Mit Intuition zum Erfolg
In der Geschäftswelt gibt es Regeln und Verhaltensmuster darüber, wie man sich ausbildet, seine Karriere plant und diese letztlich umsetzt. Vieles ist dabei auf gesellschaftlichen Normen und dem Druck der Arbeitgeberwelt basiert. Trotzdem sind es häufig intuitive Wahrnehmungen oder Entscheide, welche zu den individuell passenden nächsten Schritten führen – und damit zum späteren Gedeihen.
Auch im Sport gibt es hervorragende Beispiele, wie Intuition zum Erfolg beitragen kann. Der 32-jährige polnische Profifussballer Robert Lewandowski steht seit Jahren beim FC Bayern München in Diensten und gilt mittlerweile als einer der besten Stürmer seiner Generation. Er schiesst einfach Tore am Laufmeter. Seit 2010, als er zuerst in Dortmund begann, sind es in der Bundesliga inzwischen 321 Treffer. Lewandowski trainiert jeden Tag, verbissen, kämpfend, und jede Spielsituation testend. Das Training ist die Basis, aber im Spiel, also in der Arbeit, ist es anders. Lewandowski erklärt dies auf der Club-Website so: «Ein Stürmer hat keine Zeit, darüber nachzudenken, wie man den Ball am besten trifft. Man muss nach der Intuition handeln. Manchmal bin ich nach einem Tor selbst überrascht, wie ich dieses überhaupt schiessen konnte».
Bauchgefühl
Mag sein, dass der professionelle Sport äusserst intensiv mit Gefühlen, Gespür und Intuition arbeitet. Aber auch auf dem Berufsweg gibt es immer wieder Gelegenheiten, auf seinen Instinkt zu hören und zu vertrauen. Das fängt schon mit 15 Jahren an, wo man sich betreffend Grundausbildung entscheiden muss. Auch wenn in diesem Alter kaum jemand weiss, was er oder sie in zehn, zwanzig Jahren machen möchte. Den einen helfen die Eltern, die anderen haben Zugang zu Berufsberatern. Aber viele Jugendliche haben bereits eigene Bilder im Kopf und spüren quasi, ob sie ins Büro wollen, in eine Garage, irgendwo zu einem Job in der Natur oder vielleicht direkt auf einen akademischen Weg. Bauchgefühl spielt bei den Entscheiden von Jugendlichen bestimmt mit, auch wenn es selten offen thematisiert wird.
Später dann, auf dem Bildungs- oder Berufsweg, entwickelt sich langsam eine «innere Stimme». Man lernt sich besser kennen; vielleicht noch nicht die Stärken, aber sicher schon erste Schwächen und Unsicherheiten. Man lernt, dass es persönliche Grenzen gibt und dass es ausserordentliche Energie kostet, diese zu überwinden. Das Selbstbewusstsein, gerade in Berufsfragen, entwickelt sich nur zögerlich und damit auch das Wissen, dass man selbst entscheiden kann und dass man für sein eigenes Schicksal verantwortlich sein kann. Wenn man will.
Strenge Rahmenbedingungen
Demgegenüber gibt es gerade in der Schweiz viele Regeln, Empfehlungen und vorgegebene Muster, wie man sich zu verhalten hat, wie man zu entscheiden hat und welche nächsten Schritte man möglichst gesellschaftsgerecht zu unternehmen hat. Genau wie es Fussballtrainer gibt, die ihren Stürmern die genauen Laufwege vorzeichnen und eintrichtern. Bei der Berufswahl, später auch während Ausund Weiterbildungen und folgendem Berufswechsel sind die Jugendlichen ständig dem Druck der Arbeitgeberwelt ausgesetzt; formatiert durch die Personalverantwortlichen und leider auch transportiert über die Berufsvermittlungsbranche. Intuition wird da nicht thematisiert. Dafür wird suggeriert, was richtig ist, welche Berufe zu einem passen, welche Abschlüsse es benötigt, welche Sprachen man beherrschen sollte und sogar wie lange das obligate Auslandjahr sein soll. Sechs oberflächliche Monate in Brighton mit irgendeinem B2- First-Zertifikat scheinen zielführender als eine sechsmonatige Abenteuerreise durch Nordamerika. Auf diesem Prozess der wirtschaftsgesellschaftlichen Anpassung kann man das eigene Gespür durchaus verlieren und / oder eigenes Bauchgefühl unter Umständen gar nie richtig kennenlernen.
Die Dinge spüren
Möglicherweise fordern die Generationen Y und Z ihr eigenes Bewusstsein stärker heraus als ihre Vorgänger. Vielleicht sind sie offener, neue Dinge und andere Wege einfach mal zu probieren. Vielleicht haben sie auch nicht mehr den absoluten Loyalitätssinn, welcher der Generation der «Babyboomer» eingeimpft wurde. Nicht dass sie sich als Jugendliche jetzt, auch wegen dem Massendatenfluss über die Sozialen Medien, besser kennen oder ein stärkeres Selbstwertgefühl hätten. Aber die Grundidee, Dinge zu versuchen, mal hier mal da reinzuschauen und ganz grundsätzlich offen zu sein für Alternativen, das ist vielleicht einfacher heute. Genauso sieht sich Lewandowski, wenn er von seinem Spiel redet: sich bewegen, sich mal zurückfallen lassen oder an die Aussenbahnen gehen, einfach das Überraschende versuchen. Ganz intuitiv.
Die Geschäftswelt gibt keine Garantien mehr ab, ausser dass es tatsächlich weiterhin Änderungen, Korrekturen und Kehrtwendungen geben wird. Change Management – Corona zeigt deutlich, wie das geht. Wer also lernt, «Change» ganz grundsätzlich zu akzeptieren oder sogar bewusst anzunehmen, dürfte in den kommenden zwanzig, dreissig Jahren im Vorteil sein. Und genau deshalb sollen die Menschen auch beruflich ungeniert mal etwas Neues probieren oder Unbekanntes wagen. Berufsabschlüsse und Ausbildungszertifikate garantieren, letztlich, rein gar nichts. Vor allem nicht Erfolg und Zufriedenheit.
«Learning Curve»
Und so sollen sich junge Leute nach dem Lehrabschluss, Studierende nach ihrem Bachelor oder Menschen, die bereits im vollen Berufsleben stehen, getrauen, neue Ideen oder sich anbietende Alternativen anzupacken. Und dazu dem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen – und dadurch persönlichen «Change» auszulösen.
Darum geht es: den eigenen Gefühlen und Wünschen zu trauen und dazu die eigene Intuition einzusetzen. Wer einmal lernt, seinen Weg proaktiv zu beeinflussen oder zu ändern, der wird es immer wieder tun und sich dabei stetig entwickeln – ob im Beruf, auch als Profifussballer, oder im Privatleben. Und er oder sie wird dabei erkennen, wie «bunt» die Welt sein kann, oder anders gesagt, wie abwechslungsreich und befriedigend ein eigener persönlicher Pfad sein kann. Mag sein, dass man diesen erst nach Corona suchen kann. Es kann aber auch sein, dass Corona explizit neue Erfahrungen und Chancen auslöst. In wenigen Jahren wird auch Lewandowski seine Schuhe «an den Nagel hängen» müssen und dann mit Bauchgefühl etwas Neues anfangen. Vielleicht wird es ja etwas ziemlich Überraschendes.