Zur Standardisierung der Blockchain
Die Verteilung von digitalen Werten über miteinander verknüpfte Rechner scheint Transaktionen im Bereich der Effizienz im IT-, FinTech-, aber auch Regierungs- und Gesundheitssektor und vielen weiteren Betrieben zu vereinfachen, wenn nicht zu verbessern. Gleichwohl konnte man die viel verheissende und doch komplexe Blockchain-Technologie noch nicht standardisieren.
Vor wenigen Jahren wurde noch eine neue Revolution durch die Blockchain-Technologie versprochen – gleichzeitig sollte eine Verbesserung von Finanztransaktionen und Geschäftsgängen ermöglicht werden. Einzelne Regionen, siehe das von der Zuger Regierung proklamierte «Crypto Valley», haben etliche Gründerunternehmen angelockt. Möglicherweise, weil der Zuger Regierungsrat Werte wie «Collaboration», Integrität, Sicherheit und Transparenz mit Bitcoins gleichsetzt.
Nichtdestotrotz wurden Anbieter von Kryptowährungen immer wieder von cyberkriminellen Organisationen unterwandert. Eine digitale Technologie, an der sich Unternehmen wie private Nutzer orientieren, sollte schon längstens einen einheitlichen Standard aufweisen können. Gerade der Schweizer Finanzplatz muss sich vor ominösen Zugriffen von Hackern und Programmierern schützen können.
Die kryptografisch abgesicherte Verkettung einzelner Informationsblöcke birgt daher nicht nur vielversprechende kooperative Chancen, sondern auch risikoreiche Effekte.
Schweizer Normenkomitee
Inzwischen sorgen sich auch hierzulande Organisationen wie das Schweizer Normenkomitee INB/NK208 («Blockchain and distributed ledger technologies») um die Standardisierung bisher peripher verteilter Blockketten. Die Gründungssitzung von ISO TC 307 «Blockchain and distributed ledger technologies (DLT)», die 2018 in Sydney, Australien, stattfand, brachte internationale Experten aus über 30 Ländern zusammen, um den Kurs für die künftige Standardisierung in diesem Bereich zu setzen.
Dabei wurden fünf Studiengruppen für die Standardentwicklung in folgenden Bereichen geformt:
- SG1 «Reference architecture, taxonomy and ontology»
- SG2 «Use cases»
- SG3 «Security and privacy»
- SG4 «Identity»
- SG5 «Smart contracts»
Nicht nur die Internationale Organisation für Standardisation (ISO) hat bedeutende Punkte bezüglich der Blockchain definiert, ebenso arbeitet man in der Schweiz an deren Normierung. Zum Beispiel setzt sich auch Thomas Puschmann mit wichtigen Punkten in Sachen «Blockchain and distributed ledger technologies» in einem Komitee für Blockchain auseinander.
Puschmann, Forschender am Swiss Fin- Tech Innovation Lab an der Universität Zürich, ist Vorsitzender des Schweizer Normenkomitees INB/NK208. Dieses Komitee dreht sich um die zukünftigen Standardisierungsarbeiten. Um die Blockchain standardisieren zu können, muss man sie jedoch zuerst richtig verstehen.
«Eine Blockchain schreibt sämtliche Transaktionen aller involvierten Akteure fort und publiziert diese öffentlich», erklärt der Experte gegenüber Management & Qualität. «So sind alle Transaktionen aller involvierten Akteure zu jedem Zeitpunkt transparent. Dezentral organisierte Systeme wie Blockchain benötigen prinzipiell keine Zwischenhändler zur Abwicklung von Transaktionen, da die Authentifizierung sowie die Transaktionsabwicklung über die Blockchain stattfinden. Ein zentrales Element stellt daher die Sicherheit der Blockchain-Lösung dar.»
Durch die Aneinanderreihung aller Blöcke ist es möglich, jede vergangene Transaktion bis hin zum ersten Block, dem sogenannten Genesis Block, zurückzuverfolgen und zu verifizieren.
Im Unterschied zu einem IPO (Initial Public Offering), bei dem ein Unternehmen Wertpapiere an einer Börse emittiert, findet jedoch eine reine digital Transaktion durch ICO (Initial Coin Offering) im Internet statt. Der Blockchain- Experte und Autor erklärt weiter: «Unterschiedlich sind ausserdem der Prozess, der ohne Intermediäre erfolgt, sowie die Art der ‹Wertpapiere›, die typischerweise in Form von sogenannten digitalen Tokens (dt.: Zeichen, Wertmarken) distribuiert werden.»
Der rechtliche Modus Operandi
Einer der wichtigsten direkten Effekte der Blockchain ist die «Vermeidung» von Intermediären wie etwa Clearing-Instituten.
Per se unterliegt eine Blockchain-Transaktion einem sogenannten Smart Contract, einem elektronisch abgebildeten Vertrag, «der mit einem Versicherungsvertrag oder einem Dienstleistungsvertrag» verglichen werden kann, der wirtschaftlich und rechtlich verbindliche Regeln beinhaltet, «elektronisch lesbar ist und damit automatisierbare Bausteine beinhaltet», meint der Experte.
Grundlegend könne jeder Smart Contract auf einer Blockchain, respektive DLT, implementiert sein und damit denselben Grundprinzipien wie bei transkationsorientierten Blockchains «gehorchen». Puschmann macht einen Vergleich anhand eines Beispiels: «Wenn ein Fahrzeugbesitzer seine Versicherung nicht fristgerecht bezahlt hat, könnte daraufhin sein Leasingvertrag gesperrt und automatisch eine Fahrsperre beim zuständigen Strassenverkehrsamt erlassen werden», analog könnten gemäss dem Normenexperten mangelnde oder unlautere Blockchain-Transkationen durch Netzsperren «blockiert» werden.
Ein weiterer Effekt jener Smart Contracts bringt eine parallele Digitalisierung von Rechts- und Wirtschaftsregeln mit sich. Thomas Puschmann meint: «Hierdurch erfüllt diese Technologie eine bislang bestehende Lücke, indem sie neben der Standardisierung des Informationszugangs (HTML, Codes etc.) und des eigentlichen Dienstezugriffs (SOAP etc.) nun auch den Bereich der Werte einbezieht. »
Darüber hinaus ermögliche diese Technologie erstmals die sichere elektronische Übertragung von Werten (Geld, Wertpapiere, etc.) jeglicher Art und Weise.
Risiken und Konsequenzen
Welche Konsequenzen die Blockchain-Technologien für Schweizer Sektoren mit sich ziehen, ist und bleibt noch ungewiss. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat in einer Wegleitung erste Eckpfeiler für ICOs ( Initial Coin Offering) publiziert formuliert. Sie adressiert damit vor allem die Themen Geldwäscherei und Handel von Anlagen. Konkrete regulierende Elemente in der Besteuerung einzelner Nutzer oder Händler sind noch nicht über alle Schweizer Behörden definiert.
Bisher unterliegen Anbieter, die virtuelle Währungen herstellen oder als Zahlungsdienstleister auftreten, den üblichen FINMA-Regelungen.
Allerdings: Ein Bitcoin stellt leider nach wie vor kein Recht auf die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung dar. So gibt es auch keine Rückzahlungsverpflichtung oder ein eigentliches Anrecht auf einen Gewinnanteil, sollte der Bitcoin-Kurs wieder mal «durch die Decke gehen». Grundsätzlich beinhaltet eine Kryptowährung keinen Verbrauchswert. Aus steuerlicher Sicht gilt eine Kryptowährung als eine Art digitales Geld. Die Steuerbehörden behandeln denn auch einen Blockchain-Wert wie eine ausländische Währung, sie kommunizieren für grössere Transaktionen (zurzeit) einen Jahresendkurs. Demian Stauber, ein Mitglied des Schweizer Normenkomitees «Blockchain ISO TC 307» und Rechtsanwalt für Immaterialgüterrecht, Informationstechnologierecht und Vertragsrecht, betont:
«Die Blockchain-Themen, welche die FINMA auf die Agenda gesetzt hat, markieren erst eine Diskussion. Es braucht noch einige Klassifikationsansätze, um die neue Technologie zu typisieren. So geht es nicht nur um die technische Architekturschicht (z.B. Applikationen, Protokollierung), es geht schliesslich auch um den Lebenszyklus eines Tokens (für die Schaffung, den Verkauf, die Vermittlung, Verteilung etc.).»
Solche Punkte (siehe Infobox) führen zu weitergehenden regulatorischen und rechtlichen Fragestellungen, die zurzeit noch nicht Gegenstand der Diskussion sind.