Synthese der Risiken und Chancen

Das Bundesamt für Umwelt BAFU hat am 5. Dezember 2017 eine Gesamtsicht der klimabedingten Risiken und Chancen veröffentlicht. Diese von mehreren Experten begleitete Studie soll die Kantone und Regionen bei der Entwicklung ihrer eigenen Anpassungsstrategien unterstützen.

Synthese der Risiken und Chancen

 

Der am 5. Dezember vom Bundesamt für Um-welt BAFU publizierte Bericht wurde unter Mitwirkung von über 300 Fachexperten er-stellt. Er vereint und ergänzt die Ergebnisse von acht regionalen Fallstudien und fasst die-se zu einer schweizweiten Synthese der Risi-ken und Chancen zusammen, die sich heute und mit Blick auf das Jahr 2060 aus dem Kli-mawandel ergeben.

 

Der Klimawandel birgt für die Schweiz deutlich mehr Risiken als Chancen. Zahlrei-che Risiken betreffen die menschliche Ge-sundheit durch häufiger auftretende Hitze- perioden, die Ausbreitung von Krankheiten und die Zunahme von Naturgefahren – sie betreffen jedoch auch wirtschaftliche Kno-tenpunkte (siehe Infobox).

Mehr Risiken als Chancen
Indem die Klimaveränderung die Häufigkeit und Intensität von extremen Ereignissen wie Hochwasser, Erdrutsche oder Hitzewellen beeinflusst, hat sie auch erhebliche Auswir-kungen in vielen anderen – insbesondere wirtschaftlichen – Bereichen. Die Zunahme der Intensität und Dauer der Trocken-Regen-Perioden in der Schweiz und im Ausland stellt beispielsweise ein Risiko für die Land-wirtschaft (Rückgang der Erträge) oder Bau-branche (Wetterausfälle) dar.

 

Mildere und kürzere Winter bringen auch Vorteile. Die Nahrungs- oder auch der Winzersektor wird am ehesten von der Aus-dehnung der Vegetationsperiode profitieren. Mildere Wintermonate brauchen weniger fossile Energie, dafür, so BAFU-Experten, dürfte der Schweizer Tourismus mit Ertrags-einbussen rechnen müssen. Demgegenüber könnte die Tourismussaison in einem schö-nen Sommer andauern.

 

Gleichwohl, während der sommerli-chen Trockenperioden ist mit einem Rück-gang der Stromproduktion aus Wasserkraft zu rechnen. Ebenso könnte es zu Liefereng-pässen auf Wasserwegen und im Schienen-verkehr kommen. Bei einem Anstieg der Schneefallgrenze könnte hingegen die Was-serkraftproduktion in den Winterperioden zunehmen.

Grosse Risiken für die Biodiversität
Verschiedene Folgeeffekte werden sich ne-gativ auf die Biodiversität auswirken. Der Temperaturanstieg und die zunehmende Trockenheit sind Stressfaktoren, die zahlrei-che Ökosysteme belasten; aquatische und alpine Ökosysteme sind in besonderem Masse von dieser Entwicklung betroffen. Die Biodiversität, aber auch für die Gesellschaft wichtige Ökosystemleistungen werden da-her erheblichen Risiken ausgesetzt sein. Andrerseits könnten bestimmte Arten von der Veränderung der natürlichen Lebens-räume profitieren.

Neue Herausforderungen identifiziert
Die Studie des BAFU soll auch der Weiterentwicklung der Anpassungsstrategie des Bundesrates dienen. So wurden neue Herausforderungen identifiziert, bei denen der eingeleitete Denkprozess vertieft werden muss. Im Vordergrund stehen dabei Verbesserungen, die der Klimawandel auf lokaler Ebene mit sich bringen könnte, die Auswirkungen der Klimaveränderung im Ausland auf die Schweiz oder die sogenannten «Wildcard»- Risiken wie zum Beispiel Ereignisse, die einen Kipp-Punkt erreichen könnten, welcher eine plötzliche Veränderung des Systemzustands zur Folge hat.

Analyse der klimabedingten Risiken und Chancen
Als Grundlage für die Weiterentwicklung der Anpassungsstrategie und die Erarbeitung eines allfälligen nächsten Aktionsplans wurden die klimabedingten Risiken und Chancen für die Schweiz analysiert. Dabei geht man vom gleichen Emissionsumfang aus für die kommenden Jahrzehnte wie heute. Die Analyse liefert wichtige quantitative und qualitative Grundlagen für eine zielgerichtete Anpassung (Risikoansatz).

 

Im ersten Teil der Anpassungsstrate-gie wurden mit Hilfe eines pragmatischen Vorgehens die relevanten Handlungsfelder aus Sicht der Sektoren identifiziert und be-urteilt. Die Resultate sind in Neun-Felder-Matrizen dargestellt. Die sektorenübergrei-fende, integrale Analyse der Risiken und Chancen basiert dagegen sowohl auf Mo-dellrechnungen als auch auf Experten-schätzungen.

Regionale Methodik
In der ersten Phase 2010 bis 2011 wurde eine Methode entwickelt, die es erlaubt, klimabe-dingte Risiken und Chancen sektorenüber-greifend zu analysieren. Dabei wurden die Bereiche Land-, Wald- und Wasserwirtschaft, Energie, Infrastrukturen und Gebäude, Ge-sundheit, Tourismus, Biodiversität sowie Freiräume und Grünflächen berücksichtigt.

 

In der zweiten Phase wurde diese Me-thode in acht kantonalen Fallstudien ange-wendet: Aargau, Uri, Genf, Basel-Stadt, Grau-bünden, Fribourg, Tessin und Jura. Die Resul-tate dieser Fallstudien wurden 2016 bis 2017 in einer schweizweiten Synthese zusammen-geführt. Die Ergebnisse der Risikoanalyse werden als Grundlagen für die Überprüfung und Weiterentwicklung der Anpassungsstra-tegie und für die allfällige Erarbeitung eines nächsten Aktionsplans dienen.

 

Sie ermöglichen es, Schwerpunkte für die Anpassungsaktivitäten des Bundes zu set-zen und damit die Anpassung an den Klima-wandel in der Schweiz zielgerichtet und ef-fektiv zu gestalten.

Störungsanfälligkeit der Handelsströme
Dass die Anfälligkeit einer globalisierten Wirtschaft gegenüber Störungen zunimmt, lässt sich an klimabedingten und anderen katastrophalen Ereignissen illustrieren. Die OECD (2014) hat verschiedene Fälle dokumentiert, die die Tragweite von Versorgungsengpässen in globalen Lieferketten aufzeigen. Überschwemmungen im Grossraum Bangkok führten etwa 2011 dazu, dass sich das weltweite Angebot an Festplattenlaufwerken für Computer vorübergehend um rund 30 Prozent verknappte. Der Tsunami, der im gleichen Jahr die japanische Ostküste traf, wirkte sich sowohl auf die globale Automobil- als auch auf die Elektronikindustrie aus, weil wichtige Hersteller von Fahrzeuglacken und Mikrochips während längerer Zeit ausfielen.

Schweiz im Risikofokus
In der Schweiz bleibt der heisse und nieder-schlagsarme Sommer 2003 in Erinnerung, der unter anderem zu massiven Einschrän-kungen der Rheinschifffahrt führte: Nicht nur der Lastschiffbetrieb war beeinträchtigt, auch die Kapazitäten im Schienengüterverkehr entlang des Rheins reichten nicht aus, um die an den Nordseehäfen angelieferten Mineral-ölprodukte, Container und Metalle zu über-nehmen. Grössere Mengen an Getreide muss-ten dort zwischengelagert werden, bis sich die Lage auf dem Rhein wieder normalisiert hatte (Quelle: BUWAL et al. 2004).

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