«Das Krisensensorium steigern»
Bettina Zimmermann, CEO von GU Sicherheit & Partner AG, ist gefragte Expertin für Krisenmanagement. Sie wird immer dann gerufen, wenn einer Organisation die eige- nen Ressourcen fehlen, um unvorgesehene Ereignisse professionell zu bewältigen.
Eine schlecht bewältigte Krise kann den gu- ten Ruf kosten. Damit dies nicht geschieht, sind erfahrene und kompetente Krisenmana- ger wie etwa Bettina Zimmermann gefragt. Sie unterstützt Führungskräfte dabei, die richtigen Entscheide zu fällen und auch für transparente Kommunikation zu sorgen. Ein von ihr gegründetes Kompetenzzentrum Kri- senmanagement bietet nun praxisbezogene Seminare im Bereich «Umfassendes Krisen- management für Unternehmen» an.
Frau Zimmermann, ich behaupte, Krisen- management ist gleich Krisenkommunikation. Inwieweit stimmt diese Gleichung?
Bettina Zimmermann: Diese Gleichung stimmt nicht. Es braucht beide Teile, um eine Krise zu bewältigen. Notwendig sind ein Ma- nagement, das entscheidet, und eine Kommu- nikation, die die Entscheide adressatengerecht an die verschiedenen Stakeholder wie z.B. Mit- arbeitende, Medien, Behörden usw. mitteilt. Beide Komponenten stehen etwa in einem Verhältnis von 50 zu 50. Es ist ein grosser Trugschluss, dass eine Krise nur allein mit Kommunikation zu bewältigen ist.
Medien berichten immer wieder über Unglü- cke, bevor offiziell kommuniziert wurde. An- gehörige erfahren aus den Medien von Todes- fällen ihrer Liebsten. Was läuft da falsch?
Die Medienberichterstattung an sich! Der normale Dienstweg läuft so ab: Es passiert ein Unfall mit Schwerverletzten, die Polizei ist auf Platz, Todesfälle müssen durch einen Amts- arzt festgestellt werden, dann erfolgt die Iden- tifikation. Eine Todesnachricht zu überbrin- gen ist Aufgabe der Polizei oder des Spitals – in jedem Fall durch eine Amtsperson. Nun stellt sich aber das Problem, dass immer häufiger Leserreporter Bilder machen, diese an Medien weitergeben und diese veröffentlichen dann die News. Das generiert natürlich Schlagzei- len und Klicks. Leider funktioniert es heute nicht mehr überall, dass die Mediwen aus Pie- tät mal eine Nachricht zurückhält und erst die offizielle Kommunikation abwartet. Auch die private Kommunikation über Social Media verläuft heute rasend schnell.
Wie weit lässt sich diese ungesteuerte Kom- munikation über Social Media überhaupt in die Krisenkommunikation einbinden?
Es kommt etwas auf die Grösse einer Organi- sation an. Eine grosse Organisation verfügt in der Regel über eine eigene Kommunikations- abteilung. Diese hat auch die Aufgabe, die So- cial Media zu beobachten. Wenn nötig, muss sie krasse Fehlinformationen widerlegen. Das Problem hierbei ist aber: Es benötigt enorm viele Ressourcen. Fehlen diese, muss dann der Entscheid gefällt werden: Kann man da- gegen etwas tun oder soll man das laufen las- sen. Ein Management-Entscheid könnte dann darin bestehen, dass man sich externe Unter- stützung holt, um eine Kommunikationsstra- tegie festzulegen.
Das dürfte gerade bei sog. Shitstorms ein Gebot der Stunde sein?
Shitstorms sind heute ein Risiko, ja. In einem solchen Fall gilt es professionell zu beobach- ten, wo das grösste Problem bzw. die Ursache dafür liegt. Das ist nicht pauschal möglich, sondern benötigt eine Lagebeurteilung. Denn man ist mit der Situation konfrontiert, dass in Diskussionen via Social Media quasi jeder ein «Experte» ist.
Unglücksfälle lassen sich nicht vorhersehen. Wie können Unternehmen/Organisationen trotzdem Vorkehrungen treffen, um nicht gänzlich «im Schilf» zu stehen?
Wichtig ist, dass sich Unternehmen darüber bewusst sind, dass sie Risiken ausgesetzt sind. Diese Risiken gilt es auf den Radar zu nehmen. Firmen bzw. ihr Management müssen ein ei- genes Krisensensorium entwickeln. Das ver- hindert, dass im Falle eines Ereignisses zu spät– also erst, wenn schon viel Schaden angerich- tet ist – gehandelt wird. Es gilt, Personen für das Krisenmanagement zu bestimmen, und diese Leute müssen auch geschult werden.
Gerade zu diesem Zweck haben Sie ein neues Kompetenzzentrum für Krisenmanagement eröffnet. Was lässt sich da lernen?
Unsere Ausbildungen sind gezielt auf den C- Level und Verwaltungsräte ausgerichtet. Ge- schult werden dabei das Krisensensorium und das Fällen von Entscheiden – gerade letz- teres ist in Krisensituationen besonders schwierig. Wir wollen die Teilnehmenden be- fähigen, eine auf ihr Unternehmen angepasste Krisenorganisation zu bilden. Das soll unter- nehmensbezogen sinnvoll und umsetzbar sein.
Und wie lässt sich das angesprochene Krisensensorium lernen?
Zum einen gehört dazu: hinschauen, nicht wegschauen! Und zum anderen: Die Bereit- schaft zuzugeben, dass Risiken da sind. Und zu wissen ist, dass das grösste Risiko immer noch der Faktor Mensch ist.