Lehre und Forschung zu Qualitätsmanagement: Quo vadis?

Qualitätsmanagement (QM) ist aus der Unternehmenspraxis nicht mehr wegzudenken. Wer QM konsequent umsetzt, kann dadurch grosse Wettbewerbsvorteile erzielen. Doch wie steht es um das QM in der akademischen Welt? Welche Inhalte werden in der Ausbildung vermittelt und in welchen Fachbereichen unterrichtet? Und wie ist es um die QM-Forschung bestellt?

Um erste Antworten zu finden, sind wir im Auftrag der Schweizerischen Stiftung für Forschung und Ausbildung «Qualität» (SFAQ) – welche unter anderem den Seghezzi-Preis für herausragende Abschlussarbeiten vergibt – dem Stellenwert für QM an Schweizer Hochschulen nachgegangen. Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden schliesslich die Bereiche Ausbildung, Forschung sowie Trends unter die Lupe genommen.

QM-Inhalte in der Ausbildung

Lehrveranstaltungen zu QM werden in den meisten natur- und wirtschaftswissenschaftlichen, medizinischen sowie technischen Studiengängen angeboten, und dies sowohl in Bachelorstudiengängen als auch in konsekutiven Masterstudiengängen. Entsprechend vielfältig sind die Lehrinhalte von operativen über strategische bis hin zu philosophischen Fragestellungen. Unterrichtet werden meist Grundlagen des QM, Q-Standards resp. -Normen sowie Qualitätsindikatoren. Bei den QM-Systemen liegt der Fokus in der Regel auf ISO, EFQM und TQM.

Disziplinäre Schwerpunkte

Je nach Disziplin werden zudem spezifische QM-Systeme resp. Modelle behandelt, beispielsweise GMP (Good Manufacturing Practice) in der Pharmazie oder das Quality Health Outcomes Model in der Gesundheitsbranche. In Studiengängen der Wirtschaftsingenieurswissenschaften steht Lean Management und Prozessoptimierung im Vordergrund. In der Pharmazie und den Lebensmittel- und Umweltwissenschaften nehmen gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Risikoanalyse und -bewertung mehr Raum ein. Im Gesundheitswesen hat die Qualitätsmessung und -entwicklung einen hohen Stellenwert und in der IT spielt Software Testing eine wichtige Rolle.

Integrierte Vermittlung von QM-Inhalten

Auffällig ist, dass nur vereinzelt Lehrveranstaltungen angeboten werden, die QM explizit zum Thema haben. Meist sind Inhalte und Fragen des QM als Unterrichtslektionen oder Module in Kurse und Vorlesungen integriert, mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung und Akzentsetzung. Auch wenn QM Bestandteil vieler Curricula ist, steht QM meist nicht im Fokus einer Lehrveranstaltung, sondern wird vielmehr als Querschnittsfunktion behandelt. Entsprechend gibt es in den konsekutiven Studiengängen keine QM-spezifischen Abschlüsse oder Vertiefungsrichtungen.

Abschlussarbeiten Dies spiegelt sich auch bei den Themen der Abschlussarbeiten wider. Meist sind QM-Fragestellungen in eine Bachelor- oder konsekutive Masterthesis integriert oder werden im Hintergrund untersucht. Beispiele hierfür sind Arbeiten zu Produktentwicklung in der Lebensmittelbranche, Motivation von Mitarbeitenden zur Umsetzung von Lean-Prinzipien, Fehlermanagement zur Steigerung der Innovationsfähigkeit oder die Analyse von Patientenbeschwerden in der Pflege. Gemäss Aussagen der Experten ist das Interesse von Studierenden und Unternehmen an QM-Themen innerhalb der letzten Jahre konstant geblieben.

QM-bezogene Lernziele

Die von den Experten angegebenen Lernziele fokussieren in der Ausbildung neben dem Vermitteln eines Grundverständnisses für das QM mit seinen Systemen und deren Bedeutung auch auf deren konkrete Anwendung, Verbesserung und Weiterentwicklung. Hierzu gehört auch, dass Studierende ein Mind Set für QM entwickeln und das Streben nach Qualität als Wert verinnerlichen. Weiteres Lernziel ist, ein Verständnis dafür zu wecken, welche Verantwortung der Leitung als Vorbildfunktion für den Erfolg von QM-Systemen zukommt. Die befragten Experten sind sich einig, dass Praxisbezug eine wesentliche Voraussetzung für das Verständnis von QM ist.

QM-spezifische Abschlüsse erst durch Weiterbildung

Hier setzen Weiterbildungsprogramme an. Neben privaten Bildungsorganisationen werden diese auch von Hochschulen – und hier insbesondere von Fachhochschulen – angeboten, meist als strukturierte CAS-, DAS- und MASProgramme. Anwendungsorientiertes Wissen und die Vertiefung von QM-Inhalten mit Bezug zu praktischen Erfahrungen und betrieblichen Problemstellungen stehen im Vordergrund. Neben fachgebietsspezifischen Lehrgängen liegt ein weiterer Fokus auf Leadership & Management im Zusammenhang mit Qualitätsthemen. QM-spezifische Spezialisierungen und Abschlüsse werden so in der Regel erst im Rahmen von Weiterbildungen erworben.

Forschung

Gemäss Recherche in Forschungsdatenbanken und Websites zeigt sich, dass Forschung zu Qualität resp. QM sich je nach Disziplin unterschiedlich verteilt. Ein grosser Teil der drittmittel- finanzierten Forschungsprojekte zu QM entfällt aktuell auf die Gesundheitsbranche. Finanziell gefördert wird letztere sowohl vom SNF als auch von Innosuisse. Weitere Forschungsaktivitäten finden sich in den Fachgebieten Production & Operation Management, Lebensmittel- und Agrarwissenschaft sowie Wirtschaft. Darüber hinaus zeigt sich eine breite Palette an unterschiedlichen Forschungsprojekten von Q-Blockchain, über ein theaterspezifisches QM bis hin zu Flugnetzwerksimulation, Global QM sowie EFQM und Unternehmenskultur. Auftragsforschung zu QM wird u.a. für die pharmazeutische Industrie durchgeführt. Forschung zu QM als Schwerpunkt oder als integraler Bestandteil anderer Forschungsthemen wird auch im Rahmen von Promotionen betrieben, beispielsweise in den Pflegewissenschaften oder in den (Wirtschafts-)Ingenieurswissenschaften.

Trends

Vereinfachung von Q-Systemen ist ein grosses Trendthema im QM. Die befragten Experten sind sich einig, dass die Komplexität der Systeme reduziert und der Wildwuchs an Normen und Standards eingegrenzt werden sollte. Zudem wird es als zunehmend wichtig erachtet, dass QM-Systeme sich an dynamische Veränderungsprozesse anpassen müssen und diese anschlussfähig sind an agile Organisationsformen. Optimierungsbedarf wird hier insbesondere bei den ISO-Normen gesehen, die noch zu wenig auf agile Strukturen und Prozesse ausgerichtet sind. Zudem wird Compliance und Risk Management sowie dem Thema Cyber Security ein hoher Stellenwert eingeräumt. Im Gesundheitswesen wurde darüber hinaus «Value Based Health Care» und in der Informatik «Build Quality in» als Trends genannt. Im Lean Management steht die verhaltenspsychologische Perspektive und die Rolle der Akteure zunehmend im Fokus. In der Produktionstechnik gehört maschinelles Lernen zu den Trendthemen des QM.

Fazit

Das QM ist in vielen Disziplinen an Schweizer Hochschulen etabliert. Lehrstühle und Kompetenz- Cluster ausfindig zu machen, die sich dem QM verpflichtet fühlen, hat sich jedoch als Detektivarbeit erwiesen. Verteilt auf sehr viele Disziplinen zeigen sich die Aktivitäten oft nicht auf den ersten Blick. Zurückzuführen ist dies insbesondere auf den Umstand, dass QM in vielen Disziplinen kein Kernfach ist, sondern in Lehrveranstaltungen und Abschlussarbeiten als ein Thema unter anderen integriert ist. Zudem fehlen in der Ausbildung QM-spezifische Abschlüsse oder Vertiefungsrichtungen, die in der Regel erst im Rahmen einer Weiterbildung erworben werden. Dies schränkt die Sichtbarkeit ein und erschwert den Überblick über die laufenden QM-Aktivitäten in Lehre und Forschung an Schweizer Hochschulen. Nicht überraschend ist deshalb das Interesse der befragten Experten an einer verstärkten Vernetzung auch über die unterschiedlichen Disziplinen hinweg. Der Aufbau solch eines Netzwerkes von Lehrenden und Forschenden zu QM-Themen an Schweizer Hochschulen könnte durch Einrichtung einer Plattform zu aktuellen Abschlussarbeiten, Forschungsprojekten, Studienangeboten, Lehrveranstaltungen und Konferenzen mit Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Austausch unterstützt werden. Schliesslich könnte hiervon auch die betriebliche Praxis profitieren, die sich über aktuelle Trends in Forschung und Lehre informieren kann.

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