auch und besonders im Schweizer Markt. Das liegt daran, dass das Negativzins-Umfeld es unattraktiv macht, Geld auf einem Bankkonto zu parken und sogar noch dafür zahlen zu müssen. Lieber wollen An-leger ihr Geld für Beteiligungen an Unternehmen einsetzen. Davon profitieren ganz klar die KMU. Sie erhalten so eine neue Finanzie-rungsquelle für weiteres Wachstum oder Investitionen in die Digitali-sierung.

 

Die Commerzbank bezeichnet sich ja selbst als «Mittelstandsbank». Erst ein paar Jahre ist sie auf dem Schweizer Markt aktiv. Was sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit der «KMU-Kundschaft» in der Schweiz?

 

1985 starteten wir unsere Geschäftstätigkeit in der Schweiz mit Fokus auf Privatkunden. Seit 2014 legen wir den Fokus klar auf Unterneh-menskunden – sowohl KMU wie auch Grossunternehmen – und ha-ben das Geschäft mit Privatkunden in der Schweiz gänzlich eingestellt.

 

Weshalb dieser Strategiewechsel?
Das hat folgenden Grund: Schweizer Unternehmen sind stark export-orientiert. Der lokale Binnenmarkt lässt nur eine begrenzte Wachs-tumsdynamik zu. Insofern schaue ich die Schweizer Unternehmen als Exportweltmeister an, weil sie sich viel stärker ins Ausland orien-tieren als anderswo. In Deutschland wickelt die Commerzbank rund 30 Prozent des deutschen Aussenhandels ab. Sie wurde 1870 in Ham-burg ja zu dem Zweck gegründet, Unternehmen bei ihrer Exporttä-tigkeit ins Ausland zu begleiten. Wir sind in knapp 50 Ländern an al-len wichtigen internationalen Finanz- und Wirtschaftsstandorten präsent. Unsere Idee ist, in der Schweiz an sechs Standorten – Lau-sanne, Bern, Basel, St. Gallen, Zürich, Luzern – den lokalen Gegeben-heiten Rechnung zu tragen, und dies gegründet auf unseren interna-tionalen Aktivitäten. Wir wollen als Mehrwert Unterstützung für ex-portorientierte Schweizer Unternehmen leisten.

 

Wie war die Resonanz des Markts, zumal viele Unternehmen immer wieder klagen, dass sie von Banken für Investitionsvorhaben kaum mehr Kredite erhalten und wenn, dann in Verbindung mit immer mehr Vorschriften?
Eine Rolle gespielt hat sicher auch die Neugier auf eine «neue Bank». Als rein auf Firmenkunden fokussierte Bank haben wir in der Schweiz damit ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal – wir betreiben be-wusst kein Privatkundengeschäft. Insofern ist das Fokussieren auf die Unternehmen, deren Belange, Nöte oder auch Wünsche ganz klar. Aber: Wir konzentrieren uns natürlich auf das Geschäftsmodell der Unternehmen, auf die Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle. Wir kombinieren dies mit unserer sektoralen Expertise. Als Beispiel: Ein Automobilzulieferer in der Schweiz profitiert von unserem Wissen aus dieser Branche und erlaubt auch ein fundiertes Verständnis des Geschäftsmodells – das Ergebnis sind auf der anderen Seite auch tiefer gehende Fragen.

 

Das heisst: Es ist mehr Empathie für den Kunden vorhanden – etwas, was anscheinend viele Banken in letzter Zeit vermissen liessen?
Da sind wir auf dem Weg der Transformation … Geld verdient nicht mehr Geld. Es braucht eine Zusatzleistung, die der Kunde auch bereit ist, entgeltlich zu begleichen. Stichworte sind Wertschöpfung und Qualität. Wir arbeiten daran, dem Kunden Dinge abzunehmen, und dort für Qualität zu sorgen, wo er auch gern bereit ist, einen Obolus dafür zu bezahlen – wenn ihm dafür eine Last genommen wird.

 

Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Viele Bankprozesse lassen sich ja hervorragend automatisieren, und so bleibt wieder mehr Zeit fürs «Zwischenmenschliche», also auch zwischen Banken und ihren Kunden.
Das ist völlig richtig. Der empathische Faktor ist es, der den Menschen jeder Maschine überlegen macht. Auf der anderen Seite werden Dinge wie Zahlungsverkehr, wo in der Vergangenheit viele Prozesse hän-disch abgewickelt werden mussten, laufend automatisiert, sodass die-se Dienste zu tieferen Kosten zur Verfügung stehen.

 

Auf der anderen Seite gibt es kundenseitig immer noch viele Stimmen, welche sich darüber beklagen, wie umständlich es zuweilen sei, nur schon einen Bankauszug zu erhalten – sei es auf Papier oder digital. Haben da Banken ihre Hausaufgaben noch nicht richtig gemacht?
Wir haben in Frankfurt unseren eigenen Digital Campus. Dort sitzen rund tausend Mitarbeitende, die die wesentlichen Prozesse digitali-sieren. Zum Beispiel haben wir eine digitale Kreditplattform einge-führt, über die Mittelständler einen Kontokorrentkredit von bis zu 5 Millionen Euro komplett digital beantragen können. Im Idealfall er-hält der Kunde den unterschriebenen Kreditvertrag innerhalb von 24 Stunden. Die Herausforderung besteht dann, wenn ein Vorgang nicht mehr der Norm entspricht. Bei Besonderheiten braucht es nach wie vor individuelle Lösungen.

 

Und diese werden zunehmen?
Sie werden vor allem teurer, weil sie nicht mehr zu den gleichen Kon-ditionen standardmässig abgewickelt werden können.

 

Und da hört dann die Empathie für den Kunden auf … Es sei denn, man setzt verstärkt auf solche individuellen Lösungen?
Der Mehrwert ist ganz klar: Wenn Sie heute Ihr Unternehmen veräus­ sern möchten oder eines dazukaufen, dann brauchen Sie eine strate-gische Begleitung – idealerweise durch einen Finanzpartner, der das Vorhaben mit den besten sich bietenden Möglichkeiten aus einer Hand abwickeln kann. Das kann eine Kapitalmarktfinanzierung sein oder ein klassischer Kredit, es kann aber auch das Einschiessen priva-ter Gelder sein. Dieses Vermitteln und Übersetzen sind Dinge, die stark im empathischen Umfeld anzusiedeln sind.

 

Jetzt kommen immer mehr junge Fintech-Unternehmen auf den Markt, die bankähnliche Dienstleistungen anbieten. Ich denke da vor allem Plattformen etwa für Peer-to-Peer-Finanzierungen. Welche Position nimmt eine Bank wie die Commerzbank bezüglich dieser neuen Entwicklungen ein?
Eine sehr aktive. Wenn man diese Dinge nicht berücksichtigt und nicht erkennt, dann ziehen die Entwicklungen an einem vorbei. Wir haben deshalb den «Main Incubator» gegründet; er ist die Forschungs-und Entwicklungsabteilung der Commerzbank. Als Frühphasenin-vestor bietet er jungen technologiegetriebenen, frühphasigen Unter-nehmen Geld, Know-how und Zugang zur Commerzbank und ihren

 

Kunden und stärkt sie damit in ihrem Wachstum. Jüngst haben wir an der Uni St. Gallen eine Challenge gemacht wie «Die Höhle der Löwen». Da haben wir sechs tolle Start-ups bzw. Geschäftsideen bewertet. Eine Jury hat daraus zwei Sieger gekürt. Die werden im März nach Frank-furt fliegen. Sie haben dort die Möglichkeit, auf der führenden Fin-tech-Veranstaltung «Between the Towers» u. a. vor Investoren zu pit-chen. Des Weiteren lernen sie das lebendige Frankfurter Fintech-Ökosystem kennen und haben so die Möglichkeit, direkt aus dem Studium heraus eine neue Fintech-Lösung zu verwirklichen.

 

Mit anderen Worten: Sie springen so direkt auf den «Disruptionszug» auf, anstelle ihn zu bekämpfen.
Absolut. Wir begleiten Disruption sogar aktiv. Lieber tun wir dies selbst, als dass es ein anderer tut.

 

Der Finanzsektor ist nicht gerade bekannt dafür, besonders innovativ zu sein. Auf der anderen Seite die Schweizer KMU: Sie gelten als «Innovationsweltmeister». Nur: Innovationen kosten Geld, und man spricht immer noch von einer Kreditklemme – begründet durch immer stärkere regulatorische Vorschriften. Wie beurteilen Sie diese Situation?

 

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Es ist natürlich schwer, in einem regula-torischen Umfeld, das durch «zero tolerance» geprägt ist, eine Feh-lerkultur zu implementieren. Das lähmt. Da sind andere Branchen unbefangener. Auf der anderen Seite gibt es nur einen Weg, diese Dinge zu verfolgen, nämlich zu schauen, was innovativ gemacht werden muss, damit Mehrwert für ein hohes Mass an Kundenerleb-nis kreiert wird. Daran arbeiten wir aktiv. Und gerade dies ist einer der Erfolgsfaktoren in der Schweiz: sich diesen Qualitätsmerkmalen zu stellen. Zur zweiten Frage: Eine Kreditklemme sehe ich nicht. Im Gegenteil. Es besteht viel mehr Liquidität im Markt. Aber man schaut viel genauer hin, wohin man Geld vergibt. Wenn bereits Ideen beste-hen, ein Unternehmen erste Erfolge vorzuweisen hat und ich als Bank den Innovationsprozess aktiv begleiten kann, sehe ich keine Hemmnisse für eine Finanzierung. Ein reines Start-up hingegen braucht andere Mittel; die Finanzierung muss da eher den Charakter von Eigenkapital tragen.

 

Zum Abschluss noch ein Statement zum Thema Kryptowährungen? Welche Sichtweise hat da ein klassisches Finanzinstitut wie die Commerzbank?
Wir beobachten die Entwicklung von Kryptowährungen wie Bitcoins sehr genau. Sie sind allerdings auch spekulativ getrieben. Das wirklich spannende Thema ist doch die darunterliegende Technik wie die Blockchain. Und das schauen wir uns intensiv an.

 

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