Der Qualitätsprozess im Spital Muri
Das Spital Muri, eher ein kleines Spital und doch hochspezialisiert, erfährt nicht nur in Zeiten von Corona, was es heisst, Extremsituationen und Aktivitäten im Namen der Qualität und Patientensicherheit zu exerzieren und breit abzustützen.Die Fortschritte, die mittels eines stringenten Hygieneplans erzielt werden, münden in die Gesundheit aller. Andrea Heiermeier, Leitung Qualitäts- und Prozessmanagement, erklärt, was das Kreisspital Muri (AG) sicherer macht.
Frau Heiermeier, wie hält man permanente Qualität in Zeiten der COVID-Pandemie ein? Wir üben, üben, üben! Wir schulen alle Mitarbeitenden; nicht nur für Extremzeiten haben wir Abläufe durchstandardisiert.
Speziell in unseren neuen Bereichen wie in der COVID-19-Abklärungsstation und dann auch in der Isolation beobachten und visualisieren wir einzelne Prozesse. In Bereichen, in denen die Mitarbeitenden unter hohem Druck arbeiten, ist es wichtig, gute Abläufe zu erarbeiten und diese immer wieder einzuüben, damit sie quasi in Fleisch und Blut übergehen – das gibt Sicherheit und führt auch in stressigen Situationen zu weniger Fehlern.
Die Hygienemassnahmen im öffentlichen Raum sowie auch in Kliniken sorgen für Kontroversen. Welche Hygienepunkte stehen bei Ihnen im Vordergrund?
In der Regel reichen Abstand einhalten, konsequente Händehygiene, sich nicht ins Gesicht fassen und Masken tragen, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, bei den Pflegemassnahmen. Bei COVID-19-Massnahmen sind wir selbstverständlich vorsichtiger.
Inwiefern?
Im täglichen Betrieb trennen wir die Patienten mit COVID-19-Verdacht von denen ohne Krankheitssymptome, indem wir eine getrennte Notfallstation und in der Akutphase der Erkrankungen auch eine COVID-Station betreiben. Ist der Patient an COVID erkrankt, wird er isoliert, und das Personal trägt schon bei einfachem Kontakt mit Erkrankten Schutzkleidung (inkl. Masken, Handschuhe etc.), wenn man das Zimmer betritt. Diese (Einmal-) Kleidung wird anschliessend entsorgt.
Wie wichtig sind offizielle Richtlinien für die Wartung der Medizinalgeräte – insbesondere, wenn diese nicht täglich genutzt werden?
Jedes Medizinalgerät wird in regelmässigen Abständen gewartet, egal, wie oft es eingesetzt wird. Ohne eine regelmässige Wartung darf es laut Medizinprodukteverordnung nicht eingesetzt werden. Das ist völlig unabhängig davon, ob gerade eine Epidemie oder etwas anderes kursiert.
Es heisst, viel Medizinal-Equipment wurde wegen der Corona-Krise bestellt und dann aber nicht gebraucht. Wie ist die Situation bei Ihnen in Muri?
Wir haben teilweise Leihgeräte vom Kanton Aargau erhalten, um hohen Patientenaufkommen gerecht werden zu können. Die für den Betrieb erforderlichen Verbrauchsmaterialien waren nur teilweise verfügbar. Auch Masken, Desinfektionsmittel etc. wurden teilweise über den Kanton bezogen. Da die Gefahr einer zweiten Corona-Welle nicht gebannt ist, werden diese Güter vielleicht noch zeitnah in grösserer Menge gebraucht.
Immer wieder Thema sind auch die im Spital erworbenen Infekte. Die sogenannten nosokomialen Infekte sind auch in Industrieländern ein Problem. Gewiss können unachtsame Menschen Viren übertragen – doch wie verhält es sich mit Erregern auf Spitalgeräten?
Jede Abteilung hat für jede Oberfläche und jedes Gerät einen Desinfektions- und Hygieneplan (Anm. d. Red.: siehe Grafik), in welchem festgelegt wird, wie oft eine Oberfläche mit welchem Mittel gereinigt werden muss. Wir haben dafür spezielle Oberflächenreinigungsmittel. Die Umsetzung wird durch die hygiene-verantwortliche Person kontrolliert.
Werden überhaupt sonstige Risiken in der aktuellen Lage diskutiert?
Selbstverständlich. Für die kritischen Bereiche IPS, OPS sowieso, aber auch im Rettungsdienst etc. Entsprechende detaillierte Arbeitsanweisungen sind heute Standard in Spitälern und werden bei uns regelmässig auch durch Audits kontrolliert. Falls erforderlich, werden dann Massnahmen ergriffen oder Abläufe optimiert.
Welches sind aktuelle Schwerpunkte des Qualitätsmanagements im Spital Muri?
Wir bearbeiten die Rückmeldungen unserer Patienten oder der Angehörigen. Beinahe- Vorfälle, sogenannte CIRS-Meldungen, werden weiterhin analysiert, Prozesse und Lösungen weiterhin erarbeitet und erforderliche Dokumente wie etwa Arbeitsanweisungen bereitgelegt. Schliessend finden auch die Schulungen und Umsetzungskontrollen auf allen Ebenen statt.
Stichwort «Awareness» in Extremzeiten – ein Thema in der internen Weiterbildung?
Wir sind zurzeit an einer Überarbeitung und strukturierten Bereitstellung von entsprechenden Dokumenten für eine potenzielle zweite COVID-19-Welle.
Haben sich die Herausforderungen für Ihre Angestellten seit dem Ausbruch von COVID-19 geändert?
In der Corona-Zeit durften die Angehörigen nicht mit ins Spital und auf die Notfallabteilung, sodass die Erfassung der gesundheitlichen Probleme von Patienten anders und aufwendiger zu organisieren war. Patienten zeigten zum Teil Unverständnis über die kantonal unterschiedlich geregelten Besuchsverbote. Und nicht zuletzt hat sich jeder Mitarbeitende natürlich Sorgen darüber gemacht, wie viele Patienten nun wirklich schwer erkranken und behandelt werden müssen.
Erhalten Sie dieses Jahr auch andere Rückmeldungen bei Patientenbefragungen?
Ja, klar. Es ist auch nicht unbedingt einfach, Angehörigen oder Partnern von schwerkranken oder dementen Patienten plausibel zu erklären, dass sie in Ausnahmefällen nicht zu Besuch kommen dürfen. Viele betagte Patienten waren während des Lockdowns – ähnlich wie in Pflegeheimen – traurig und enttäuscht, dass ihre Angehörigen sie nicht besuchen durften.
Allerdings haben wir jedoch auch viel Lob und Zuspruch von allen Seiten erhalten.
Ihre Einschätzung zum Interview-Ende: Sind Spitäler heute sauberer als früher?
Eigentlich schon. Die Desinfektionsmittel sind heute wirksamer und schonen die Oberflächen nachhaltiger. Die Reinigungsfrequenz heute ist nicht unbedingt höher als früher, doch wir haben modernere Mittel, um die Räume, die Geräte und Böden zu reinigen.