Qualität 4.0 – Status quo und Voraussetzungen
Im Zeitalter der Digitalisierung bieten sich den Unternehmen vielfältige Chancen und Möglichkeiten, um neue Technologien und Entwicklungen zu nutzen und diese in ihre Prozesse und Produktionsabläufe einzubinden. Ein Begriff, der sich hierbei in den letzten Jahren etabliert hat, ist Industrie 4.0. Damit geht auch die Qualitätssicherung auf Basis von Digitalisierung, Ver-netzung der Maschinen sowie Auswertung grosser Datenmen-gen einher – Qualität 4.0. Der Verbreitungsgrad in der Industrie wurde in einer Studie der Modellfabrik Koblenz evaluiert.
Allgemein versteht man unter Qualität 4.0 die Aspekte der Qualitäts-sicherung im Rahmen der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) (Vgl. Refflinghaus et al. 2016). Hierzu werden grosse Datenmen-gen durch moderne Mess- und Prüftechniken gesammelt und in Echt-zeit analysiert. Dies ermöglicht eine unverzügliche Reaktion auf Feh-ler und Störungen. Ebenso ermöglichen diese Daten eine Erstellung von Modellen und Simulationen, die vorausschauend Fehler vermei-den können, sodass der Fehleranteil in der Produktion minimiert und damit einhergehende Kosten niedrig gehalten werden. Beispielsweise können Daten zur Rüstzeitoptimierung, der zustandsorientierten In-standhaltung und der Anpassung der Produktionsprozesse genutzt werden. (Vgl. Glück 2017). Zudem können Fehler vorausschauend entdeckt und so auch vermieden werden durch die Anwendung von Simulationen und Modellen (Vgl. Artischewski 2017). Ein weiterer Grund für die steigende Relevanz von Qualität 4.0 ist der zunehmen-de Wunsch des Kunden nach individuell gefertigten Produkten.
Das Ziel der Untersuchung bestand darin, den generellen Status quo von Qualität 4.0 zu ermitteln und zudem die Voraussetzungen und Hürden aus Unternehmenssicht bzw. der verantwortlichen Mit-arbeiter zu identifizieren, welche für eine erfolgreiche Umsetzung und Etablierung wichtig sind. Ebenso sollten die Chancen aufgezeigt werden, die sich durch den Einsatz von Qualität 4.0 ergeben.
Bekanntheitsdefizite von Qualität 4.0 im Unternehmenskontext
Aus den Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass Qualität 4.0 einen relativ hohen Bekanntheitsgrad unter den Befragten aufweist. Dies liegt darin begründet, dass 76 % der an der Studie Beteiligten bereits Kenntnis von Qualität 4.0 im beruflichen Umfeld haben. Demgegen-über haben 24 % der befragten Unternehmen angegeben, dass ihnen Qualität 4.0 unbekannt ist. Die Umfrageergebnisse zeigen weiterhin, dass 50 % der Befragten den Themenbereich kennen, wobei in deren Unternehmen keine Aktivitäten oder Pläne zur Umsetzung von Qua-lität 4.0 vorhanden sind. Lediglich 17 % gaben an, dass sich ihr Unter-nehmen mit der Umsetzungsplanung auseinandersetzt und weitere 9 %, dass Qualität 4.0 in ihrem Unternehmen bereits umgesetzt wird. Das heisst, dass nur ein Viertel der befragten Unternehmen sich be-reits heute mit Qualität 4.0 auseinandersetzt.
Qualität 4.0 als Chance zur kontinuierlichen Verbesserung und Risikominimierung
In Abbildung 2 werden die Chancen mit einer entsprechenden Häu-figkeitsverteilung der einzelnen Aspekte visualisiert. Es ist zu beach-ten, dass die befragten Unternehmen maximal vier Antwortmöglich-keiten hinsichtlich Chancen auswählen konnten.
Zu den wesentlichen Chancen, die sich durch Qualität 4.0 erge-ben, gehören ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess und die Risi-kominimierung. Beide Antwortmöglichkeiten erhielten jeweils 23 Nennungen. Die Verbesserung der Kundenzufriedenheit folgt an drit-ter Stelle mit 22 Angaben.
Des Weiteren haben jeweils 20 befragte Unternehmen ange-geben, dass sie sich durch die Einführung von Qualität 4.0 insbe-sondere Kosteneinsparungen und Transparenz durch Echtzeitana-lysen erhoffen. Auch hier sehen die umsetzenden Unternehmen nahezu die gleichen Chancen wie alle anderen Befragten. Beson-ders auffällig ist die geringe Anzahl an Nennungen in Bezug auf Inli-ne-Messung mittels eines durchgängigen Quality Channels, die Rüstzeitoptimierung sowie die Senkung der Losgrösse, welche Hauptbestandteile bei der Umsetzung von Qualität 4.0 sind, jedoch von den befragten Unternehmen als relativ unwichtig angesehen werden.
Mangelnde Kompetenz der Mitarbeiter steht der Qualität 4.0 im Weg
Bei der Frage nach den Hindernissen für die Umsetzung von Quali-tätsmanagement 4.0 lässt sich feststellen, welche Faktoren nach An-sicht der Teilnehmer den erfolgreichen Ausbau von Qualität 4.0 in ihrem Unternehmen erschweren.
Als wichtigster Punkt wurde mit 22 Nennungen die fehlende Kompetenz der Mitarbeiter bzw. der qualifizierten Fachkräfte aufge-führt. Die fehlende Umsetzungsbereitschaft innerhalb des Unterneh-mens an dritter Stelle geht in eine ähnliche Richtung und zeigt, dass die Thematik anscheinend noch nicht in der Denkweise der Verant-wortlichen und Mitarbeiter präsent ist. Der Umstrukturierungsauf-wand der Prozesse wurde ebenfalls als Hindernis genannt. Ein weite-rer Hinderungsgrund ist der hohe Investitionsaufwand, den die Um-stellung auf Qualität 4.0 nach sich ziehen würde.
Fortgeschrittene Messtechnik als Voraussetzung zur Umsetzung von Qualität 4.0
Weiterhin sollte mittels der vorliegenden Erhebung festgestellt wer-den, ob die Umsetzung von Qualität 4.0 nur durch den Einsatz von fortgeschrittener Messtechnik realisierbar ist. Dazu wurde abgefragt, ob verschiedene Messsysteme in den Unternehmen der Befragten zum Einsatz kommen. Auffällig hierbei ist, dass mit Erhöhung der Komplexität der Messtechnik der Anteil der Unternehmen, die diese nicht einsetzen, zunimmt. Stichproben werden beispielsweise bei 83 % der befragten Unternehmen unternehmensübergreifend oder aber in ausgewählten Teilbereichen angewendet. Betrachtet man hingegen die Überwachung der Qualität durch Cyber-physische Sys-teme, so sind es nur noch 5 % der Befragten, die diese Messtechnik anwenden und 7 %, die sie nicht anwenden, aber für die Zukunft pla-nen. Bei der Betrachtung der Unternehmen, die Qualität 4.0 bereits umsetzen, lässt sich beobachten, dass hochentwickelte Messtechnik zwar zum Einsatz kommt, jedoch nicht alle der aufgeführten Techni-ken und auch nicht immer unternehmensübergreifend. Es lässt sich aber feststellen, dass die Unternehmen, die Qualität 4.0 bereits um-setzen, mehrere der ausgewählten Messtechniken vollständig oder teilweise einsetzen.
Befähigte und motivierte Mitarbeiter als wichtigstes Kriterium für eine erfolgreiche Umsetzung
Anhand einer Fragenmatrix wurde überprüft, welche Teildiszipli-nen von Qualität 4.0 besonders wichtig für die Umsetzung sind. Im Ergebnis ist deutlich erkennbar, dass sowohl das Know-how der Mit-arbeiter als auch deren Motivation laut den Teilnehmern die wich-tigsten Faktoren sind. Knapp über 90 % gaben an, dass diese Fakto-ren eher wichtig bis sehr wichtig sind. Dicht darauf folgen die Soft-warelösungen, Prozessmanagement, Anwendung von Messtechnik, Big Data Management und Change Management mit 77,5 % bis 87,5 % Zustimmung. Allgemein stellt sich heraus, dass alle genannten Fak-toren zur Umsetzung von Qualität 4.0 von den Befragten als wichtig erachtet werden. Bei den umsetzenden Unternehmen in Bezug auf Qualität 4.0 sind ähnliche Denkstrukturen anzutreffen. Es stellt sich heraus, dass Softwarelösungen, Mitarbeiter-Know-how und Anwendung von Messtechnik einstimmig als sehr wichtig einge- stuft werden.