20 Jahre Forschung im Fraunhofer-Institut: Über die Zukunft der Arbeitswelt

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) feiert Geburtstag. Seit 1996 hat das Institut zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft das Verbundforschungsprojekt Office 21 vorangetrieben. Die zentrale Frage war und ist dabei stets: Wie sieht die Zukunft unserer Arbeitswelt aus? Um diese Entwicklungen nicht nur wissenschaftlich nachvollziehbar, sondern auch tatsächlich erlebbar zu machen, wurde das Informations- und Demonstrationszentrum "Office Innovation Center" gegründet.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) wurde 1996 in Stuttgard etabliert. (Bild: IAO)
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) wurde 1996 in Stuttgard etabliert. (Bild: IAO)

Die Prognose für den Arbeitsplatz der Zukunft fiel im Jahr 2010 noch „sozial engagiert“ und „ökologisch“ aus.

„Damit haben wir erstmals nicht nur ein Demonstrationszentrum für die Präsentation neuer Konzepte und Produkte zum Thema Bürogestaltung geschaffen, sondern auch eine Spielwiese, um die Tauglichkeit innovativer Bürolösungen im Detail zu evaluieren und weiter zu entwickeln“, sagt Professor Wilhelm Bauer, Initiator des Projekts und Leiter des IAO in Stuttgart. Seit seinen Anfängen versucht das IAO damit am Puls der Zeit zu sein und Arbeitsszenarien der Zukunft zu erdenken.

Hier ein Überblick über Meilensteine aus 20 Jahren IAO-Forschung:

2000: Von der Industriegesellschaft ins Wissenszeitalter

Die Zeit der Industriegesellschaft ist vorbei – wir befinden uns auf dem Weg ins Wissenszeitalter.  Mit dieser Prognose legt die erste Forschungsarbeit von Office 21 den Grundstein für den Weg in die digitale Ära. Die Autoren Hans-Jörg Bullinger, Wilhelm Bauer, Peter Kern und Stephan Zinser diagnostizieren in ihrer Publikation ‚Büroarbeit in der dotcom-Gesellschaft gestalten‘ einen Umschwung in der Arbeitswelt. Kohle und Stahl sind von gestern, die Rohstoffe der Zukunft heißen nun Wissen und Information. Kreativität löst das Fließband als Produktivitätsfaktor ab.

Damit werden auch Angestellte von isolierten Einheiten zu „Knowledge-Workern“,  die sich wie Nomaden in Netzwerken bewegen.

2003: Der Mitarbeiter als wichtigste Ressource

Der Faktor Mensch rückt in den Mittelpunkt der Arbeitswelt. Dies ist die zweite grosse Prognose, die das IAO macht. ‚Mehr Leistung in innovativen Arbeitswelten‘ lautet der Titel des Handbuchs, mit dem das Institut sich vor allem an Unternehmen richtet. Diese finden hier praktische Hilfen und erprobte Praktiken, um Mitarbeiter in Unternehmen zu motivieren. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der Mensch zur wichtigsten Ressource in Unternehmen geworden ist.

Allein die Motivation, das Wissen und die Kreativität der Mitarbeiter entscheidet über Erfolg und Produktivität des Unternehmens. Das bedeutet auch, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter ernst genommen werden müssen. Ein netter Firmenwagen reicht dabei als Belohnung nicht mehr aus. Mitarbeiter fordern mehr Flexibilität, mehr Gestaltungsraum und mehr Entscheidungsfreiheit im Job.

„Change Management“ lautet das Zauberwort, das Office 21 in seiner zweiten grossen Publikation vorantreiben möchte. Ausgelöst von neuen Büroformen, von bahnbrechenden Fortschritten in der Informations- und Kommunikationstechnologie und dem Wissen um den „Erfolgsfaktor“ Mensch, müssen Unternehmen umdenken. Wer in der Arbeitswelt der Zukunft erfolgreich sein möchte, muss demnach den „Wohlfühlfaktor Mensch“ ins Zentrum setzen.

2010: Büros werden grün

Unternehmen wollen nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. In einem weiteren Meilenstein ihrer Büroforschung stellen die Wissenschaftler des IAO fest: „Es bestehen noch enorme Ausschöpfungspotenziale, um die ökologische Nachhaltigkeit im Unternehmen und in der Büroarbeit zu steigern.“ In ihrer Studie ‚Green Office‘ haben die Forscher deutsche Unternehmen nach ihren Vorstellungen zu nachhaltigen Arbeitsräumen befragt. Dabei antworten 42 Prozent der befragten Unternehmen, dass ihnen umweltfreundliche und ressourcenschonende Technologien sehr wichtig seien.

Das zeigt einen Wandel von rein profitorientierten zu ökologisch engagierten Unternehmen. Der Arbeitsort wird damit auch zu einem sozialen Ort. Mitarbeiter und auch Kunden ist es nicht mehr egal, wo sie arbeiten und welche Produkte sie kaufen. Der bewusste Konsument und Mitarbeiter will genau wissen, welchen gesellschaftlichen Beitrag ein Unternehmen leistet. Das entscheidet oft über den Kauf eines Produkts oder die Mitarbeit in einer Firma.

Wir identifizieren uns mehr mit unserer Arbeit und verlangen deshalb auch mehr Engagement von Unternehmen. Die Prognose für den Arbeitsplatz der Zukunft im Jahr 2010 war also sozial engagiert und ökologisch.

2012: Visionäre Arbeitswelten

Wie sieht unsere Zukunft in zehn Jahren aus? Dieser Frage gehen die Forscher im Office 21 in ihrer Studie ‚Arbeitswelten 4.0 – Wie wir morgen arbeiten und leben‘ nach. Die klare Vision: Unsere Welt wird digitaler. Das wirkt sich nicht nur auf unsere Arbeit aus, sondern auch auf unser digitales Selbst. Unser Erscheinungsbild im Netz ist unsere zukünftige Visitenkarte. Die Forscher sprechen von einer „digitalen Aura“.

Eine weitere Prognose ist die Dominanz von Cloud-Technologien. Unsere mobilen Technologien versorgen sich selbst mit Informationen. Je nachdem, wo wir uns befinden und wer wir sind, werden wir permanent mit für uns relevanten Infos versorgt. Auch wenn das für manche ein wenig zu stark an „Minority Report“ erinnert, sprechen die Forscher optimistisch davon, wie alles „nahtlos und drahtlos“ laufen wird.

Darüberhinaus gehen die Wissenschaftler voraus, dass ältere Arbeitnehmer weiterhin aktiv sein werden – gerade im Berufsleben. Ihr Know-how gilt demnach als wichtige Ressource für Unternehmen. Auch der Arbeitsplatz verändert sich: In zehn Jahren haben wir keine steifen Großraumbüros mehr, unser Schreibtisch ist dynamisch, arbeitsfreundlich und auf jeden Mitarbeiter individuell abgestimmt. Willkommen in der Arbeitswelt der Zukunft!

2014: Das Büro wird zum Coworking Space

Nachdem die Forschung des Office 21 sich sehr intensiv mit der Entwicklung des Büroraums beschäftigt hat, stellen die Forscher einen völlig neuen Trend fest: Weg vom klassischen Schreibtisch, hin zum gemeinsamen Arbeiten im Coworking Space. In ihrer Publikation ‚Faszination Coworking‘ gehen die Forscher auf das Erfolgsmodell Coworking ein.

Gerade die Offenheit solcher Arbeitsräume und die lose Organisation zieht immer mehr Unternehmen und Freelancer in Gemeinschaftsbüros. Hier scheint sich der Trend nach mehr Entfaltungsspielraum wiederzufinden. Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeiten individueller gestalten und sich viel dynamischer mit Kollegen austauschen. Doch nicht nur das – gerade der Austausch mit branchenfremden Coworkern scheint die Kreativität in ganz neue Bahnen zu lenken.

Es entstehen neue Businesskonzepte und ungeahnte Kooperationen. Der Coworking Space wird so zur kreativen Bastelstube der Arbeitswelt.

2016: Der Abschied vom Papier

In ihrer aktuellen Untersuchung ‚Digitales Arbeiten. Motive und Wirkungen papierarmer Arbeitsweisen‘ widmen sich die IAO-Forscher einem neuen Zukunftsthema, dem papierlosen Büro. Besonders im Augenmerk sind dabei die Zusammenhänge zwischen digitalem oder papiergestütztem Arbeiten und persönlicher Leistung. Also: Sind wir erfolgreicher, wenn wir alles mit Stift auf Papier notieren und Dokumente ausdrucken oder arbeiten wir produktiver, wenn unsere Notizen und Informationen digital bleiben? Mit diesem Thema ist das Office 21 erneut einem Trend auf der Spur.

Der Trend zur Wissensgesellschaft, die Digitalisierung unserer Welt und die Entwicklung von neuen Arbeitsformen bilden dabei nur einige neue Trends, welche die Arbeitswelt restrukturieren werden. Die Forschung des IAO ist und bleibt damit auch weiterhin ein spannendes Barometer der aktuellen und zukünftigen Arbeitswelt.

http://www.iao.fraunhofer.de

 

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